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Spitaldirektor informiert Chef in letzter Minute über Strafbefehl

Spitaldirektor Urs Graf hat versucht, seinen Autounfall samt vereiteltem Alkoholtest unter Verschluss zu halten. Auch seinen Vorgesetzten informierte er erst, kurz nachdem die «Südostschweiz» ihn mit dem Vorfall konfrontiert hatte, wie dieser sagt. Ausgestanden ist die Sache für Graf noch nicht.

Südostschweiz
10.08.18 - 12:00 Uhr
Politik

Von Pascal Büsser

Der Vorfall hat sich am 11. Dezember letzten Jahres ereignet. Urs Graf, Spitaldirektor in Uznach, missachtete im Kreisel bei der Autobahnausfahrt Schmerikon den Vortritt, prallte seitlich in ein anderes Auto und fuhr danach, ohne sich um den Blechschaden zu kümmern, zu seinem Haus in Schmerikon. Dort trank er in kürzester Zeit eine Flasche Wein.

Laut dem rechtskräftigen Strafbefehl, aus dem diese Informationen stammen, hat der 63-Jährige damit eine aussagekräftige Alkoholprobe vereitelt. Es konnte nicht mehr festgestellt werden, ob er zum Zeitpunkt des Unfalls fahrtüchtig gewesen war. Für seine Verfehlungen hat Graf eine bedingte Geldstrafe erhalten. Zudem hat er Bussen und Verfahrenskosten von 5300 Franken aufgebrummt bekommen (Ausgabe von gestern).

Erst akzeptiert, dann bestritten

In der Region gibt der Vorfall zu reden, nicht nur in den sozialen Medien. Der pensionierte Uzner Polizist und SP-Kantonsrat Sepp Kofler beurteilt den Fall grundsätzlich wohlwollend: «Jeder sollte mal einen Fehler machen dürfen, auch in dieser Position», meint er. «Allerdings sollte er dann dazu stehen.» Dass Graf den Strafbefehl akzeptiert habe, nun aber grosse Teile des Inhalts abstreite, befremde ihn.

So gibt Graf an, den Zusammenstoss nicht bemerkt zu haben und nicht innert 15, sondern innert 45 Minuten zu Hause eine 0,7-Liter-Flasche Wein konsumiert zu haben.

Wie die «Südostschweiz» weiss, haben Graf und sein Anwalt die Darstellung im Strafbefehl auch deshalb nicht angefochten, weil sie glaubten, dass ein solcher nicht öffentlich würde. Ein Rekurs vor Gericht hätte dagegen, so ihr Kalkül, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit den Weg an die Öffentlichkeit gefunden.

Chef überrascht …

Grafs Chef ist Felix Sennhauser. Der Arzt präsidiert seit Mitte Jahr den Verwaltungsrat der Spitalverbunde des Kantons St. Gallen, dem er schon lange angehört. Vom Vorfall wurde er überrumpelt, wie er auf Anfrage der «Südostschweiz» sagt.

Felix Sennhauser, seit wann wussten Sie vom Strafbefehl gegen Urs Graf? Ich bin erst am Mittwochabend von Herrn Graf über den Vorfall informiert worden (die «Südostschweiz» hatte Graf wenige Stunden zuvor kontaktiert, Red.).

Ergeben sich aus Sicht des Verwaltungsrats aus dem Vorfall berufliche Konsequenzen für Urs Graf? Nach meinem heutigen Wissensstand handelt es sich um ein privates Geschehen. Nach meinen Ferien werde ich ein persönliches Gespräch mit Herrn Graf führen, um Details aus erster Hand zu erfahren.

Der Vorfall ereignete sich im letzten Dezember, der Strafbefehl stammt von Anfang Juli. Hätten Sie sich eine frühere Information durch Urs Graf gewünscht? Mich hat überrascht, dass ich vom Vorfall in den Ferien erfahren habe. Ich hätte sicher gerne im regulären Betrieb Kenntnis davon erhalten.

Laut rechtskräftigem Strafbefehl ist Graf von der Unfallstelle geflüchtet und hat mit grossem Weinkonsum in sehr kurzer Zeit einen Alkoholtest vereitelt. Stellen sich Ihnen da Fragen zur persönlichen Integrität von Urs Graf und seinem Umgang mit Fehlern? Mit meinem Wissensstand kann ich dazu im Moment keine Wertung abgeben.

Nach dem Unfall hat Urs Graf 0,7 Liter Wein in – je nach Darstellung – 15 bis 45 Minuten getrunken. Lässt das aus medizinischer Sicht auf einen kontrollierten Alkoholkonsum schliessen? Ich schliesse daraus gar nichts, bevor ich nicht mehr Details kenne. Das sind diametral unterschiedliche Angaben.

… Experte dezidiert

Eine klare Meinung – unabhängig vom Einzelfall – hat zu einem solchen Konsum Richard Zehnle von der Zürcher Fachstelle für Alkoholprobleme. Man müsse bei einer solchen Trinkrate «mindestens von einem missbräuchlichen Alkoholkonsum» sprechen. Eine Person, die nicht bereits eine gewisse Alkoholtoleranz entwickelt habe, vertrage keine solche Menge in dieser Zeit ohne Vergiftungssymptome.

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