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Singen ist cool!

Alle zwei Jahre über Auffahrt ist Basel fest in der Hand junger Chöre: mit teils allerhöchster sängerischer Brillanz. Mit dabei war mit «Incantanti» auch ein Ensemble aus Graubünden.

Südostschweiz
13.05.18 - 17:15 Uhr
Kultur
Grosser Auftritt beim Jugendchorfestival Basel: das Vokalensemble «Incantanti» aus Graubünden.
Grosser Auftritt beim Jugendchorfestival Basel: das Vokalensemble «Incantanti» aus Graubünden.
GUIDO SCHÄRLI

Von Reinmar Wagner

Wenn die Schweden mit einem originellen Abba-Medley begeistern oder die Basler vom Gymi Muttenz mit Züri West. Wenn die Spanier nicht bloss Flamenco, sondern auch eine arabische Hochzeit mitbringen oder die Slowenen ein vokales Musiktheater aufführen, in dem sie eine Touristengruppe in einen Wald voller Affen und exotische Vögel entführen – dann ist Europäisches Jugendchorfestival in Basel.

Zum elften Mal fand es über Auffahrt statt, ein Schaufenster für die besten Knaben-, Mädchen- und jungen Gemischten Chöre des Kontinents, mit starker Beteiligung der Basler Chorszene.

Qualität und Engagement

Die Vielfalt ist gross, ebenso die Qualität: Was manche dieser in ganz Europa ausgewählten Ensembles an Chorkultur mitbringen, kann teilweise mit den professionellen Ensembles mithalten, wenn man etwa an die Däninnen denkt, an die Mädchen von der Elite-Musikschule in Ungarn oder die Musikstudenten aus Slowenien oder Tel Aviv. Bei anderen steht eher das Mitmachen im Vordergrund, in Ensembles, in denen einmal die Woche geprobt wird und mitsingen darf, wer Freude daran hat.

Auch Schweizer können mithalten mit der europäischen Elite: die Basler «Vivo» zum Beispiel, oder «Jutz», die nichts anderes tun als sehr schön zu jodeln, und vor allem «Incantanti» aus Graubünden. Das schon seit 15 Jahren bestehende Bündner Ensemble von Christian Klucker stellte seine hohe Klangkultur nicht nur in den Dienst von sehr differenziert gesungenen romanischen Chorliedern oder A-Cappella-Akrobatik mit szenischen Elementen, sondern brachte auch eine Uraufführung nach Basel mit. «Songbridge» ist eine Chor-Begegnungs-Reihe, die üblicherweise international funktioniert – in der vierkulturigen Schweiz problemlos aber auch national. Aus Freiburg, Muttenz und Graubünden kamen diesmal die Mitstreiter, jeder mit einem neuen Stück, das je einen Teil für sich selbst, mit den anderen Chören und mit dem Publikum beinhaltet.

Die Bündner Uraufführung komponierte Gion Andrea Casanova, der die Dreiteiligkeit der Aufgabe einfach löste, indem er dem Tutti ein romantisch harmonisiertes Lied gab, den Chören einen schmissigen Tanz mit ein paar rhythmischen Finessen, und das Vokalensemble forderte mit einer Klang- und Harmonik-Studie, die nicht nur beachtliche interpretatorische Ansprüche stellt, sondern auch einlöst, was Chormusik auf höchstem Niveau interessant macht. Die Spannung aus harmonischen und dissonanten Akkorden zum Beispiel, deren Letztere aber aus der absoluten Präzision der Intonation ebenso viel Reiz erzeugen wie ein Dur-Dreiklang, oder die klanglichen Nuancen, die über einfache Forte-Piano-Relationen hinaus geht und eben auch noch im Leisen verschiedene Farben findet. Die hohe, auch in diesem internationalen Vergleich absolut adäquate Klang- und Intonationskultur der «Incantanti» kam diesen Absichten auf mitreissende Art entgegen.

Farbe im Festival

Jeweils ein Gastchor aus Übersee macht das europäische Festival zum weltverbindenden Treffen. Diesmal war aus Südafrika ein Knabenchor eingeladen – Markenzeichen: blaue Gummistiefel, und Rhythmus im Blut. Eindrücklich, wie die Rhythmen hier regelrecht aus dem Bauch kommen, wie die Körper in diesem Puls schwingen. Ihre Choreografien sind ausgefeilt, voller Athletik und kraftvoller Präsenz, eine eigene Farbe im Festival.

Die Stimmung ist locker, vor allem, wenn man draussen singt, auf den Strassen und Plätzen, mit Kerzen nachts auf dem Marktplatz, wo sich die Chöre treffen und spontan mit- und gegeneinander singen. Gelegenheiten, gegeneinander anzusingen, gab es zahlreiche, die anspruchsvollste bei der «Parade à l’envers» (Honny soit que Enfer pense): Aufgereiht entlang der Route sangen die 18 Festivalchöre, und das Publikum promenierte an ihnen vorbei. Ein Albtraum für Chorleiter. Aber was zählt, und was sie alle, woher sie auch kommen, teilen, ist die Freude am Singen, an der Musik, am Sich-Bewegen zu dieser Musik. So wie der Festival-Song sagt: «Musik is everywhere». Und so wie es alle diese vielen hundert Kinder und Jugendlichen ausstrahlen: Singen ist cool! Die Stimmung ist locker – vor allem, wenn man draussen singt, auf den Strassen und Plätzen.

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