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Starke Bündner Stimmen in Gossau

Am Wochenende ist das Schweizer Gesangsfest in Gossau zu Ende gegangen. Rund 10’000 Gäste und Mitwirkende besuchten den Anlass. Der letzte Festivaltag war wiederum geprägt von Bündner Präsenz.

Carsten
Michels
30.05.22 - 04:30 Uhr
Kultur

Über 30 Bündner Chöre haben am Schweizerischen Gesangsfest in Gossau den Chorkanton Graubünden vertreten. Bereits am Samstag, 21.  Mai, dem ersten Festivaltag, setzte der Chor Cantaurora mit einem Festkonzert in der St.-Andreas-Kirche einen starken Bündner Akzent. Acht Tage lang stand das sankt-gallische Städtchen ganz im Zeichen des Gesangs und der Begegnung von Chören aus allen Landesteilen. Die Churer Arcas Syncopics etwa spannten für ihren Gossauer Auftritt mit den Jazzchören aus Bern und Basel zusammen – zugleich der willkommene Probelauf für ein gemeinsames grösseres Projekt, das Chorleiter Heinz Girschweiler für den Herbst aufgegleist hat.

Während der acht Tage nahmen etliche Chöre die Gelegenheit war, ihren Gesang von Expertinnen und Experten bewerten zu lassen. Überdies wurden unter der Woche zahlreiche Workshops angeboten, wo sich Interessierte beispielsweise die Techniken des Jodeln oder Obertongesangs aneignen konnten. Beliebt war zudem die «Singinsel» auf dem Toggiplatz, wo den Chören eine Bühne für Kurzauftritte zur Verfügung stand.

Spontane Begegnungen

Am Samstag, zum Abschluss des Gesangsfests, war die Bündner Präsenz noch einmal unübersehbar – und vor allem nicht zu überhören. Ob am frühen Nachmittag im Begegnungskonzert in der Andreaskirche, wo der Cor viril Alpina Val Müstair zusammen mit der Basler Liedertafel und dem Jugendchor Zürich das Publikum erfreute – ob auf dem belebten Festplatz, wo sich der Chor dals Paslers aus Domat/Ems nach zwei gesangsreichen Tagen vor Ort für die Rückreise parat machte. Wer sich seinen Weg durch die bunte Menge bahnte, konnte auch unversehens den Sängern des Chor viril Laax begegnen. Mit ihrem in schlichtem Schwarz gehaltenen Chortenue setzten die Laaxer einen Kontrapunkt zu den auffälligeren Trachten anderer Chöre. Die Sänger des vereinigten Chöre der Bündner Nationalparkgemeinden beispielsweise – zu denen neben den Männerchören der Engadina bassa aus Scuol und Zernez auch jener aus Müstair zählt –treten in leuchtend roten Westen auf.

Nicht immer durfte man sicher sein, einen Bündner Chor vor sich zu haben, wenn rätoromanischer Gesang ertönte. Als neben einem Bierstand vor dem Fürstenlandsaal spontan das Lied «La sera sper il lag» erklang, waren es vor allem die Mitglieder des Chors Singspiration aus dem luzernischen Hitzkirch, die dabei den Ton angaben. «Wir singen dieses Lied oft und gern», sagte eine der Sängerinnen. Tatsächlich zählt das von Gion Balzer Casanova 1969/70 in traditionellen Volkston komponierte Stück zu einem der beliebtesten Chorlieder der Schweiz. Es gilt ausserhalb des Kantons als (inoffizielle) Bündner Hymne und wurde 2009 in der SRF-Fernsehsendung «La chanzun rumantscha» vom Publikum gar zum beliebtesten rätoromanischen Lied gewählt.

Inspirierte Jugend

Der buchstäblich letzte Ton am Gossauer Festival blieb dem Bündner Jugendchor (BJC) unter seinem Dirigenten Martin Zimmermann vorbehalten. Schon am Nachmittag hatte das auch international erfolgreiche Vokalensemble (zuletzt 1919 drei mal Gold beim Europäischen Chorwettbewerb im schwedischen Göteborg) bei der offiziellen Abschlussveranstaltung im grossen Zelt auf dem Marktplatz mitgewirkt. Dort animierten Zimmermann und der BJC das Publikum zum gemeinsamen Singen.

Am späten Abend selben Orts, beim finalen Festkonzert mit dem Tessiner Mädchenchor Giovani Cantori di Pura, riss der Bündner Jugendchor seine Zuhörerschaft noch einmal buchstäblich von den Sitzen. Die stehende Ovation schloss sich einer packenden Interpretation des afrikanischen Liedes «Baba yetu» an. Zuvor hatten die gut 30 jungen Sängerinnen und Sänger mit exzellent dargebrachten Arrangements von Songs und Liedern wie «Say something», «Tout l’Univers» und «Lueget vo Berg und Tal» die mehreren hundert Zuhörerinnen und Zuhörer begeistert. Letzteres in einer Version, zu der – zwischen den Strophen – auch ein zweistimmiger Jodelteil gehörte. Eine Herausforderung, das Publikum mit leisen Tönen zu fesseln, während auf dem Festplatz neben dem Zelt andere Chöre und zahlreiche Gäste den Ausklang des Gesangsfests lautstark feierten.

Markanter Männergesang

Da hatten es die drei rätoromanischen Talmännerchöre am Nachmittag bedeutend einfacher. Mucksmäuschenstill war es in der bis auf den letzten Platz besetzten Andreaskirche, als der surselvische Chor viril Ligia Grischa unter der Leitung von Christoph Cajöri das gemeinsame Festkonzert eröffnete. Insbesondere die «schwarzen Bässe» liessen das fachkundige Publikum aufhorchen. Der kraftvollen Interpretation von Tumasch Dolfs «La Patria» setzte bald darauf der Chor viril Surses, dirigiert von Rainer Held, das klug gestaltete «Return» von Ernst Broechin entgegen. Hier war es vor allem die hervorragende Stimmführung der Tenöre, die das Publikum für den Chor einnahm. Dass Männerchöre – selbst mit über 50  Sängern – ein erstaunliches Piano zustande bringen können, zeigte der Chor viril Lumnezia unter der Leitung von Retus Giger. Der Vortrag von Joseph Bovets «La montagne» kam beinahe tänzerisch daher; noch leichtfüssiger und ausgesprochen feinsinnig zeigten sich die Lugnezer in Giusep Maissens «Giuvnetta».

Nach sieben Jahren zum ersten Mal wieder vereint, sangen die drei Chöre im Schlussteil des Konzerts gemeinsam Grégoire Mays «Mondnacht», stimmgewaltig und erhaben aus 150  Kehlen – eine viel zu seltene Réunion. Das zeigte auch der lang anhaltende Applaus des Publikums. Immer wieder erschollen Bravorufe.

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Ich hatte an Auffahrt das Vergnügen als Gossauer Chorbegleiter mit dem Chor mischedau Trin das Festival der Chöre zu erleben. Ein wunderbarer Tag mit gekonnter Chormusik und vielen bereichernden Begegnungen.
Und der Auftritt der drei romanischen Männerchöre am Samstag in der Andreaskirche ging unter die Haut.

Als Mitglied des Chor viril Lumnezia war es meine erstes nationales Gesangsfest. Der gemeinsame Auftritt der drei grossen romanischen Männerchöre war eine Omage für unsere Sprache und den romanischen Chorgesang.

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