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Dreiklassengesellschaft bei der RhB

Unternimmt man eine Fahrt mit der RhB, sei es in der ersten oder zweiten Klasse, so wird bei der kleinen Roten alles unternommen, die Fahrt pünktlich und mit Erreichen aller Anschlüsse durchzuführen. Zumindest ging ich bisher davon aus. Denn neben den beiden Klassen des subventionierten regionalen Personenverkehrs (RPV) gibt es noch eine weitere Klasse, die jedoch eine höhere Priorität geniesst: Die auf eigene Rechnung durchgeführten Extrafahrten wie der «Arosa Genussexpress»: Einer all-inklusive Fahrt im gehobenen Restaurantwagen, wegen Bauarbeiten auf der Strecke nach Arosa, aktuell von Chur nach Disentis/Mustér und zurück. Diese Wagen werden jeweils einem regulären Personenzug mitgegeben. So geschah es eines Freitagabends im Juni 2021, dass die beiden Genussexpress-Wagen nicht rechtzeitig in Chur eingetroffen sind. So wurde kurzerhand der Zug um 17:56 Uhr von Chur nach Disentis/Mustér um 20 Minuten verspätet, um die Wagen anzuhängen und die Extrafahrt durchführen zu können. Damit hat man bewusst den Bruch der stündlich verkehrenden Busanschlüsse in der Surselva für die «normale» Kundschaft in Kauf genommen. Für die RhB ist das unproblematisch: Es sei halt nicht anders gegangen, sonst hätte die Extrafahrt abgesagt werden müssen. Das Bundesamt für Verkehr als Besteller und Aufsichtsbehörde des RPV stützt diese Argumentation der RhB und ergänzt: Die Mitberücksichtigung der Anliegen touristischer Angebote sei nachvollziehbar. Das für den sehr dünn besiedelten Kanton Graubünden sehr gute ÖV-Angebot könne nur aufgrund der touristischen Nachfrage aufrechterhalten oder sogar noch ausgebaut werden. Mir leuchtet nicht ein, wie die Einschränkung der Zuverlässigkeit des in Graubünden mehrheitlich touristischen ÖV-Angebots förderlich sein soll. Die allermeisten Touristen befördert die RhB in den Regelzügen sowie im Bernina- und Glacier-Express – nicht auf Extrafahrten wie dem «Arosa Genussexpress». Solche Angebote haben zweifellos auch eine Daseinsberechtigung, jedoch sollten sie meiner Meinung nach das subventionierte ÖV-Angebot nicht negativ beeinflussen dürfen. Denn je unzuverlässiger ÖV-Angebot ist, je weniger wird es genutzt, was weder dem Tourismus förderlich ist, geschweige denn dazu führt, dass das ÖV-Angebot ausgebaut werden kann. Die am angesprochenen Freitagabend angereisten Gäste werden es sich zweimal überlegt haben, ob sie nochmals mit dem ÖV anreisen werden, oder ob sie künftig gar eine zuverlässiger zu erreichende Destination wählen werden.

Silvan Pleisch
05.07.21 - 19:33 Uhr
Leserbrief
Ort:
Chur
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Den Vorwand der RhB und RPV-Aufsichtsbehörde (zumal für die vollen Hochpreise, die die Passagiere bezahlen, die zudem so den Anschluss-Bus verpassen, der nur stündlich fährt) finde ich bedenklich und bedenkenswert: "im Kanton Graubünden könne das ÖV-Angebot nur aufgrund der touristischen Nachfrage aufrechterhalten werden", was mich an die seit gefühlten x-Dekaden der Tälerentvölkerungs-Jammerei erinnert (aber sie entvölkern einfach nicht, oder warum sonst gibt es von den angeblich unbrauchbaren "Verlassenen" nicht ein einziges Tal, das zu haben wäre für mein Systemwechsel-Projekt), an die nicht-nachhaltige Subventionspolitik, statt endlich gesunde Strukturen für Gesundheitstourismus (Kurhäuser im USP-Sinn und maxieffizient, und nicht das, was es in der ganzen Schweiz eh gibt, bloss überteuert, eingedenk der Stoffel-Weisheit, Graubünden sei nicht zu teuer sondern zu billig und seiner Absicht, in seinem Glasturm in Phalls ein Zimmer pro Nacht 1000 bis 25‘000 kosten zu lassen, soweit ich mich an einen Zeitungsartikel erinnere) und primär Gesundheits-Erstwohnen zu gewährleisten?
Den Kanton GR und den hochsubventionierten Privatverein GRF finde ich innovatief, fantasielos und teuer.

Wir Schweizer setzen die Messlatte doch sehr hoch! Es kann doch immer Ausnahmen geben auch witterungsbedingt. Vielleicht sollten einige Leute mal im Ausland umherreisen.
Auch beim Individualverkehr gibt durch Verkehrsüberlastung oder Unfälle Staus und dadurch Verspätungen.