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500-mal Mals – Lausanne und zurück

Hans Peter
Danuser
16.02.21 - 04:30 Uhr
BILD ARCHIV

Hans Peter Danuser und Amelie-Claire von Platen sind im Engadin zu Hause und zeigen uns ihren Blickwinkel. Was bewegt Land und Leute? Wo ist das Engadin stark und wo hinkt es einzelnen Mitbewerbern hinterher? Und was geschieht auf politischer Bühne? Der Blog «Engadin direkt» berichtet persönlich und authentisch.

Seit Anfang Januar hat die Arbeitsgruppe «Pro Bahnverbindung Scuol-Mals» einen eigenen Webauftritt. Seither ist viel in Bewegung geraten. Not Carls sehr aktive Facebook-Gruppe gleichen Namens ist innert kurzer Zeit auf gegen 2500 Mitglieder angewachsen, und täglich treffen zahlreiche Anfragen und Anregungen von beidseits der Grenze ein.

Eine davon hat uns aus den Socken gehauen. Walter Gostner, ein Vinschger Bauingenieur mit eigenen Büros in Mals und Bozen, ist die Strecke Mals – Lausanne retour in den letzten 22 Jahren sicher «an die 500-mal gefahren» – meist mit dem Auto über den Ofenpass nach Zernez und von dort in fünf Stunden nach Lausanne, oft noch gleichentags zurück. Zuerst als Nachdiplomstudent der ETH Lausanne (EPFL), dann als Doktorand («habe meine Dissertation praktisch im Zug geschrieben») und heute als Dozent sowie Unternehmer – stets 2. Klasse.

Walter ist begeistert vom Bahnprojekt Mals-Scuol, kennt als regelmässiger ÖV-Nutzer die Bedeutung dieser Verbindung und versteht als Ingenieur, was Sache ist. Eine Projektstudie sei entsprechend baldmöglichst anzupacken, zumal die Signale aus der Bevölkerung sowohl auf der Bündner und Südtiroler Seite positiv sind.

Wir erklären ihm die etwas komplizierten politischen Abläufe in der Schweiz. Nachdem über die Hälfte der Bündner Grossräte das Projekt mit Unterschrift unterstützen, liegt der Ball gerade bei der Bündner Regierung, die mit Südtirol, Tirol und der Lombardei im September 2020 eine gemeinsame Absichtserklärung unterzeichnet hat. Nebst dem Lenkungsausschuss habe auch eine technische Arbeitsgruppe mit Vertretern des Südtirols, des Tirols, der Lombardei und Graubündens ihre Arbeit im Dezember 2020 aufgenommen.

Unsere Gruppe setzt aber auch große Hoffnungen auf die Bundesparlamentarierinnen und Bundesparlamentarier, unter anderem auch auf den Präsidenten der RhB, Stefan Engler, aufgewachsen an der Unesco-Bahnstrecke Albula und Bündner Vertreter im Schweizer Ständerat, der kleinen Kammer in Bern.

Engler kennt das Angebot des Tiroler Landeshauptmanns Kompatscher, dass die EU («Green Deal»), Italien und Südtirol 70 Prozent der Kosten für die 26 Kilometer (wovon 19 im Tunnel) übernehmen und er auch bei Betrieb und Unterhalt sehr entgegenkommen will, zumal die Verlängerung der Vinschgerbahn nach Scuol in Normalspur erfolgen soll, nicht in der Meterspur der RhB.

Der Ständerat weiß auch, dass die verbleibenden 300 - 400 Millionen Franken, aufgeteilt auf 12 bis 15 Jahre Planungs- und Bauzeit, in Bern vorhanden sind und nicht einmal 1/80-stel der 25 Milliarden Franken ausmachen, die die Neat mit den Basistunnels Gotthard, Lötschberg und Ceneri gekostet hat.

Erst recht, wenn dadurch abgelegene Regionen wie das Münstertal und Unterengadin gestärkt werden können, die in ihrer peripheren Lage unter Bevölkerungsschwund leiden.

Wir erklären Walter auch, dass diese Bahnverbindung touristisch das ganze RhB-Netz befruchten wird, nicht zuletzt als Zubringer zum Glacier Express, der durch das ganze Bündner Oberland bis über den Oberalppass fährt und seit seinem Relaunch vor 40 Jahren über acht Millionen Passagiere verzeichnet.

Hier ergänzt Walter, dass die Verbindung auch für Geschäftsreisende nach Landquart, Chur und Zürich interessant ist. Er kenne persönlich einige Südtiroler, die regelmäßig nach Zürich pendeln, insbesondere auch zu dessen Flughafen, der im Gegensatz zu den meisten anderen über Bahnanschluss mit exzellenten Verbindungen verfügt.

Die Arbeitsgruppe «Pro Bahnverbindung Scuol-Mals» besteht aus neun Vertreter/innen aus dem Unter- und Oberengadin, Münstertal, Davos, Chur und Uster. Präsidentin ist die Bündner Grossrätin Valérie Favre Accola.

PS: Es gibt einen historischen Präzedenzfall zu unserem Projekt. Was der im Bau befindliche Brenner-Basistunnel heute für Südtirol bedeutet, war vor 200 Jahren die Militärstraße Mailand-Reschenpass-Innsbruck-Wien für Österreich. Scuol-Mals ist für die Südtiroler ein Zubringer zum Basistunnel (2028/30). Darum können sie den Schweizern finanziell auch derart entgegenkommen.

Als der Kaiser vor 200 Jahren den Bündnern offerierte, die Strecke Splügen- Chiavenna als Zubringer zur neuen Militärstrasse auf eigene Kosten auszubauen, zierte sich die die Bündner Regierung nicht lange und erteilte die Bewilligung dazu.

Heute zahlt die Schweiz Italien und Deutschland hohe Millionenbeiträge zur Vorfinanzierung der Zubringerstrecken zu den Neat-Basistunnel.

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