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Der Zwergtaucher: Star der Wasservögel

Klein aber oho – auf der Suche nach dem Vogel des Jahres und seinem Bündner Lebensraum.

Bündner Woche
03.02.24 - 04:30 Uhr
Klima & Natur

von Jasmin Klucker

Ein Vogel, ein Preisträger. Der kleine, flauschige Vogel namens Zwergtaucher wurde zum Vogel des Jahres gewählt. Darum wollen wir ihn heute besuchen. Auf der Autobahn Richtung Bad Ragaz verziehen sich langsam die Regenwolken. Sie haben am Morgen für Ungewissheit gesorgt, ob der kleine Vogel heute zu sehen ist. Mit dabei Michaela Bauer, Präsidentin von Bird Life Graubünden. Gut ausgerüstet mit einem Fernglas um den Hals steigen wir aus dem Auto und gehen mit langsamen Schritten Richtung Giessenpark in Bad Ragaz. «Hast du die Kamera griffbereit?», fragt Michaela Bauer leise. Denn die Zwergtaucher seien schnell verschwunden, wenn sie jemanden entdecken.

Der Weg im Giessenpark schlängelt sich schön dem Gewässer entlang. Auf dem halb zugefrorenen Teich tummeln sich verschiedene Enten in allen Farben. Die Bäume sind noch nass vom Regen, von Weitem kann man einen Specht hören. Mit dem Fernglas sucht Michaela Bauer den Teichrand nach Zwergtauchern ab. Die Zwergtaucher leben in den Schilfgürteln, dort sind sie geschützt vor den vielen Feinden, die es auf die kleinen Vogel abgesehen haben. Doch sie sind heute ohnehin schwierig zu finden.

Das kann daran liegen, dass das Schilf gekürzt worden ist. «Es ist jedoch sehr wichtig, dass der Mensch sich um diese Arbeit kümmert. Ansonsten breitet sich das Schilf so weit aus, dass im Sommer der ganze Teich verwachsen ist.»

Der Zwergtaucher steht für saubere Gewässer

Mit gespitzten Ohren stehen wir auf dem Weg. Es kann sein, dass man die Zwergtaucher hört – der Ton ist sehr hoch, also kaum zu verwechseln. Eine Sekunde später hört man keinen Zwergtaucher, stattdessen einen Eisvogel. Michaela Bauer folgt dem Geräusch sofort mit ihrem Fernglas, leider ist er schon vorbeigezogen. «Schade, man bekommt ihn nicht oft zu sehen.» Aber es geht ja um den Zwergtaucher, der auf sich warten lässt. Heute scheint er leider nicht zu Hause zu sein, auf jeden Fall nicht in diesem Gewässer.

Der kleine, süsse Knäuel ist auf naturnahe und saubere Gewässer angewiesen. Die Wiederherstellung und die Neuschaffung geeigneter Gewässer sind nicht nur für den Zwergtaucher, sondern auch für viele andere Arten wichtig. Gewässer schneiden am schlechtesten im Biodiversitätsbericht ab. Genau aus diesem Grund hat man den Zwergtaucher dieses Jahr zum Vogel des Jahres gekürt.

Weiter auf der Suche nach dem Vogel des Jahres gehen wir über den gepflegten Rasen vom Golfplatz zu einem anderen schön gelegenen Teich. Er ist etwas kleiner, jedoch hat er ein wenig mehr Schilf – vielleicht haben wir Glück.

Michaela Bauer mit ihrem Fernglas, das sie fast immer bei sich trägt.
Michaela Bauer mit ihrem Fernglas, das sie fast immer bei sich trägt.
Bild Jasmin Klucker

Wie genau sieht das Leben eines Zwergtauchers eigentlich aus? Michaela Bauer antwortet mit leiser Stimme: «Sie bauen sich in den Schilfgürtel kleine schwimmende Nester. Diese formen sie mit Ästen, Blättern, Algen und anderen passenden Naturmaterialien, die sie gerade finden. Durch die Veränderung des Wasserstands schwimmt das Nest manchmal höher, manchmal tiefer. Diesen Veränderungen kann das Nest standhalten. Es wird am Schilf befestigt, damit es nicht wegtreiben kann.» Bei der Nahrungssuche hat der Zwergtaucher kein Problem; er ist ein fantastischer Taucher und kann durch diese wunderbare Eigenschaft leckere Dinge vom Teichgrund holen. Im Winter isst er manchmal kleine Fische.

Fressfeinde von oben und von unten

Zum Thema Fische: Der Zwergtaucher hat nicht nur Greifvögel als Feinde, auch im Wasser muss er immer auf der Hut sein. Hechte haben Freude an einem kleinen Zwergtaucher, aus diesem Grund kann es schon mal vorkommen, dass einer in den Tod gerissen wird. Immer noch ist es still um den Teich herum. Nur ein paar Enten zupfen die grünen Gräser aus dem Boden. Die Schilfenden leuchten in der Sonne, die hinter dem Berg hervorkommt.

Auf dem Rückweg sagt Michaela Bauer: «Man kann nie wissen, welche Tiere man sieht. Am Bodensee sind jedoch momentan erstaunlich viele Zwergtaucher zu sehen. Erst vor ein paar Tagen war ich mit meinen Schülerinnen und Schüler dort. Was uns bei dieser Beobachtung erstaunt hat, ist, dass sie im offenen Gewässer unterwegs waren. Das ist eher ungewöhnlich.»

Bei der Fortpflanzung geht es schnell

Wie pflanzt sich der Zwergtaucher weiter fort? «Es geht schnell. Wenn die Eier erst einmal im Nest platziert wurden, kümmern sich Weibchen und Männchen um das Ausbrüten der Kleinen. Das ist nicht bei allen Vogelarten so. Bei manchen macht das einfach ein Elternteil. Wenn es dann so weit ist, kümmern sich ebenso beide Elternteile um die Futtersuche. Nach eins bis zwei Tagen im Nest traut sich das kleine Federknäulchen schon aus dem Nest und schwimmt herum», erklärt die Expertin. Ganz schön mutig. «Am Abend geht es dann wieder zurück ins Nest, wo das Junge die Nacht bei seiner Familie verbringt.»

Auf dem geschlängelten Weg geht es zurück zum Parkplatz. Das nächste Ziel? Die Siechenstude in Jenins. Das ist ein Naturschutzgebiet. Es besteht aus vielen kleinen Seen, ein idealer Platz für Wasservögel. Jedoch ist es auch ein Paradies für andere Vögel. Der Ort hat etwas Magisches an sich, eine gewisse Ruhe und Gelassenheit – ein Paradies, wo sich der Mensch zurückhält und die Natur nur von Weitem beobachtet.

Genau das tun wir auch; von einem etwas erhöhten Platz mit einer Holzbank kann man die Seen gut beobachten. Michaela Bauer schaut wieder durch das Fernglas, leider ohne Erfolg. «Der prominente Vogel ist heute auch hier nicht zu Hause. Wahrscheinlich muss er sich vom ganzen Rummel erholen», sagt Michaela Bauer und lacht.

Fakten 
Der Zwergtaucher ist eine Art aus der Familie der Lappentaucher. Von dieser Art ist er der kleinste Vertreter. Zwergtaucher sind in Europa durchaus häufig, durch das sind sie nicht bedroht. Sie werden jedoch wegen ihres unauffälligen Gefieders und ihrer insbesondere während der Brutzeit sehr versteckten Lebensweise meist übersehen.Der Bestand beträgt 130'000 bis 200'000 Brutpaare in Europa und 0,6 bis 3,5 Millionen Vögel weltweit. 

 

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