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Impfung ab zwölf Jahren soll bald möglich sein

Seit Samstag sind viele der bisherigen Coronamassnahmen gelockert. Die Bündner Kantonsärztin nimmt Stellung dazu und gibt einen Ausblick auf die kommenden Wochen. 

Südostschweiz
29.06.21 - 06:44 Uhr
Leben & Freizeit
Die Bündner Kantonsärztin Marina Jamnicki während eines Interviews. Fotografiert am 17.5.21 im Medienhaus Somedia.
Die Bündner Kantonsärztin Marina Jamnicki während eines Interviews. Fotografiert am 17.5.21 im Medienhaus Somedia.
BILD OLIVIA AEBLI-ITEM

Vor rund einer Woche hat der Bundesrat weitere Lockerungsschritte beschlossen. So dürfen seit Samstag unter anderem Clubs und Discos wieder Gäste empfangen, und auch die generelle Maskenpflicht im Büro ist aufgehoben. 

Doch ist der Weg zurück in die Normalität zu locker gestaltet, und was bedeutet die neue Delta-Variante, über die zurzeit vermehrt zu lesen ist, für Graubünden? TV Südostschweiz sprach mit der Bündner Kantonsärztin, Marina Jamnicki, über die Situation.

Ungewohnte Bilder 

Dass am Wochenende wieder viele Personen im Churer Welschdörfli unterwegs waren und die Lockerungen feierten, überrascht die Kantonsärztin nicht wirklich. «Das sind sicher ungewohnte Bilder. Aber es gibt genau zwei mögliche Reaktionen: ‹O was soll das?› oder ‹Endlich können wir wieder zurück›.» Die Menschen wollten ja wieder den Weg zurück in die Normalität, also müsse man es jetzt auch zulassen.

Ähnlich fällt Jamnickis Meinung zur aktuell stattfindenden Fussball-Europameisterschaft aus. «Bei den vollen Stadien wird es mir schon ein wenig unwohl, aber gleichzeitig wollen wir ja nicht so weiterleben wie in den letzten Monaten. Wir haben grosse Schritte gemacht, mit Impfungen.» Jamnicki gibt aber auch ehrlich zu, dass sie bezogen auf den Fussball-Event nicht mit Sicherheit wisse, ob es dort Einschränkungen beim Eintritt in die verschiedenen Stadien gebe wie beispielsweise die 3G-Regel (genesen, getestet oder geimpft). In Graubünden gilt diese Regelung unter anderem für Clubs und Discos.

Impfmüdigkeit feststellbar

Ein weiteres Thema, das Jamnicki im Interview mit TV Südostschweiz anspricht, ist das Impfen. Graubünden sei zwar schweizweit nicht der Spitzenreiter, bewege sich aber im vorderen Drittel. «Wir verimpfen immer noch alles, was wir zur Verfügung haben, mit einer gewissen Reserveplanung», erklärt Jamnicki und fügt an: «Was wir aber festgestellt haben, ist eine gewisse Abnahme der Impfanmeldungen.» Die Kantonsärztin zieht mehrere Faktoren in Betracht, die zur «Impfmüdigkeit» führen könnten.

Einerseits nähere sich Graubünden an die 50-Prozent-Impfrate im Kanton. «Das war die Zahl, bei der wir von vornherein gedacht haben, das schaffen wir.» Anderseits seien die Ferien für viele Menschen ausschlaggebend. Es könne beispielsweise sein, dass die Impftermine termintechnisch mit den geplanten Ferien aufgehen oder man wolle sich lieber nach den Ferien impfen. «Ein weiterer Faktor ist eine gewisse ‹Faulheit›. Beispielsweise kommt einem am Abend in Sinn, dass man sich noch für einen Termin anmelden will, denkt dann aber nicht mehr daran», sagt Jamnicki. «Wir bemühen uns darum, noch mehr Angebote zu lancieren. Wir wollen mit der Impfung auf die Menschen zugehen und sie für eine Impfung animieren.» Jamnicki schliesst auch nicht aus, künftig in Betrieben Impfungen anzubieten. 

