×

Puigdemont auf Kaution frei - Dialog mit Madrid gefordert

Der katalanische Separatistenchef Carles Puigdemont hat nach seiner Freilassung aus deutscher Haft die Madrider Zentralregierung zum Dialog aufgerufen. Der 55-Jährige verliess am Freitag das Gefängnis in Neumünster nach Hinterlegung einer Kaution von 75'000 Euro.

Agentur
sda
06.04.18 - 17:01 Uhr
Politik
Carles Puigdemont am Freitag beim Verlassen des Gefängnisses in Neumünster.
Carles Puigdemont am Freitag beim Verlassen des Gefängnisses in Neumünster.
Keystone/EPA/JENS SCHLUETER

Zuvor hatte das schleswig-holsteinische Oberlandesgericht (OLG) den Vorwurf der Rebellion als Grund für eine Auslieferung an Spanien verworfen. Allerdings droht dem Katalanen immer noch eine Überstellung an Spanien wegen des Vorwurfs der Veruntreuung öffentlicher Mittel.

Noch vor den Toren der Justizvollzugsanstalt sagte Puigdemont auf Englisch, es gäbe für die Regierung unter dem konservativen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy keine Rechtfertigung, nicht Gespräche mit den katalanischen Führern über eine Lösung des Konflikts zu starten. Er forderte die Entlassung aller inhaftierten Separatisten in Spanien. Es sei eine Schande für Europa, dass es politische Gefangene gebe.

In Spanien seien die Gewaltenteilung und die Menschenrechte in Gefahr. «Unser Kampf geht auch um Demokratie, nicht nur um Selbstbestimmung.» Seine kurze Stellungnahme begann Puigdemont in gebrochenem Deutsch: «Ich möchte mich bei allen bedanken für die Hilfe und Solidarität.»

Kaution hinterlegt

Puigdemont habe die Bedingungen für seine Freilassung erfüllt, teilte eine Sprecherin der Generalstaatsanwalt mit. Der 55-Jährige hinterlegte eine Kaution in Höhe von 75'000 Euro, muss sich regelmässig bei der Polizei melden und darf Deutschland zunächst nicht verlassen. Die Generalstaatsanwalt muss nun entscheiden, ob sie einen förmlichen Antrag auf Zulässigkeit der Auslieferung wegen der Korruptionsvorwürfe stellen wird. Dies könne einige Tage in Anspruch nehmen, teilte eine Sprecherin mit.

Sollte Puigdemont nur wegen des Untreuevorwurfs ausgeliefert werden, ist in Spanien eine Verurteilung wegen Rebellion nicht möglich. Dies geht aus den Vorschriften für einen europäischen Haftbefehl hervor. Für Rebellion würde dem Separatisten eine Haftstrafe bis zu 25 Jahren drohen. Das Strafmass für Korruption dürfte geringer ausfallen.

Berlin erwartet kein getrübtes Verhältnis

Die deutsche Regierung erwarte keine negativen Auswirkungen auf das Verhältnis zwischen Spanien und Deutschland, erklärte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes. Auch der spanische Justizminister habe sich schon entsprechend geäussert. «Darum kann ich eigentlich nicht erkennen, dass es da irgendwelche Belastungen gäbe.»

In Madrid hatte ein Regierungssprecher am Donnerstagabend erklärt, richterliche Entscheidungen würden niemals kommentiert und immer respektiert. Vertreter der Separatisten feierten die Entscheidung der deutschen Richter und warfen der spanischen Justiz vor, politischen Interessen zu folgen.

Es sei wichtig, dass die Abgeordneten des katalonischen Regionalparlaments so schnell wie möglich eine Regierung bilden, sagte der Sprecher des Auswärtigen Amtes. Nur dann sei eine politische Lösung möglich.

Madrid erwägt Gang an EuGH

Das Oberste Gericht Spaniens erwägt im Zusammenhang mit der angestrebten Auslieferung von Puigdemont eine Anrufung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in Luxemburg.

Nach der Zurückweisung des spanischen Hauptvorwurfs der Rebellion durch das Oberlandesgericht Schleswig-Holstein wolle man möglicherweise ein so genanntes Vorabentscheidungsersuchen einreichen, sagte ein Sprecher des Obersten Gerichts in Madrid am Freitag der Nachrichtenagentur DPA.

Politische Blockade in Katalonien

Katalonien verharrt seit der vorgezogenen Neuwahl im Dezember in einer politischen Blockade. Zwar konnten die Separatisten ihre knappe Mehrheit im Regionalparlament in Barcelona verteidigen. Aber da mehrere separatistische Abgeordneten entweder in spanischen Gefängnissen sitzen oder im Exil sind und zudem der Kandidat für den Posten des Ministerpräsidenten persönlich im Parlament anwesend sein muss, ist eine Regierungsbildung bislang nicht gelungen. Die autonome Region wird kommissarisch von Madrid regiert.

Die spanischen Behörden legen Puigdemont zur Last, mit einem Referendum über die Abspaltung Kataloniens gegen die Verfassung verstossen zu haben. Zudem soll er für die Volksabstimmung mehr als eineinhalb Millionen Euro veruntreut haben.

Der 55-Jährige floh nach der Ausrufung der Unabhängigkeit im Oktober vor den Ermittlungen der Justiz nach Belgien. In Deutschland wurde er vor Ostern auf der Durchreise festgenommen und in Neumünster inhaftiert. Er war über Dänemark in die Bundesrepublik gekommen.

Kommentieren
Wir bitten um euer Verständnis, dass der Zugang zu den Kommentaren unseren Abonnenten vorbehalten ist. Registriere dich und erhalte Zugriff auf mehr Artikel oder erhalte unlimitierter Zugang zu allen Inhalten, indem du dich für eines unserer digitalen Abos entscheidest.

Wäre dieser Mann in irgendeinem einem anderen Land, auch innerhalb der EU, der Polizei in die Netze gegangen, und diese hätten ihn inhaftiert und vor Gericht gestellt, wer weiß, wie das Urteil dann ausgegangen wäre. Und in Deutschland, mit seiner liberalen Gesetzgebung, wäre es was "außergewöhnliches" gewesen, wenn man diesen Mann den spanischen Justizbehörden übergeben hätte. Ein Aufschrei der Empörung seiner Anhänger, auch in Deutschland, wäre die Folge gewesen. Von den Oppositionsparteien im deutschen Bundestag ganz zu schweigen, welche auch nicht gerade begeistert gewesen wären. "Zum Glück hat sich die Bundesregierung in diesem Fall, "völlig Neutral" verhalten.

Mehr zu Politik MEHR