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Die Gemeinde Glarus gibt grünes Licht für Gras aus der Apotheke  

In einem Jahr könnten 300 Glarnerinnen und Glarner ganz legal kiffen dürfen. Die Gemeinde Glarus hat einer kontrollierten Cannabisabgabe in der Apotheke zugestimmt.

Marco
Lüthi
01.11.22 - 04:30 Uhr
Wirtschaft
Legal kiffen als Versuch: Schon bald sollen 300 Glarnerinnen und Glarner einen Joint mit THC-haltigem Cannabis aus der Apotheke drehen können.
Legal kiffen als Versuch: Schon bald sollen 300 Glarnerinnen und Glarner einen Joint mit THC-haltigem Cannabis aus der Apotheke drehen können.
Bild Sasi Subramaniam

Im nächsten Frühling soll in der Region berauschendes Cannabis im grossen Stil angebaut werden, um es dann im Herbst im Glarnerland in einer Apotheke und in einem Shop legal zu verkaufen. So zumindest die Hoffnung von Lars Willi. Der Projektleiter bei der Bergblüten AG ist zuständig für die Teilnahme des Unternehmens an der nationalen Cannabisstudie des Bundesamtes für Gesundheit (BAG). Die Cannabisproduzentin mit Sitz in Ziegelbrücke und in Susten VS will ab kommendem Jahr bis zu 3000 kiffende Probandinnen und Probanden in den Bergkantonen Wallis und Glarus legal mit «Gras» versorgen. Das über drei Jahre kontrolliert abgegebene Cannabis darf einen Gehalt von bis zu 20 Prozent Tetrahydrocannabinol (THC) enthalten. Zum Vergleich: Cannabis mit einem THC-Gehalt von mehr als einem Prozent gilt in der Schweiz als verbotenes Betäubungsmittel.

Das Ziel der Cannabisstudie des BAG ist, Erkenntnisse über die Auswirkungen eines kontrollierten Zugangs zu der für nicht medizinische Zwecke noch illegalen Substanz auf die physische und psychische Gesundheit der Konsumierenden zu gewinnen. Und sie soll auch Aufschluss über das Konsumverhalten der Teilnehmenden geben. Die Resultate der verschiedenen Pilotprojekte sollen schliesslich auch die wissenschaftliche Grundlage für die künftige gesetzliche Regelung liefern (siehe Box).

Vorbehaltlose Verantwortung gefordert

Das BAG setzt für die Teilnahme am Pilotprojekt voraus, dass die Gemeinden, in denen Verkaufsstellen eingerichtet werden, mit dem Versuch einverstanden sind. In Glarus und Glarus Nord hat die Bergblüten AG mehrere Abgabestellen vorgeschlagen. Beinahe alle stiessen bei den Behörden auf Skepsis und Ablehnung. «Es ist ein sensibles Thema, bei dem es einige Überzeugungsarbeit braucht. Etwa, dass das Risiko nicht bei den Gemeinden, sondern beim Bund liegt», sagt Willi.

Ein positives Signal kommt nun aus der Gemeinde Glarus. Sie hat Ende September einer Verkaufsstelle in der Apotheke am Zaunplatz zugestimmt. «In einer ersten Stellungnahme der Gemeinde vom Mai wurde festgehalten, dass das Einverständnis zu einer Abgabestelle in der Apotheke Glarus einzig dann erteilt wird, wenn der Geschäftsführer und Verwaltungsratspräsident Oliver Kuonen in einer schriftlichen Erklärung festhält, vollumfänglich und vorbehaltlos die Verantwortung und Überwachung der dortigen Cannabisabgabe zu übernehmen», sagt Andrea Trummer. Dieses Schreiben von Kuonen sei am 16. September eingegangen, so die Gemeindevizepräsidentin und Departementsvorsteherin Gesellschaft und Gesundheit weiter. Fünf Tage später wurde das Gesuch bewilligt. Trummer sagt: «Wir gehen davon aus, dass die Apotheke Glarus für ein solches Pilotprojekt über fachkundiges und entsprechend ausgebildetes Personal verfügt oder entsprechend ausbildet und die Auswahl der Teilnehmenden mit grosser Sorgfalt vorgenommen wird.»