Nebenwirkungen sind Tatsache

Dass für viele Personen auch Nebenwirkungen ein Argument gegen die Impfung sind, dessen ist sich die Kantonsärztin bewusst. Sie selbst habe kürzlich erst einen Tag flachgelegen aufgrund der Impfung. «80 Prozent der Geimpften haben Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen oder Unwohlsein, das stimmt. Ich sage aber immer, wer ein gutes Abwehrsystem hat, hat auch gute Nebenwirkungen.» Die Reaktion des Körpers zeige, dass das eigene Immunsystem schaffe und die Impfung verarbeite. «Ich glaube, die Nebenwirkungen müssen wir mit einem Schulterzucken zur Kenntnis nehmen», sagt Jamnicki. Die Ärztin betont aber auch, dass man die Impfung aufgrund der möglichen Nebenwirkungen bewusst einplanen und den Folgetag ruhiger angehen solle. 

Impfung für Kinder

Jamnicki spricht im Interview auch über das Impfen für Kinder ab zwölf Jahren. «Dort gibt es zwei Faktoren, zum einen der individuelle Schutz der Kinder, zum anderen der Gemeinschaftsfaktor», erklärt sie. Es sei unbestritten, dass Kinder die Krankheit übertragen und sich selbst anstecken könnten. Als Beispiel nennt Jamnicki die vergangenen Ausbrüche in Schulen. «Die Übertragungen gehen dann eben auch weiter. Mit dem Impfen leistet man einen guten Beitrag.» Dennoch sei es wichtig zu beachten, dass eine Impfung eine individuelle Entscheidung sei. «Bei Kindern ist die Nutzen-Risiko-Abwägung schon anders als beispielsweise bei einer 80-jährigen Person. Deshalb soll und muss die Entscheidung individuell getroffen werden.» Im Kanton Graubünden sollen Kinder schon bald die Impfung bekommen. «Wir wollen schauen, dass wir das bald anbieten können. Zurzeit ist nur der Impfstoff des Herstellers Biontech/Pfizer für Kinder und Jugendliche ab zwölf Jahren zugelassen.» In Graubünden werde dieser Impfstoff vor allem in Chur gebraucht. «Genügend Anmeldungen vorausgesetzt, würden wir dann Impftage speziell für Kinder ähnlich wie die Tage für Jugendliche anbieten. Dabei möchten wir mit Kinderärzten zusammenarbeiten, sodass sie vor Ort sind.» Für den kommenden Schulanfang ändere sich aber nichts. Jamnicki betont: «Wir werden keinerlei Vorgaben irgendwelcher Art haben. Weder einen Impfausweis oder Impfkontrollen – gar nichts in der Art.»

Delta-Variante und Ausblick

Ein weiteres Thema, zu dem Jamnicki Stellung bezieht, ist die sogenannte Delta-Variante des Virus. In Ländern wie Grossbritannien verbreitet sich die Delta-Variante zurzeit schnell. «Man muss sagen, die Delta-Variante scheint schwerer zu verlaufen. Wenn man sich also ansteckt, ist die Wahrscheinlichkeit höher als bisher, einen schweren Verlauf zu haben», erklärt Jamnicki. Die Ärztin ergänzt aber: «Wichtig ist, zu wissen, dass die Impfung bei dieser Variante auch sehr gut funktioniert. Die Wirkung ist fast so gut wie bei der ursprünglichen Virus-Variante. Die Impfung schützt also vor einem schweren Krankheitsverlauf.» Bisher seien vor allem Länder von der Delta-Variante betroffen, die noch nicht geimpft seien.

Wenn es nach der Kantonsärztin geht, wird sich Graubünden auch nach den Sommermonaten mit dem Coronavirus auseinandersetzen müssen. «Wenn ich ganz ehrlich bin, glaube ich, dass es ähnlich kommt wie im letzten Herbst, nur auf einem tieferen Niveau.» Es zeichne sich beim Coronavirus ab, dass es sich während des Sommers nicht so gern verbreite wie bei kalten Temperaturen und in Innenräumen. «Von dem her gehe ich aus, dass es eine zweite Welle geben wird, diese sich jedoch nur bei den Personen verbreitet, die nicht geimpft sind», so Jamnicki abschliessend. (paa)

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