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Bosshards Vermächtnis überwältigt durch seine Fülle

In seiner Jubiläumsausstellung zum 10. Geburtstag gibt das Kunstzeughaus Rapperswil-Jona einen Einblick in die riesige Sammlung des kürzlich verstorbenen Stiftungsgründers Peter Bosshard: Die Qualität und die schiere Anzahl der Exponate verblüfft und lässt Besucher staunen.

Jérôme
Stern
01.06.18 - 04:30 Uhr
Kultur
Surreale Komposition: Alex Sadkowsky ist in der Sammlung mehrfach vertreten.
Surreale Komposition: Alex Sadkowsky ist in der Sammlung mehrfach vertreten.
TOBIAS HUMM

Keine einfache Aufgabe für Petra Giezendanner und Victoria Fleury: Wie sollten die beiden Kuratorinnen des Kunstzeughauses Rap-perswil-Jona aus den über 6000 Kunstwerken der Sammlung von Peter Bosshard eine Auswahl treffen?

So viel war immerhin klar: Zum zehnten Geburtstag des Museums wollte man einen Einblick in die Welt des Stiftungsgründers gewähren. Dies habe sich Bosshard so gewünscht, betonen die Kuratorinnen anlässlich einem Medienrundgang. Drei Monate nach seinem überraschenden Tod im März ist die Ausstellung «Alphabet der Sammlung» nun Würdigung und Abschied zugleich geworden.

Ein rettender Geistesblitz

«Wir rätselten, nach welchen Kriterien wir eine Auswahl treffen könnten», erinnert sich Giezendanner. Schliesslich hätten sie den rettenden Geistesblitz gehabt: «Wir gestalten einen Rundgang nach dem Alphabet von A bis Z.» Nachdem sie die passenden Stichworte zu den Buchstaben gefunden hatten, wählten die Kuratorinnen schliesslich rund 250 Werke von 78 Künstlern aus.

So viel vorweg: Die Ausstellung in der grossen Halle des Kunstzeughauses ist schlicht überwältigend – hinsichtlich Qualität und Quantität gleichermassen. Um die Menge an Bildern, Fotografien, Skulpturen und anderen Objekten angemessen zur Geltung zur bringen, wurden extra 64 Quadratmeter zusätzliche Wandfläche installiert.

Bei einem grossen Buchstaben A erklärt Kuratorin Giezendanner: «Der steht für ‘Anfang’. Mit diesem Werk von Alex Sadkowsky begann 1971 die Sammlungstätigkeit von Peter Bosshard.» Ob er damals schon geahnt habe, wie gross seine Sammlung einmal werden würde, fragt sie sich rhetorisch.

Beim Buchstaben B sei die Wahl einfach gewesen, führt Giezendanner aus. «Eine spezielle Leidenschaft von Peter waren Bücher, bei welchen Künstler alle Seiten gestalteten.» Oftmals seien diese Werke mit Widmungen an ihn und seine Frau versehen, sagt sie und deutet auf eine Vitrine mit aufgeschlagenen Büchern.

Hilfe von Elisabeth Bosshard

Bei Auswahl und Gestaltung der Ausstellung sei die Mithilfe von Peter Bosshards Ehefrau eine riesige Hilfe gewesen, betonen die Kuratorinnen. Auffallend, wie gut die Gliederung nach Alphabet und Stichworten funktioniert: Beim K – für «kleine Skulptur» – versammelt man zahlreiche kleine und kleinste Exponate, die durch ihre leise und witzige Poesie berühren. Bei der «Miniatursammlung» von Judit Villiger gibts eine Vitrine mit 17 winzigen Skulpturen. Sie wirken wie filigrane wertvolle Spielobjekte.

Ganz anders beim N. Hier haben die Ausstellungsmacher ein veritables Horrorkabinett zum Stichwort «Nackt» versammelt: Die missgestaltete Puppe von Klaudia Schifferle wirkt, als wäre sie einem Albtraum entsprungen: ohne Haut – nur mit Fleisch und Knochen. Auch der Holzschnitt von Josef Felix Müller wirkt bedrohlich wie ein Sensemann eines Gruselfilms.

Die kniffligen Buchstaben

«Bei einigen Buchstaben wie dem X brauchten wir für passende Exponate länger», sagt Giezendanner. Schliesslich habe man aber die Lösung gefunden. So erblickt der Besucher hier das Werk «Einschlägiges Subjektkästchen» von Franz Eggenschwiler. Hintergrund: Hinter einer Glasfront mit eingeätztem X steckt ein durchaus mehrdeutiges Objekt aus Leder, Metall und Holz. Folterpeitsche oder Sexspielzeug? Die Frage bleibt ungeklärt.

Höhepunkt der Ausstellung ist ohne Zweifel die kleine Nische mit dem Buchstaben P wie «Peter Bosshard’s Choice». Dazu erzählt Giezendanner eine berührende Geschichte: «Die Planung dieser Abteilung begann noch zu Peters Lebzeiten. Er wollte diese Nische übervoll mit Kunstwerken behangen sehen. Dafür arbeitete er eine lange Liste von Exponaten aus.» Am ersten Arbeitstag nach seinem Tode habe sie diese Liste auf ihrem Pult gefunden.

An der Umsetzung seiner Ideen hätte Bosshard wohl reinste Sammlerfreude gehabt: Rund 30 Kunstwerke hängen hier dicht an dicht: Aquarelle, Ölgemälde, Holzschnitte oder Objekte aus Acryl. Wer den Stiftungsgründer jemals in seiner Wohnung besuchte, wird angesichts der Überfülle nicht überrascht sein.

Beim Buchstaben Z gab es für die Kuratorinnen keine Probleme: Schliesslich sammelte Bosshard auch etliche Zeichnungen. Den Besuchern bietet die Ausstellung locker genug Stoff für mehrere Visiten. Wobei sich als Anlass das Geburtstagsfest des Kunstzeughauses am Samstag, 9. Juni, natürlich besonders anbietet.

Die Vernissage der Ausstellung «Alphabet der Sammlung» findet am Sonntag, 3. Juni, statt. Beginn ist um 11.30 Uhr. Die Ausstellung läuft bis zum 5. August.
Das Geburtstagsfest des Kunstzeughauses steigt am Samstag, 9. Juni. An diesem Anlass werden unter anderem Konzerte, Workshops und Performance geboten. Abends gibts Disco mit DJ Allan McGoldrick. Beginn ist um 14 Uhr. Programm unter www.kunstzeughaus.ch

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