In Glarus Nord hätte Lars Willi gerne, dass das THC-Gras in einem Shop für Cannabisprodukte mit dem legalen Wirkstoff Cannabidiol (CBD) abgegeben wird. Ein solches Abgabemodell vergleicht er mit dem eines «hochwertigen Cannabisshops» in den USA. Jedoch ohne Konsummöglichkeit vor Ort, wie er betont. «Ein Punkt, den wir in unserer Studie untersuchen möchten, ist die Wahl des Distributionskanals», sagt Willi. Die Glarner Konsumentinnen und Konsumenten könnten so zwischen einer Apotheke und einem CBD-Shop als Abgabestelle auswählen. «Damit erreichen wir mehr unterschiedliche Konsumenten.»

Von einer Abgabestelle in einem CBD-Shop hält man indes bei der Gemeinde Glarus Nord nur wenig. Die von der Bergblüten AG vorgeschlagenen Orte in Näfels und Ziegelbrücke stiessen auf Ablehnung. «Der Gemeinderat sieht eine Lösung analog jener in Glarus, sprich einer Abgabe über eine Apotheke oder eine Drogerie, auch für Glarus Nord als einen gangbaren Weg», sagt Gemeindepräsident Thomas Kistler.

Zehn Gramm Gras pro Monat

Bis Ende Jahr möchte Projektleiter Lars Willi den Antrag für den Pilotversuch mit dem Namen «Cannabergvolk» beim BAG gestellt haben. Das zur Not mit nur einer Glarner Abgabestelle. «Im Wallis sind wir zurzeit noch mit zwei Gemeinden im Gespräch. Dort hoffe ich, dass wir in Kürze das Einverständnis erhalten werden.» Zu den drei geplanten physischen Abgabestellen im Kanton Wallis wird es zusätzlich einen Versand über eine Online-Apotheke geben.

Im Herbst des nächsten Jahres soll «Cannabergvolk» starten – mit 2700 Personen aus dem Wallis und 300 aus dem Glarnerland. Die Probandinnen und Probanden müssen sich zu Beginn des Pilotversuchs in einer Abgabestelle registrieren. Voraussetzung dafür ist, dass sie volljährig und gesund sind und bereits Cannabis konsumieren. Schwangere oder stillende Personen sind ausgeschlossen. Maximal kann jeder Proband pro Monat zehn Gramm THC-Gras beziehen. Teilnehmende, die das erhaltene Cannabis weiterverkaufen, werden strafrechtlich verfolgt und nach dem Betäubungsmittelgesetz bestraft.

Vom BAG bewilligt ist bisher ein Kiffer-Pilotprojekt. Der Start der Cannabisstudie in Basel-Stadt, die Mitte September hätte beginnen sollen, musste vom Basler Gesundheitsdepartement allerdings wegen nicht erfüllter Qualitätsstandards der THC-Produkte verschoben werden.

Auf dem Weg zur Legalisierung

Im Jahr 2016 wurde Cannabis mit weniger als einem Prozent Tetrahydrocannabinol (THC) legalisiert. Seither boomt der Markt mit Cannabisprodukten, die den Wirkstoff Cannabidiol (CBD) enthalten. Denn dieser wirkt entzündungshemmend, schmerzlindernd und entspannend. Erhältlich sind CBD-Produkte, wie etwa Öle oder Tropfen, sowohl für Tiere als auch für Menschen. Das THC-reiche und betäubend wirkende Cannabis wurde inzwischen für medizinische Zwecke legalisiert. Seit August 2022 sind Cannabismedikamente erlaubt, sie müssen jedoch von einer Ärztin oder einem Arzt verschrieben werden, etwa bei starken chronischen Schmerzen oder Spastiken. Die Pilotprojekte einer kontrollierten Cannabisabgabe sollen dem Parlament schliesslich eine fundierte wissenschaftliche Grundlage liefern für Entscheide zur Ausgestaltung der Cannabisregelung – sprich einer gänzlichen Legalisierung in der Schweiz.

Marco Lüthi ist Redaktor und Produzent bei den «Glarner Nachrichten» in Ennenda. Mehr Infos

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Das Tal pennt ja seit langem ; Hanf in jeder Form , bringt nicht nur bessere Böden ( kontra Uebergüllung ) auch für Gebäudeisolation , Kleider , Nahrungsmittel usw. hier müssen die Gemeinden in den Vorlauf..

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