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Wettersteinbock

Wenn man mit Gaudenz Flury über das Wetter spricht, tauscht man keine langweiligen Floskeln aus. Kein Small Talk, sondern Smart Talk.

Davoser
Zeitung
25.03.21 - 16:13 Uhr
Stars & Sternli
Vor den Gletscherfjorden in Patagonien: SRF-Meteorologe Gaudenz Flury.
Vor den Gletscherfjorden in Patagonien: SRF-Meteorologe Gaudenz Flury.
zvg Gaudenz Flury

Beim SRF-Meteorologen ist ein Gespräch übers Wetter gespickt mit spannenden, wissenschaftlichen Fakten. So auch an diesem Mittwochmorgen. «Wie wird das Wetter heute?», frage ich. Gaudenz Flury lacht und antwortet schlagfertig: «Ja, luag doch usa.» Gesagt, getan. Bewölkt. «Eigentlich hatten alle Wettermodelle einen sonnigen Tag prognostiziert», erläutert der Experte.
Er und seine Kollegen haben aber gestern schon gesehen, dass da etwas in der Luft liegt. Saharastaub, um genau zu sein. «Die Aerosole sind gute Kondensationskerne, darum bilden sich viel mehr Wolkentröpfchen als erwartet. Das führt dazu, dass wir nicht nur ein paar Schleierwolken am Himmel haben, sondern eine dichte Wolkendecke.» Deshalb sei diese Prognose nicht einfach gewesen. «Allen Wettermodellen zu widersprechen, braucht Mut», meint der Davoser. Gleichzeitig sei das aber auch besonders spannend.
Und es zeige, warum es menschliche Meteorologen trotz allen technischen Fortschritten doch noch brauche. Zusätzliche Einflüsse und kleine Unsicherheiten zu erkennen, sei es, was seinen Beruf ausmache, meint Gaudenz Flury. Denn: «Das Wetter anhand von ‘Sünnali und Wulcha’ in einer App herauslesen, das kann jeder.» Aber nicht jeder weiss, was dahinter steckt. Gaudenz Flury schon. Er ging von Davos weg, um in Zürich Geografie mit Vertiefung in Klimatologie und Atmosphärenphysik zu studieren. Seit 2012 erzählt er beim SRF über allerlei Wetterkapriolen – ins Mikrofon und mittlerweile auch manchmal vor der Kamera. Das merkt man. Auch in unserem Gespräch, das via Videotelefonie stattfindet. Es ist, wie wenn wir uns ohne Bildschirm gegenüber sitzen würden. Unkompliziert, direkt, frei.
Damit das auch im Radio und im Fernsehen so rüberkommt, hat Gaudenz Flury geübt. Üben müssen. «Meine erste Liveschaltung kann ich mir heute nicht mehr anhören», meint er und lacht laut. «Der Vorteil am Radio ist, dass niemand sieht, was du mit deinem Gesicht machst.» Ein Lieblingsmedium habe er dennoch nicht. Er schätze es, dass er alles machen dürfe: Radio, TV, Social Media und online. Es sei die Kombination aus allem, aus Wissenschaft und Journalismus, die ihn reize. «Das eine fände ich ohne das andere nur halb so spannend.»
Trotz seiner jetzigen Leidenschaft für meteorologische Phänomene. Als Kind sass Gaudenz Flury nicht stundenlang vor irgendwelchen Wetterkarten, er stand viel und gerne auf den Langlaufski. Erfuhr so das Wetter am eigenen Leib. «Im Sport, besonders vor den Rennen, ist es wichtig, ob es schneit oder die Sonne scheint», sagt er. Das Interesse daran, was dahinter steckt, sei erst im Geografieunterricht an der Mittelschule aufgekommen. Und so habe er sich im Studium dann auch auf alles konzentriert, was mit der Meteorologie zu tun hat. Wenn Gaudenz Flury spricht, drückt immer ein bisschen der Spitzbube durch. Und der Bündner Dialekt. Auch der ist kaum zu überhören. Kein Wunder also, dass er, der mittlerweile in Zürich wohnt, immer wieder darauf angesprochen wird. Auch bei der Arbeit begleitet ihn die Heimat. Er sei der einzige im Meteo-Team, der in den Bergen aufgewachsen sei. «Ich kann meinen Kollegen so manchmal eine etwas andere Sicht aufzeigen», meint Gaudenz Flury. So zum Beispiel, wenn es im November auf über 1200 Metern über Meer schneit. «Für die Menschen im Flachland ist das nicht so wichtig, für die Bergler ist es aber sehr relevant. ‘Das bisschen Schnee’ macht dort viel aus.»

Apropos Schnee. Etwas, das es im Winter in den Bergen reichlich gibt. Und etwas, das Gaudenz Flury in Zürich besonders vermisst. «Winter ist es für mich erst, wenn zumindest ein paar Zentimeter Schnee liegen.» Und wenn er dann manchmal wochenlang unter der Hochnebeldecke sitze, ziehe es ihn schnell wieder nach Davos. «Ich kann verstehen, dass man hier unten den Winter nicht mag.» Der begeisterte Schneesportler hingegen liebt die kalte Jahreszeit. Sein Lieblingswetter? Neuschnee und danach Sonnenschein. «Zum ‘Pülverla’. Sehr uneigennützig», kommentiert er ironisch.
Aber auch im Sommer sei ihm das Wetter in Graubünden lieber wie in Zürich. «Ich mag es nicht gerne heiss. Und selbst wenn es, gerade im Rheintal, auch mal wirklich warm werden kann – man ist dann schnell irgendwo, wo man Abkühlung findet.» Das Bündner Wetter sei so oder so das beste Wetter, summiert der Meteorologe. Das finden wir natürlich auch. Stimmen dem Wetterfrosch – wobei Wettersteinbock wohl besser passt – vollkommen zu. Und freuen uns auf alle Wetterkapriolen und Schauspiele, die uns die Natur so bietet. Da und dort.
Ihre schönsten Wetterbilder haben uns auch unsere Followerinnen und Follower zugeschickt. Eine Auswahl dazu gibt es auf den Seiten 36 und 37.

 

Der Artikel wurde mit freundlicher Genehmigung der Büwo übernommen (publiziert am 10. März).
Text: Cindy Ziegler

Weitere Fotos sind im Rahmen einer sorgfältig gestalteten Collage in der Print-Ausgabe der DZ vom 23. März 2021 zu sehen.

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