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«Wir sind in der Lage, uns in beide Füsse und in den Kopf zu schiessen»

Die unverhoffte Gelegenheit, ein Interview mit CNN-Wirtschaftsjournalist Richard Quest zu führen, konnten wir uns nicht entgehen lassen. Redaktor Oliver Fischer hat mit Quest über die Entwicklung des Weltwirtschaftsforums, die Rede von Donald Trump und Quests noch nicht erfüllten Interview-Wunsch geredet.

23.01.20 - 09:07 Uhr
Ereignisse
Ein Interviewpartner, wie man ihn selten vors Mikrofon bekommt: Richard Quest von CNN International.
Ein Interviewpartner, wie man ihn selten vors Mikrofon bekommt: Richard Quest von CNN International.
CNN INTERNATIONAL

Richard Quest, wir stehen hier auf der Promenade beim Kongresszentrum in Davos, wo Sie für CNN International vom Weltwirtschaftsforum (WEF) berichten. Wann war das erste Mal, als Sie hier am WEF waren?

Das jetzt ist das 18. oder 19. Jahr, dass ich hier bin. Nach dem 10. hört man irgendwie auf genau nachzuzählen. Da bekommt man einen hübschen Pin, beim 10. Mal. Ich war am ersten Abend beim Davos Circle. Klaus und Hilde Schwab sind die einzigen, die bei allen 50 Foren dabei waren. Aber dann gibt es doch auch einige Leute, die über 30 und sogar über 40 Mal hier waren. Ich bin da also auch mit 18 oder 19 Mal noch ein Neuling.

Wie hat sich die Veranstaltung in diesen 18, 19 Jahren verändert? Ist sie einfach grösser oder sind auch andere Leute hier?

In all den Jahren am WEF haben Sie unzählige Menschen aus allen möglichen Branchen, aus allen Herren Länder und mit unterschiedlichen Zielen am WEF getroffen und interviewt. Gibt es Jahre und Personen, die herausragen?

Ja, auf jeden Fall. Da waren etwa die Jahre, als Bono von U2 hier war. Oder Matt Damon für die Wasser-Kampagne. Am WEF gibt es diese, wie ich sie nenne, «Davos moments». Das sind ganz kurze – wenige Sekunden bis zu fünf Minuten – zufällige Treffen und Wortwechsel. Alleine heute Morgen (am Mittwoch, 22. Januar, die Red.) hatte ich schon solche «Davos moments» mit dem Premierminister von Spanien (Pedro Sanchez, die Red.) oder mit dem pakistanischen Premierminister Imran Khan. Ich erlebe ständig solche «Davos moments».

Oft hört und liest man ja rund ums WEF von irgendwelchen heimlichen Treffen ausserhalb der Veranstaltung in Hotelzimmern oder auf Partys. Ist das wirklich so, dass irgendwelche Deals abgeschlossen werden, oder ist das einfach Gossip?

Nein nein. Es gibt sehr viele Treffen und Gespräche, aber keine Deals. Das ist kein Ort, wo Deals abgeschlossen werden. Das ist ein Ort für Vorgespräche, zum Beispiel gibt es im Kongresszentrum vom WEF arrangierte Meetings von Firmenvertretern aus einer Branche. Diese sind nicht öffentlich. Ich war noch nie an so einem Treffen und würde niemals zu einem eingeladen werden, weil ich zu den Medien gehöre. Es gibt ein Pharma-Treffen, ein Biotech-Treffen und so weiter. Und ja, man kann sagen die sind heimlich. Aber das ist völlig legal und man kann nicht sagen, dass da etwas Konspiratives geschehen würde.

Um bei der Klimathematik einzuhängen: Tausende Menschen fliegen nach Davos, mit Privatjets, mit Helikoptern, hier vor Ort sind Tausende Autos unterwegs. Ist es glaubwürdig, dass diese Leute hier über die Klimakrise sprechen?

Den Punkt mit den Privatjets können Sie gleich wieder vergessen. Die Zahl der Leute, die mit Privatjets anreisen, ist ziemlich klein – einige Politiker, einige wenige CEOs – Privatjets sind nicht das Problem. Das Problem ist die grosse Anzahl Personen, die mit Limousinen unterwegs sind in einem Dorf, das von einem Ende zum anderen gerade mal anderthalb Kilometer lang ist. Das Problem sind alle diese Menschen, die sich in Autos den Berg hoch chauffieren lassen, wenn es doch hier einen absolut perfekten und geeigneten öffentlichen Verkehr gibt. Das ist viel entscheidender und viel schlimmer für Davos. Das ist scheinheilig.

Würde es etwas ändern, wenn das WEF im Sommer stattfinden würde und die Leute gerne draussen wären und ein paar Schritte gehen würden?

Nein, weil die ganzen Limos sind nur Statussymbole. «Schau mich an, ich bin wichtig.» Aber es gibt schon Unterschiede. Man sieht sehr wohl Leute zu Fuss unterwegs. Prinz William ging vor zwei Jahren, als er am WEF war, zu Fuss durch Davos, gestern sah man gleich mehrere Premierminister mit ihrem Sicherheitspersonal zu Fuss auf den Strassen.

Also gibt es schon ein gewisses Umdenken?

Bei Politikern gibt es das. Sie wollen nicht gesehen werden, wie sie in Limos durch Davos gefahren werden, während sie über Nachhaltigkeit reden.

