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Corona und der Kantönligeist

Ein Antrag von FDP-Ständerat Martin Schmid, dass Kantone, die eine stabile oder rückläufige epidemiologische Lage aufweisen, Lockerungen vornehmen dürfen, wurde von der Mehrheit der kleinen Kammer angenommen. Das ist, als ob ein Alkoholiker ein Jahr Abstinenz mit einer Flasche Schnaps zelebrieren würde. Da wird der Föderalismus ad absurdum getrieben. Diese Kantone und Halbkantone sind politische Einheiten, aber sonst in jeder Hinsicht Artefakte. Das sieht man schon in den unterschiedlichen Flächen (zwischen 37 und 7’105 km2), Einwohnerzahlen (zwischen 16'128 und 1'539'275) und Bevölkerungsdichten (zwischen 28 und 5’293 Einwohner pro km2). Zudem sind die Schweizer ein extrem mobiles Volk; wenn in einem Kanton die Restaurants und Fitnessclubs geschlossen bleiben, fahr ich einfach in den nächsten oder das Nachbarland, wo sie geöffnet wurden. Der Vorschlag von M. Schmid ergibt nur Sinn, würden Kunden von z.B. Restaurants oder Fitnessclubs nur nach Vorzeigen eines Ausweises zur Bestätigung des Wohnsitzes zugelassen, Massnahmen, die mit Sicherheit von einer Mehrheit der bürgerlichen Politiker als zu bürokratisch abgelehnt würden, weil man einfach nicht gewillt ist, Nägel mit Köpfen zu machen. Die Frage ist auch, wie man Pendler behandelt. Darf ich als «sauberer» Bündner in einem «infizierten» Kanton arbeiten und umgekehrt, oder bräuchte ich immer wieder einen neuen Negativnachweis?
Das Problem wird erst gelöst sein, wenn wir mal Herdenimmunität erreicht haben. Mit den neuen Virusvarianten, die leichter übertragbar sind, erfordert dies anscheinend eine Durchimpfungsrate von 80-85%. Die werden wir nur erreichen, wenn bereits geimpfte von Massnahmen befreit werden. Aber dies wird von vielen bürgerlichen Politikern als das Einführen einer Zweiklassengesellschaft abgelehnt. Offensichtlich ist im Gegensatz zum Bundesrat vielen Parlamentariern die Erhaltung der Wählergunst wichtiger als das Lösen des Problems.

Fritz Schulthess
11.03.21 - 12:24 Uhr
Leserbrief
Ort:
Chur
Zum Artikel:
Was die Bündner Politkräfte zur Monsterdebatte sagen, Südostschweiz GR online, 10. März
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Herr Schulthess, Sie haben so recht.
Leider sind unsere Politiker nocht nicht fähig Ihre Argumentation zu folgen!
Wahrscheinlich wird in Zukunft noch kleinräumiger geplant, jeder Grossrat möchte doch die Kontrolle behalten. Ich könnte mir gut vorstellen in Chur das Rheinquartier und das Bondaquartier gesondert zu behandeln, so auch Rhäzüns und Bonaduz, etc. Das Virus wird sich schon an Quartier- und Gemeindegrenzen gewöhnen.... Das Virus ist eben lernfähiger als rechtspopulistische Politiker!

Das Problem wird nicht gelöst, wenn in der ganzen Schweiz die gleichen Regeln gelten. Die Ansteckungen sind sehr unterschiedlich und darum sollten auch die Massnahmen angepasst werden.
Die Menschen sind in den Kantonen auch sehr unterschiedlich - was bei Abstimmungen auch zum Vorschein kommen. Warum soll ein NidwaldnerIn nicht im Pistenrestaurant essen können mit den entsprechenden Massnahmen, nur weil im Kt. Waadt die Fallzahlen steigen??
In einer extrem vagilen Situation soll auch spontan regional gehandelt werden können.