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Immer eine Schmerztablette im Sack

17.10.19 - 07:43 Uhr
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Im Blog «Anpfiff» berichten Journalistinnen und Journalisten jede zweite Woche aus der Südostschweiz-Sportredaktion.

Es gibt harte Arbeitstage. Und dann gibt es auch Arbeitstage, an denen einfach alles zusammenkommt. Jener Sonntag vor einem Jahr, der 9. Dezember 2018, war so einer. Die Ausgangslage war schon suboptimal. An jenem Wochenende feierte mein Arbeitgeber sein 30-jähriges Bestehen mit einem grossen Fest in Chur. In St. Moritz gastierte gleichzeitig der alpine Ski-Weltcup. Am Samstag vor der abendlichen Party hatte ich bereits meinen sechsten Arbeitstag in Folge gehabt. Trotz meines zweitägigen Weltcup-Einsatzes wollte (und durfte) ich mir die 30-Jahr-Feier in Chur nicht entgehen lassen.

Was den Konsum heiterer Flüssigkeiten betrifft, hielt ich mich selbstredend zurück. Früh ins Bett kam ich trotzdem nicht. Ich brauchte für Sonntag noch ein anderes Übertragungsgerät. Meines hatte am Samstag nicht wie gewünscht funktioniert. Ich musste aber auf einen Kollegen warten, der mit dem Ersatzgerät gerade in Bern das Auswärtsspiel des HCD kommentierte. Um kurz vor 1.30 Uhr traf er schliesslich mit dem Gerät ein und übergab es mir.

Schon um 6 Uhr liess mich der Wecker am Folgetag hochschrecken. Der Blick aus dem Fenster verriet: Es hatte in der Nacht kräftig geschneit. Ich packte meine sieben Sachen und machte mich auf den Weg ins Oberengadin. Um dem Verkehr auszuweichen, entschied ich mich, jeweils via den Vereina-Autoverlad zu fahren. So konnte ich die Fahrt durch den Tunnel mit einem kurzen Nickerchen verbinden. Im Engadin bezahlte ich diese Route dann damit, Schneepflug spielen zu dürfen. Logisch war der Allrad- Antrieb meines Geschäftsautos schnell einmal überfordert.

Zum Dessert dann zwei Stunden Schritttempo im Prättigau 

Hoch gings danach auf die Corviglia – und dort wurde es erst richtig turbulent. Arbeitstage als Sportreporter können per se recht stressig sein. Zudem hatte mein Moderationskollege nach der Feier etwas zu lange geschlafen, als dass er wirklich eine fertige Sendung bereit gehabt hätte. Hiess für mich: Live-Einschaltungen im Minutentakt zum Überbrücken, zwischendurch rüber in die Mixed-Zone rennen, um möglichst von allen gestarteten Schweizerinnen eine Stimme einzufangen. Interviews schneiden, Nachrichten schreiben, wieder Einschaltungen, wieder Interviews, wieder schneiden und schreiben, während Stunden ohne Pause.

Gegen Mittag meldete sich mein Gehirn. Es hatte genug. Genug vom Stress, genug von sieben Arbeitstagen, zu wenig Schlaf und noch einen langen Nachmittag vor sich. Die Stunden zogen sich hin, der Stress wurde nicht weniger. Der Schmerz auch nicht. Nach den Rennen stündlich das Neuste berichten, Bilanz ziehen, einen Beitrag für den Folgemorgen hier, eine kritische Umfrage unter Skifahrerinnen dort. Irgendwann. Am späten Nachmittag. Endlich fertig. Ab ins Auto und nach Hause. Mein Schädel drohte zu explodieren. Der Schnee türmte sich hüfthoch auf der Strasse. Ich konnte mich kaum konzentrieren. Autofahrer drängten sich riskant an mir vorbei. Nach anderthalb Stunden: Durchatmen im Vereina. Zum Dessert gab es dann zwei Stunden im Schritttempo das Prättigau runter – wegen Verkehrsüberlastung.

Endlich zu Hause. Etwas essen, Schmerztablette rein und ab ins Bett. Zwei Lehren: Die Julierroute wäre doch besser gewesen. Und seit diesem Tag habe ich bei Ausseneinsätzen mindestens eine Schmerztablette dabei. Immer.

Gian Andrea Accola ist Sportredaktor bei Radio Südostschweiz

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