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Napoleons Zeitzeugin am Kornplatz

Die Familie Koch blickt stolz auf die 225-jährige Geschichte ihrer Papeterie zurück, die bis ins 18. Jahrhundert zurückreicht.

Daria
Joos
09.08.21 - 04:30 Uhr
Leben & Freizeit

Im Jahr 1796 holpern die Kutschen der Händler über die Pässe des Freistaats der Drei Bünde. Weiter südlich schreiten die Truppen Napoleons auf dessen glorreichem Italienfeldzug weiter nach Mailand vor. Währenddessen tourt der junge Ludvig van Beethoven durch Zentraleuropa. Seine grosse Schaffensperiode steht ihm noch bevor. Im fernen Königreich Grossbritannien wird die erste Impfung durchgeführt. Zur selben Zeit, einige Jahre bevor das Gebiet der Drei Bünde als Kanton Rätien zur Helvetischen Republik kommt, gründet Benedikt Braun an der Churer Kirchgasse eine kleine Buchbinderei. Wenig später wird eine Papierhandlung angegliedert.

Brauns Geschäft, das vor 225 Jahren im Hauptort des Gotteshausbundes entstanden ist, gibt es heute immer noch – wenn auch unter anderem Namen. Die Papeterie Koch am Kornplatz wird in siebter Generation von den Geschwistern Silvia und Benedikt «Beni» Koch geführt. Sie sind stolz auf das diesjährige Jubiläum des Familienbetriebs. «Wir haben auch schwierige Zeiten durchgestanden und sind immer noch hier», sagt Beni Koch.

Links: ARCHIV
Rechts: LIVIA MAUERHOFER

Von «Braun» zu «Koch»

Am heutigen Standort ist das Unternehmen schon fast 200 Jahre lang stationiert: 1830 wird die Buchbinderei von Johannes Braun, dem Sohn des Gründers, an den Kornplatz verlegt. Im 19. Jahrhundert führen die Brauns vorwiegend Druckaufträge aus und binden die Schriften der Kundschaft in schöne Ledereinbände. Johannes Brauns Sohn Benedikt erweitert den Betrieb um eine Linearabteilung, eine Stahlstichprägerei und eine Druckerei.

Nach drei Generationen Brauns kommt Anfang des 20. Jahrhunderts durch eine Heirat der Name Koch in das Familienunternehmen. Benedikt Brauns Schwiegersohn Felix Koch setzt vermehrt auf Schreibwaren, Büromöbel und Produkte für die Hotellerie. Zu dieser Zeit, in der die Bündner Ferien- und Kurorte einen Aufschwung erleben, werden Hotels in ganz Graubünden beliefert.

Silvia Koch erzählt von dieser Blüte des Betriebs. «Unsere Vorgänger haben Journale angeboten, die bei vielen Engadiner Hoteliers beliebt waren. Auch wenn sie auswanderten, gaben sie immer noch Bestellungen auf.» So habe die Familie Koch auch Hotels in St. Petersburg, Assuan, Luxor, Kairo und an der Côte d’Azur mit Churer Produkten beliefert.

Von Druck zu Büro

Die beiden Weltkriege machten dem Churer Fachgeschäft zu schaffen. Mit den Einbrüchen der Hotellerie fallen auch die Aufträge weg. Grossvater und Vater von Silvia und Beni Koch, beide mit Namen Benedikt, führen den Betrieb durch die schwierige Phase. Im Laufe des 20. Jahrhunderts verändert sich das Angebot: Die Druckerei wird geschlossen, dafür konzentrieren sich die Kochs auf Schul- und Bürobedarf. Das sei die richtige Entscheidung gewesen, meint Beni Koch. «Die Papeterie ist heute unser Kerngeschäft.»

Kleine Druckaufträge werden aber immer noch ausgeführt. Auch Buchbindereien können in Auftrag gegeben werden. Die Fachfrau dafür ist Käthi Koch, die Mutter der heutigen Inhaber. Sie unterstützt ihre Kinder im Hintergrund, auch noch 25 Jahre, nachdem Silvia und Beni Koch die Papeterie von ihrem Vater übernommen haben.

Von 1796 bis heute

Heute rollen statt Handelskutschen Autos und Lastwagen über die Bündner Pässe. Frankreich und Österreich stehen nicht mehr auf Kriegsfuss miteinander, die Musik und Medizin haben sich weiterentwickelt. Aber die Papeterie am Churer Kornplatz ist beständig Teil der Altstadt geblieben.

Dabei muss sie sich den Herausforderungen des 21. Jahrhundert stellen, etwa der Konkurrenz der grossen Kaufhäuser und Onlineshops. Die Kochs begegnen diesen Entwicklungen einerseits mit einem eigenen Onlineshop. Andererseits setzen sie nach wie vor auf persönliche Beratung. Das sei schliesslich das Erfolgsrezept des 225-jährigen Fachgeschäfts: «Der persönliche Kontakt zur Kundschaft, Wertschätzung und Engagement für ihre Anliegen», so Silvia Koch.

Wegen der Pandemie gibt es laut Beni Koch zwar keinen grossen Jubiläumsanlass. «Aber wir haben jeden Monat ein spezielles Angebot für unsere Kundinnen und Kunden», verrät er. Welche weiteren Jubiläen in Zukunft gefeiert werden, kann Koch nicht sagen. «Aber wir sind sicher noch ein paar Jahre hier.»

Daria Joos Daria Joos ist Regionalredaktorin für Online/Zeitung. Sie absolvierte nach ihrem Maturitätsabschluss ein einjähriges Redaktionspraktikum bei der «Südostschweiz». Aktuell belegt sie die Masterstudiengänge Empirische Kulturwissenschaft und Gender Studies an der Universität Zürich. Mehr Infos

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