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Möwenpick im Glarnerland

Im Glarnerland halten sich im Moment auffällig viele Möwen auf. Treibt die Hitzewelle die Tiere ins Bergtal? Ein Experte hat eine andere Erklärung.

Ueli
Weber
08.08.18 - 18:42 Uhr
Leben & Freizeit
Lachmöwen beim Flugplatz Mollis: Dieser Schwarm hält sich ungewöhnlich lange im Glarnerland auf.
Lachmöwen beim Flugplatz Mollis: Dieser Schwarm hält sich ungewöhnlich lange im Glarnerland auf.
UELI WEBER

Man würde meinen, dass die Möwen bei dieser Hitzewelle erst recht die Nähe eines Sees suchen. Doch derzeit wagen sie sich tief ins Glarnerland – selbst in Mitlödi sind sie schon aufgetaucht. Ein Schwarm mit über 100 Lachmöwen hält sich seit einigen Wochen besonders oft zwischen Netstal und Näfels und dem Flugplatz auf. Dort spazieren die Möwen über die Wiesen und picken Würmer und Insekten aus dem Boden.

Lachmöwen sind eine einheimische Art, die in der Nähe von Gewässern lebt. Die nächsten Brutpaare nisten bei Rapperswil (siehe Artikel unten). Hat sie etwas vom Zürichsee vertrieben?

«Streifen etwas ziellos umher»

Rolf Noser aus Oberurnen ist Ornithologe und freier Mitarbeiter der Vogelwarte Sempach. Für das Vogelkunde-Institut organisiert er jedes Jahr die Wasservogelzählung auf dem Walensee und Fabrikweiher in Niederurnen. «Es zieht hin und wieder mal ein Lachmöwenschwarm ins Glarnerland, vor allem in den nördlichen Teil», erklärt Noser. «Allerdings sind es meistens weniger Vögel, und diese sind bisher eher weniger lang geblieben.»

Noser ist sich sicher, dass es sich um einen Schwarm aus einem umliegenden Land handelt, der auf dem Durchzug ist. Denn die Lachmöwen-Population der Schweiz ist mit 600 bis 700 Brutpaaren zu klein, um so grosse Schwärme zu bilden.

Mit der Hitzewelle hat der Lachmöwenschwarm wahrscheinlich nichts zu tun. Die Lachmöwe trete in Städten auch zunehmend weit entfernt von Gewässern auf, erklärt Noser. «In Siedlungsnähe, auf Wiesen und Ackerflächen fällt für die Lachmöwe hie und da etwas ab.»

Wie lange der Schwarm noch im Glarnerland bleibt, sei schwer zu sagen, sagt Noser. Der Herbstzug der Lachmöwen beginnt jeweils im Juli oder August. «Im Herbst haben sie es nicht besonders pressant, ins Winterquartier zu kommen», sagt Noser. Schliesslich müssten sie im Herbst keinen Brutplatz erreichen und behaupten. «Diese Vögel streifen dann eher ziellos umher.»

So hat es sie wohl auch ins Glarnerland verschlagen. Später werde der Schwarm nach Süden oder Westen weiterziehen, mutmasst Noser.

«Sehr räuberisch – wie Piraten»

Die Lachmöwen sind nicht die einzigen Möwen, die man im Glarnerland beobachten kann. Noser berichtet von einer weiteren Möwenart, die sich zunehmend vom Norden her ins Glarnerland vorwagt: Mittelmeermöwen breiten sich schweizweit aus und verdrängen die kleineren Lachmöwen vor allem aus ihrem Brutgebiet.

Mit der Veränderung des Lebensraumes habe es der Mensch der Mittelmeermöwe ermöglicht, die Lachmöwe zu verdrängen. «Die Mittelmeermöwe ist sehr räuberisch unterwegs – wie Piraten», sagt Noser. Sie sei intelligent, geschickt und plündere auch einmal die Nester anderer Vögel. «Am späteren Nachmittag und abends kann man beide Möwenarten beobachten, wie sie Richtung Zürichsee zu ihrem Schlafplatz zurückkehren.»

 

Ueli Weber ist stellvertretender Redaktionsleiter der «Glarner Nachrichten». Er hat die Diplomausbildung Journalismus am MAZ absolviert und berichtet seit über zehn Jahren über das Glarnerland. Mehr Infos

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