Sprechen wir über die Eröffnung des WEF am Dienstag. Klaus Schwab hat über das Klima gesprochen, die Schweizer Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga hat übers Klima gesprochen. Und dann kam US-Präsident Donald Trump, dessen Klima-Statement sich auf «Ich mag die Natur» beschränkte. Wie passt das zusammen?

Ist das der Grund, warum er so grossen Wert auf seinen Besuch hier legt?

Genau, er hat eine Wahlkampf-Rede gehalten.

Ja, er kämpft um die Wiederwahl. Von daher ist das verständlich. Aber es war eine Enttäuschung, was er über die Umwelt gesagt hat.

Wie wurde Trumps Rede hier von den WEF-Teilnehmern aufgenommen und kommentiert?

Es gibt zwei Gruppen. Jene, die sagen das ist alles grossartig, das ist was wir brauchen. Und jene, die ihnen – im Privaten – sagen, was um Himmels Willen war denn das? Klar, wir haben nichts Anderes erwartet, aber trotzdem: Was sollte das?

Jetzt treffen sich hier all diese Politiker und Wirtschaftsvertreter und sprechen über das Klima und über Umwelt. Vor wenigen Monaten endete die UN-Klimakonferenz in Madrid ohne jegliches Resultat. Glauben Sie, dass hier mehr rausschauen wird?

Wäre es denn besser gewesen, Klima und Umwelt wären letztes Jahr die grossen Themen am WEF gewesen? Vor der Klimakonferenz?

Nein, die beiden lagen viel zu weit auseinander. Davos hat ausserdem immer eine ökonomische Komponente – die dieses Jahr etwas weniger gross ist. Es geht immer um Zahlen, aber das grosse Thema ist dieses Jahr tatsächlich die Umwelt.

Hier sprechen also all diese Unternehmen über das Klima und die Umwelt, über Technologie und Innovation. Glauben Sie, der Markt wird die Klimakrise selbst lösen, oder braucht es politische Interventionen und Regulierungen auf globaler Ebene?

Es braucht beides. Der Markt wird vielleicht die richtigen Dinge tun, aber zu langsam und zu spät. Der Markt findet zwar schon die richtige Antwort, aber braucht zu viel Zeit dafür. Und ich bezweifle, dass die Zeit in dieser Sache auf unserer Seite ist. Der Markt braucht einen Tritt und er braucht gute, strenge und harte Regulierungen, um ihn in die richtige Richtung zu steuern.

Sind Sie zuversichtlich, dass wir als Menschheit die Lösung finden werden?

Nein. Nein. Nein, das bin ich nicht. Denn zur Zeit steht die Wissenschaft eher auf der Seite von Greta. Wenn wir uns nicht schneller und weiter und mit sehr viel Eifer vorwärts bewegen, wird es zu spät sein. Greta sagte etwas sehr Richtiges: Die Madrid-Konferenz war ein Fehlschlag, Länder wie Australien waren dabei sehr kritisch - und jetzt brennt es gerade zu Asche -, niemand erreicht sein Ziele von der Pariser Klimakonferenz, die USA haben sich ganz aus Paris zurückgezogen. Also sagen Sie mir, welchen Grund für Zuversicht gibt es, ausser einfach naiver Gutgläubigkeit. Ich glaube, wir sind sehr wohl in der Lage, uns selbst in beide Füsse und dann in den Kopf zu schiessen.

Okay, jetzt zu einem ganz anderen Thema: Sie arbeiten seit über 30 Jahren als Journalist im TV. Hatten Sie nie Lust, den Bettel hinzuschmeissen und etwas komplett anderes zu machen?

Ja, ich habe dieses Gefühl an den meisten Vormittagen, bevor ich zur Arbeit gehe (lacht). Nein im Ernst, natürlich drehe ich manchmal fast durch, ob der ganzen Bürokratie bei CNN - und davor bei der BBC - und über all dem was hier abgeht. Aber dann hast du eben diese Geschichte, etwas Grosses, das ansteht, wie eine Wahl, und das gibt dir wieder die nötige Energie.

Sie haben unzählige Menschen getroffen und interviewt in Ihrer Karriere. Haben Sie so etwas wie eine Bucket List mit Menschen, die Sie noch interviewen wollen?

Ja, ja!

Wer steht ganz oben?

Tom Cruise.

Warum er?

Sie sind Wirtschaftsjournalist, Experte für Luftfahrt, für die britische Royal Family, Sie machen zwei Reise-Sendungen und haben eine Quiz-Show moderiert. Wo liegt Ihre wahre Leidenschaft?

Wenn man Ihre Arbeit hier Davos verfolgt, kann man nur zu einem Schluss kommen: Sie sind gerne hier und lieben den Job, den Sie hier machen. Aber jetzt mal ganz ehrlich, was ist besser: die Tage im Kongresszentrum oder die Nächte auf Partys?

Keine Frage, die Tage im Forum. Die Parties sind ein Haufen Mist. Die meisten jedenfalls. Die gleichen Leute, die du zehn Minuten davor auf der letzten Party schon gesehen hast, sprechen über langweiliges Zeug. Nein, nein, nein - da drin, im Kongresszentrum, da passieren die Dinge. Da triffst du Leute und da bekommst du diese entscheidenden fünf Minuten. Früher gab es diese berühmten Google-Parties, wo alle hingingen, das ist Geschichte.

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