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Flirten auf dem (Ab-)Schlepplift

Wer genug hat von Tinder und Co., findet vielleicht am Rinerhorn das Liebesglück. Das Davoser Skigebiet lädt zum Skilift-Speeddating – nach altbewährtem Rezept.

Daria
Joos
15.02.22 - 11:00 Uhr
Leben & Freizeit
Manche mögens kalt: Auf der gemeinsamen Bergfahrt mit dem Bügellift Nülli sollen sich interessierte Schneesportlerinnen und Schneesportler näherkommen. 
Manche mögens kalt: Auf der gemeinsamen Bergfahrt mit dem Bügellift Nülli sollen sich interessierte Schneesportlerinnen und Schneesportler näherkommen. 
Pressebild

Dass die Skipiste der perfekte Ort für eine Winterromanze ist, wissen Schweizerinnen und Schweizer spätestens seit Ines Torellis Hit «Gigi vo Arosa». Die altbekannte Geschichte wiederholt sich möglicherweise am 5. März in einer anderen Bündner Feriendestination. Dann bringt der Nülli-Skilift am Davoser Rinerhorn nämlich Singles zusammen – zumindest zusammen zur Bergstation. Hat es auf dem Bügellift gefunkt, geht es weiter zum Drink an der Nülli-Schneebar. Schmilzt das Eis (noch) nicht, geht es nach der Abfahrt zum nächsten Date.

Aus Davos für Davos

Organisiert wird das Skilift-Speeddating von der Bergbahnen Rinerhorn AG und der Datingplattform Noii, einem Start-up aus dem Kanton Zürich. Noii ist eigentlich auf Onlinedating ausgerichtet: Nutzerinnen und Nutzer lernen sich während weniger Minuten im Videoanruf kennen. Dass Rendezvous dieser Art nun auch offline organisiert werden, ist unter anderem einer Davoserin zu verdanken, wie Noii-Gründerin Laura Matter erklärt: «Eine Nutzerin, die in Davos aufgewachsen ist, hat uns geschrieben, man könnte doch einmal Speeddating am Skilift ausprobieren.» Angetan von dieser Idee habe Noii die Tourismusregion Davos Klosters angefragt. «Sie waren gleich mit dabei», sagt die 22-Jährige. 

Während der Vorbereitungen des Anlasses habe das Noii-Team herausgefunden, dass in Rothenthurm (Kanton Schwyz) bereits seit Jahren erfolgreich Speeddates am Skilift Neusell arrangiert werden, so Matter. «Deshalb sind wir sozusagen im Nachhinein inspiriert worden, einen Anlass in ähnlicher Form durchzuführen.»

«Sie + Er»-Lift

Das Schwyzer Skilift-Speeddating «Heart2Find», aus dem übrigens schon zwei «Neusell-Babys» hervorgegangen sind, wird auf seiner Website als «Das Original» bezeichnet. Dieses Prädikat könnte allerdings angefochten werden – und zwar aus Davoser Sicht. Wie eine Recherche der NZZ aus dem Jahr 2014 zeigt, gilt zwar der Zürcher Ingenieur Ernst Gustav Constam als Erfinder des modernen Schlepplifts. Die Idee des Doppelbügels, der die Flirts auf der Bergfahrt erst ermöglicht, kam aber von Jack Ettinger, Mitbegründer und langjähriger Leiter der Skischule Davos. Zuvor wurden Skifahrerinnen und Skifahrer einzeln in J-förmigen Bügeln die Hänge hinaufgezogen. «Dem geschäftstüchtigen Ingenieur Constam kam die Idee äusserst gelegen, denn sie verdoppelte die Förderleistung seines Skilifts auf einen Schlag», schreibt Marcel Gyr im NZZ-Artikel. 

Wie es weiter heisst, wurden Constams Schlepplifte auch als «Sie + Er»-Lifte beworben. So kann man durchaus argumentieren, dass Ettinger in den 1930er-Jahren das «original» Speeddating am Skilift erfunden hatte. Ihn selbst bekümmert es nicht mehr: Der Skilehrer verstarb 1992 im Alter von 82 Jahren. Vielleicht würde er sich über die «Neusell»-Babys und alle weiteren Kinder freuen, die aufgrund eines Skiliftflirts das Licht der Welt erblickt haben.

Neun Minuten Gesprächsstoff

Zurück zum Verkupplungslift am Rinerhorn. Dieser wird am 5. März regulär betrieben. Glücklich vergebene Schneesportlerinnen und -sportler laufen aber nicht in Gefahr, ungewollt beim Speeddating mitzumachen. «Wer angemeldet ist, wird von uns in die Dates eingeteilt», so Laura Matter. Die Anmeldung sei bereits möglich, Kurzentschlossene können dies aber auch an der Talstation Rinerhorn tun.

Beim Dating auf dem «Sie + Er»-Lift können gemäss Matter Interessierte jeglicher sexueller Orientierung mitmachen. Die Mehrheit der Teilnehmenden sei wahrscheinlich heterosexuell. «Aber je nachdem kann es durchaus klappen.» 

Eine Fahrt mit dem Nülli-Lift dauert rund neun Minuten. Falls dieser zwischendurch kurzzeitig stehen bleibt, dauert das Rendezvous eben ein bisschen länger. Wem diese Zeitspanne Sorgen macht, muss aber keinen Sturz vortäuschen, um allfälligem Schweigen zu entfliehen. Matter verrät: «Wir haben für den Notfall eine Ausfahrt eingebaut.» Dies aber vor allem als Gag. «Als Hilfestellung haben wir Fragen für die Fahrt vorbereitet», so die Jungunternehmerin. «Und sonst muss man halt über das Wetter reden.» 

Daria Joos Daria Joos ist Regionalredaktorin für Online/Zeitung. Sie absolvierte nach ihrem Maturitätsabschluss ein einjähriges Redaktionspraktikum bei der «Südostschweiz». Aktuell belegt sie die Masterstudiengänge Empirische Kulturwissenschaft und Gender Studies an der Universität Zürich. Mehr Infos

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