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Küttel und die speziellen Emotionen im Skifliegen

Der ehemalige Weltklasse-Skispringer Andreas Küttel feiert heute den 41. Geburtstag. Auch nach dem Karriereende 2011 nimmt der Sport bei ihm den Lebensmittelpunkt ein.

Agentur
sda
25.04.20 - 05:00 Uhr
Schneesport

Geburtstage sind nicht so Küttels Sache, auch wenn er das Zusammensein mit der Familie und Freunden jeweils geniesst. Spezielle Wünsche hat er keine. Für ihn verdient vielmehr die Mutter die Gratulationen, schliesslich habe sie damals quasi die Arbeit gemacht, sagt er am Telefon mit einem Schmunzeln.

Küttel lebt in Süddänemark. Nach Skandinavien ist er unmittelbar nach der Karriere ausgewandert, da sich seine Frau Dorota dort zur Rheumatologin weiterbilden liess. Den Sprung vom Spitzensport ins «normale» Leben ohne das gewohnte Umfeld zu schaffen, war für Küttel eine doppelte Herausforderung. Dabei half, dass er ein Vikariat als Sportlehrer erhielt - er hatte von 1999 bis 2005 an der ETH Zürich Sportwissenschaften studiert. So lernte er rasch die Sprache und die dänische Kultur kennen.

Es war für Küttel jedoch klar, dass es kein Job für die Ewigkeit ist, da er es als Athlet gewohnt war, die letzten fünf Prozent herauszuholen, was mit Schülern nicht möglich ist. Deshalb fing er im Oktober 2013 am Institut für Sport und Biomechanik an der Süddänischen Universität mit einem Doktorstudium an, das er Anfang 2017 mit einer Dissertation abschloss, in der er untersuchte, wie Elitesportler in der Schweiz, in Dänemark und in Polen Ausbildung und Beruf mit dem Spitzensport verknüpfen können und den Übergang ins Berufsleben meistern. Nun gibt er sein Wissen unter anderem an Studenten weiter - als Assistenzprofessor.

Den wettkampfmässigen Kick des Skispringens vermisst er nicht gross, er verlässt auch im aktuellen Leben immer wieder mal die Komfortzone. Allerdings lässt er es sich im Sommer in den Ferien in der Schweiz jeweils nicht nehmen, ein paar Sprünge auf der nach ihm benannten Schanze in Einsiedeln zu absolvieren. Ausserdem war er beim Schweizer Fernsehen als Experte tätig und ist er seit Frühling 2017 externer Berater der Schweizer Skispringer. Gross an seine zahlreichen Erfolge zurückdenken, tut er allerdings nicht, er ist jemand, der im Hier und Jetzt lebt. Aber klar sei der WM-Titel 2009 noch mit Emotionen verbunden, so Küttel.

Noch prägnanter als der WM-Titel ist aber ein Moment, als er auf der Skiflug-Anlage in Planica aufgrund des Windes während 15 Minuten auf das Startzeichen warten musste, stellt doch das Skifliegen eine enorme Herausforderung dar. Küttel beschreibt die Gefühlslage folgendermassen: «Die unglaubliche Dimension der Schanze ist überwältigend. Nur schon die Vorstellung, dort zu springen, braucht viel Kraft, man muss vieles ausblenden. Es ist eine Kombination zwischen den Extremen Kontrolle und Loslassen. Der Puls ist während des ganzen Tages enorm hoch, man beschäftigt sich auch in der Nacht mit den Sprüngen. Die Beschleunigung im Anlauf ist extrem, du spürst in der Luft eine unglaubliche Kraft. Es ist das beste Gefühl, das du im Skispringen überhaupt haben kannst.»

Eine dermassen lange Karriere wie jene von Simon Ammann kam für Küttel nicht in Frage, auch weil er im Dezember 2009 Vater eines Sohnes wurde, mit dem er Zeit verbringen wollte, was mit den ständigen Reisen als Skispringer weniger möglich gewesen wäre. Insofern genoss er es, dass sein Sohn wegen der Coronavirus-Pandemie einige Woche nicht in die Schule ging. «Dadurch hatten wir mehr Zeit füreinander, beispielsweise machten wir jeden Morgen Yoga», erzählt Küttel. Er sieht in der Krise auch viel Positives wie die aktuelle Entschleunigung der Gesellschaft. Deshalb stellte er sich die Frage: «Muss man danach wirklich zu den alten Verhaltensmustern zurückkehren?»

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