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Nato und USA: Nur Teilrückzug russischer Truppen in Ukraine-Konflikt

Die russische Truppenpräsenz entlang der Grenze zur Ukraine ist nach Einschätzung der Nato und der USA noch immer signifikant hoch. «Wir haben eine gewisse Reduzierung der Zahl der russischen Truppen erlebt, aber Zehntausende bleiben, und wir sehen auch, dass Russland viele Waffen und Ausrüstung dagelassen hat», sagte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg am Donnerstag am Rande von Gesprächen mit den Verteidigungsministern der EU-Staaten in Brüssel. Insgesamt gebe es «heute viel mehr russische Truppen in und um die Ukraine als vor dem jüngsten Anstieg der Spannungen».

Agentur
sda
06.05.21 - 18:30 Uhr
Politik
US-Außenminister Antony Blinken (l) und Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg (r) sprechen während einer Pressekonferenz im NATO-Hauptquartier. Foto: Kenzo Tribouillard/Pool AFP/AP/dpa
US-Außenminister Antony Blinken (l) und Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg (r) sprechen während einer Pressekonferenz im NATO-Hauptquartier. Foto: Kenzo Tribouillard/Pool AFP/AP/dpa
Keystone/Pool AFP/AP/Kenzo Tribouillard

Ähnlich äusserte sich US-Aussenminister Antony Blinken. Russland habe zwar einige Truppen von der ukrainischen Grenze abgezogen. «Bedeutende Kräfte» seien aber weiterhin dort stationiert und ermöglichten Russland theoretisch innerhalb kurzer Zeit «aggressives Handeln», sagte Blinken bei einem Besuch in der Ukraine, der bereits im Vorfeld als starkes Zeichen der US-Unterstützung für Kiew gewertet worden war.

Nach Einschätzung des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj haben bislang nur 3500 russische Soldaten die 2014 von Russland annektierte Schwarzmeer-Halbinsel Krim verlassen. An anderen Orten sei keine Verringerung der Truppenstärke zu beobachten. «Daher bleibt die Gefahr bestehen», meinte er bei dem Treffen mit Blinken. Westlichen Militärexperten zufolge sind ständig etwa 28 000 russische Soldaten auf der Krim stationiert.

Nach einem grossen russischen Truppenaufmarsch entlang der Grenze zur Ukraine hatte es zuletzt international die Sorge gegeben, dass der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine erneut eskalieren könnte. Moskau erklärte den jüngsten Truppenaufmarsch mit Militärmanövern. Vor rund zwei Wochen wurde angekündigt, dass beteiligte Soldaten wieder in ihre angestammten Militärbasen zurückkehren würden.

Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) sagte, sie habe den klaren Eindruck, dass es eine Strategie der russischen Seite sei, «immer wieder zu versuchen zu provozieren». Die Ukraine, aber auch die Nato und Europa seien gut beraten, sich auf dieses Spiel nicht einzulassen. Ob es sich bei den jüngsten Entwicklungen um eine «Scheinentspannung» handele oder ob von Seiten Russlands wieder eskaliert werde, werde man in den nächsten Wochen sehen.

Blinken sicherte Kiew weiter Hilfe zu: «Wir arbeiten mit unseren Partnern daran, dass die Ukraine sich verteidigen kann», sagte der US-Chefdiplomat. Er mahnte aber auch weitere Reformen an. Kiew müsse etwa Korruption bekämpfen und das Gerichtssystem reformieren.

Seit der russischen Annexion der Krim und der anschliessenden Unterstützung kremltreuer Rebellen im Donbass sieht sich Kiew vom Nachbarstaat Russland in seiner Existenz bedroht. UN-Schätzungen zufolge sind im Konflikt in der Ostukraine bislang mehr als 13 000 Menschen getötet worden. Ein 2015 unter Beteiligung von Deutschland und Frankreich vereinbarter Friedensplan liegt auf Eis.

Trotz einer geltenden Waffenruhe sind allein seit Jahresbeginn im Konfliktgebiet rund 60 Menschen getötet worden. Erst am Donnerstag informierte die Armee wieder über einen Toten und einen verwundeten Soldaten. Die Luhansker Separatisten hatten am Vorabend ebenfalls von einem Toten in ihren Reihen gesprochen.

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Der Donbass ist zuallererst ein innenpolitisches Problem der Ukraine. Solange man nicht bereit ist, der russischen Minderheit minimale Rechte zu gewähren, wird es keinen Frieden geben. Jedenfalls nicht ohne Massaker oder massive Vertreibung.
Wenn die EU den Konflikt Situation entschärfen will, ist ihr Ansprechpartner die Ukraine. Die Ukraine, die sich schon immer strikt weigert, ihre Verpflichtungen aus Minsk II umzusetzen.
Ob Russland jetzt an der Grenze aufmarschiert, um die russische Minderheit im Donbass zu schützen oder andere Ziele verfolgt, weiss niemand. Sobald die Situation im Donbass zumindest beruhigt ist, hat V.Putin keinen Vorwand mehr für Drohszenarien.

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