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Niederländer nehmen Abschied von ermordetem Reporter de Vries

Am weissen Backsteingiebel des Amsterdamer Theater Carré hängt überlebensgross ein Foto von Peter R. de Vries, lächelnd und doch kritisch. Darunter das Lebensmotto des Kriminalreporters: «Auf Knien kann man nicht frei sein.»

Agentur
sda
21.07.21 - 15:37 Uhr
Ereignisse
dpatopbilder - Polizisten bringen einen Blumenstrauß zu dem Blumenmeer für den Reporter Peter R. de Vries. Foto: Evert Elzinga/ANP/dpa
dpatopbilder - Polizisten bringen einen Blumenstrauß zu dem Blumenmeer für den Reporter Peter R. de Vries. Foto: Evert Elzinga/ANP/dpa
Keystone/ANP/Evert Elzinga

Der populäre Journalist war vor gut zwei Wochen mitten in Amsterdam niedergeschossen worden, neun Tage später starb er. Nun ist sein Sarg im Traditionstheater der Grachtenstadt aufgebahrt. Tausende erweisen ihm am Mittwoch die letzte Ehre.

Mit Tränen in den Augen verlässt Rachel (44) das Theater. «Das war sehr eindrucksvoll», sagt die Frau aus Rotterdam. Auf dem weissen Sarg steht ein Foto des Reporters, drumherum viele Blumen. «Peter hat viel für unser Land getan. Er ist ein Symbol für Ehrlichkeit und Gerechtigkeit.» Tief bewegt ist auch ihre Mutter Marlene (70). «Er inspirierte viele.»

Stundenlang warten die Menschen bei grosser Hitze vor dem Theater. Die Schlange reicht weit über die Brücke hinaus, gut einen Kilometer lang. Aus dem ganzen Land sind die Menschen gekommen. Don stammt aus dem Norden, rund 150 Kilometer entfernt. «Peter war ein rechtschaffener guter Mensch», sagt er. Er hat seinen 13-jährigen Sohn David bei. «Weil es wichtig ist, dass er sieht, dass es solche Menschen gibt.»

Der Reporter war am Abend des 6. Juli mitten in Amsterdam niedergeschossen worden, nachdem er ein TV-Studio verlassen hatte. Mindestens eine Kugel traf ihn in den Kopf. Neun Tage später erlag er seinen Verletzungen - er wurde nur 64 Jahre alt. Der Anschlag erschütterte das Land und wurde auch international mit Bestürzung aufgenommen. Der Tatort wurde eine Gedenkstätte mit Blumen, Kerzen und Briefen.

Die beiden mutmasslichen Täter, 35 und 21 Jahre alt, wurden wenig später auf der Flucht gefasst. Doch die Ermittler gehen davon aus, dass sie nur im Auftrag handelten. Auch wenn man bislang über die Hintergründe der Tat wenig weiss, so deutet doch vieles darauf hin, dass das organisierte Verbrechen verantwortlich ist.

Peter R. de Vries war zuletzt Vertrauensperson des Kronzeugen in einem grossen Prozess gegen eine berüchtigte Drogenbande. Zuvor waren bereits der Bruder des Kronzeugen und sein Verteidiger ermordet worden. Nach dem Anschlag war auch das TV-Magazin, für das de Vries viel gearbeitet hatte, mehrfach bedroht worden. Das öffentliche Gedenken in dem Theater ist nun begleitet von strengen Sicherheitsmassnahmen. Zur Erleichterung vieler sind sie nicht allzu sehr sichtbar.

Für viele Niederländer war de Vries ein Symbol für den Kampf gegen die Kriminalität. Er biss sich fest in einen Fall und liess erst dann locker, wenn er gelöst war. Und er stand Opfern und Angehörigen bei.

«Er hat so viel getan für die Gemeinschaft», sagt die 34-jährige Renate aus Rotterdam. «Ich bin traurig und fassungslos.» Auch ihre Freundin Hedwig (35) ist entsetzt. «Schrecklich, dass das mitten in der Stadt geschah.» Sie weist auch darauf hin, dass Peter R. de Vries gegen alle Arten Unrecht eintrat, etwa auch Rassismus und Diskriminierung von ethnischen Minderheiten. «Auch diese Stimme haben wir jetzt verloren.»

Bis 20 Uhr sollten Menschen am Mittwoch die Gelegenheit haben, de Vries die letzte Ehre zu erweisen. Für Donnerstag ist ein Abschied für Familie, Angehörige und Freunde geplant. Anschliessend soll der berühmte Reporter im engsten Kreis beigesetzt werden.

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Es stellt sich die Frage, warum der Mann keinen Schutz hatte. In welcher Form auch immer.
Wenn 2019 zwei Menschen aus dem Umfeld des Kronzeugen ermordet wurden, dann sollte man davon ausgehen, dass es eine Gruppe von Menschen gibt, die gefährdet sind. Und da muss doch bis Ende des Prozesses zumindest vorsichtig umgegangen werden.
Beunruhigend ist auch, dass die Täter sich trauen, einen Menschen anzugreifen, der so bekannt ist.
Entweder fühlt sich da jemand unbesiegbar oder hat Angst. Ob das jetzt um den Prozess geht oder ob Peter de Vries grade an was anderem dran war, weiss man (noch) nicht. Der niederländische Staat wird aber zukünftig wesentlich härter als bisher gegen diese Art der Kriminalität durchgreifen müssen.

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