×

Das Zwiebel-Orakel prophezeit Gewitterstürme und Kugelblitze

Matthias Fuchs, der Wetterlueger aus Kaltbrunn, bestimmt am Heiligabend anhand von Zwiebelringen den Witterungsverlauf für das Folgejahr.
Für 2019 prognostiziert er viel Schnee, einen schönen Frühling, zahlreiche Gewitter, einen durchzogenen Herbst und weisse Weihnachten.

05.01.19 - 04:30 Uhr
Politik
Der Wetterlueger Matthias Fuchs riecht an einer Zwiebel, um daraus etwas über das Wetter in diesem Jahr zu erfahren.
Der Wetterlueger Matthias Fuchs riecht an einer Zwiebel, um daraus etwas über das Wetter in diesem Jahr zu erfahren.
BILD: MARKUS TIMO RÜEGG

Wenn Zwiebeln über das Wetter sprechen, dann ist Matthias Fuchs ganz in seinem Element. Am Heiligabend, um 22 Uhr, war es so weit: Der Wet-terlueger aus Kaltbrunn teilt zwölf Zwiebeln nach einem geheimen Auswahlverfahren auf die zwölf Monate auf und halbiert die Zwiebeln. Ein Zwiebelring pro Monat landet während fünf bis sechs Stunden in einer Beize und der Ausschuss in einer währschaften Böllesuppe.
«Heiligabend ist eine magische Nacht und die Zwiebel ein uraltes Gemüse, das Gesundheit bringt und viel über die Zukunft aussagen kann», sagt Matthias Fuchs. Der 61-Jährige arbeitet bei der Logistikbasis der Armee (LBA) in Walde und hat vor 25 Jahren die Kunst des Wetterluegens erlernt: Eine alte Frau vom Ricken hat ihn damals in das Mysterium des Zwiebeldeutens eingeführt. «Diese Tradition ist über 120 Jahre alt und geht zurück auf eine Zeit, als die Bauern noch kein Radio hatten, um dank des Wetterberichts zu erfahren, ob Heuen angesagt ist oder nicht», berichtet Fuchs.

Das Ritual bleibt geheim

Am Weihnachtstag findet die Wettereröffnung statt: Fuchs bestimmt anhand der Zwiebelringe den Witterungsverlauf des kommenden Jahres. Die Ersten, die seine Prognosen erfahren, sind die Mitglieder des Wetterluegerclubs, allesamt Männer aus dem Heimwehlöschzug der Feuerwehr Kaltbrunn. Diese helfen Fuchs beim Setzen der Zwiebeln an einem Aprilabend, nach 18 Uhr und in einer bestimmten Ausrichtung zur Sonne, sowie beim Ernten der Zwiebeln Ende Juli. Wo sich das Beet mit den Zwiebeln genau befindet, das irgendwo in der Linthebene liegt, will der Wetterlueger nicht verraten. Auch wie das Ritual genau funktioniert, bleibt streng geheim.  «Nur meine Tochter habe ich in das Geheimnis des Wetterluegens eingeweiht», erzählt Fuchs: Sie wird eines Tages ihrem Vater als Wetterluegerin nachfolgen.

Pech gehabt mit der 2018-Prognose

Zwei der Clubmitglieder sind sogenannte Hinderschilueger: Während nämlich Fuchs das Wetter voraussagt, also in die Zukunft schaut, sind diese beiden Männer dafür verantwortlich, die Prognosen von Fuchs rückwirkend auf ihre Richtigkeit zu überprüfen und mit einem Punktesystem zu benoten. Beim Jahr 2018 lag Fuchs ziemlich daneben: Er hat weder die grosse Hitze noch die lange Trockenheit des letzten Jahres vorausgesehen. Dementsprechend hat Fuchs im Schnitt auch nur vier Punkte von maximal zehn möglichen Punkten pro Monat geholt. «Es kann naturgemäss vorkommen, dass ich ganz falsch liege mit meinen Prognosen», konstatiert Fuchs: Es sei aber auch wettermässig ein sehr extremes Jahr gewesen. Im Grossen und Ganzen ist er aber zufrieden mit seiner Treffsicherheit.

«Es wird ein gutes Jahr»

2019 werde wettermässig ein gutes Jahr, berichtet Fuchs: «In jedem Fall wird es nicht mehr einen ewigen Sommer und eine grosse Dürre geben.» Allerdings erwartet der Wetterlueger mehr Winde, stärkere Gewitter, konzentrierte Stürme. Als Besonderheit des Jahres prognostiziert Fuchs eine weisse Weihnacht. Überhaupt falle viel Schnee im kommenden Jahr. Während der Frühling schön ausfalle, gebe es im Sommer viele Gewitter mit Kugelblitzen. Im August fallen starke Niederschläge, der Monat komme kalt daher. Bereits Ende Oktober falle der erste Schnee. Und gegen Ende des Novembers würden Wintergewitter übers Land ziehen. «Schönes Wetter braucht der Mensch, schlechtes Wetter die Natur», lautet das Fazit von Matthias Fuchs.
Für Fuchs gehört das Wetter zur Natur. Und für die Natur interessiert sich der Wetterlueger aus Kaltbrunn ganz besonders. So betrachtet Fuchs nicht nur Zwiebelringe, sondern die Natur an sich, um etwas über das Wetter der kommenden Zeit in Erfahrung zu bringen. «Es ist das Verhalten der Tiere, das ich zu deuten vermag. Oder ich lese aus dem Nebel oder dem Wind», sagt Fuchs. Vor allem der Wind sei in letzter Zeit stärker geworden, findet er.

«Der Januar muss krachen»

Überhaupt macht sich der 61-Jährige Sorgen um die Erde. Sie sei übernutzt. «So viel Licht während der Nacht, die 24-Stunden-Gesellschaft – die Natur kann mit unserem Tempo nicht mithalten.» Im Wald beobachtet Fuchs Tiere, die wegen des ausufernden Freizeitverhaltens der Menschen zurückgedrängt würden, scheu und verunsichert seien sie. Allerdings will Fuchs nicht als Pessimist in die Geschichte eingehen. Viel lieber als den Weltschmerz zu beklagen, richtet der Kaltbrunner sein Augenmerk auf die Natur und auf die Zwiebeln. Um von diesen Wind und Wetter abzuleiten. Für den Start ins neue Jahr lautet das Bonmot von Matthias Fuchs jedenfalls: «Der Januar muss krachen, soll der Frühling lachen.» Dementsprechend prognostiziert der Wetterlueger für den Januar wechselhaftes Wetter, viel Regen und Schnee.

Kommentieren
Wir bitten um euer Verständnis, dass der Zugang zu den Kommentaren unseren Abonnenten vorbehalten ist. Registriere dich und erhalte Zugriff auf mehr Artikel oder erhalte unlimitierter Zugang zu allen Inhalten, indem du dich für eines unserer digitalen Abos entscheidest.
Mehr zu Politik MEHR