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Graubünden verpasst den Holzboom

Die Preise für den Rohstoff Holz sind in den vergangenen Monaten stark gestiegen. Bislang profitiert der Kanton Graubünden davon kaum.

Südostschweiz
25.04.21 - 04:30 Uhr
Leben & Freizeit
Waldstrasse.Wald.Holz.
Steigende Nachfrage: Holz ist als nachhaltiges Baumaterial zurzeit sehr begehrt.
SASI SUBRAMANIAM

Holz ist derzeit ein gefragter Rohstoff. Weil das Angebot nicht mit der Nachfrage mithalten kann, steigen die Preise und liegen bis zu 60 Prozent über dem Wert vom Januar. Bislang kann Graubünden trotz des immensen Holzvorkommens kaum vom Boom profitieren. Das liegt daran, dass die Holzverarbeitung im Ausland stattfindet, wie Andrea Florinett, Delegierter des Bündner Forstunternehmerverbandes, gegenüber Radio Südostschweiz erklärte. Die Preise von unverarbeitetem Rundholz seien im Vergleich zu den Halb- und Fertigfabrikaten nur sehr moderat gestiegen. «Das Rundholz hängt den Schnittwaren immer hinterher.» Deshalb ist es laut Florinett wünschenswert, das Holz auch wieder regional zu verarbeiten. «Wir sind stark abhängig vom ausländischen Markt.»

«Auch Waldbesitzer müssen profitieren»

Allerdings ist sich Florinett bewusst, dass der Weg hin zu einer regionalen Holzverarbeitung schwierig ist: «Die Geschichte mit dem Sägewerk in Domat/Ems ist sicher noch in vielen Köpfen.» Dennoch glaubt Florinett, dass die Zeit reif wäre, eine moderne Holzverarbeitung im Kanton aufzubauen und die Wertschöpfung nicht mehr einfach auszulagern. «Mittelfristig müssen wir unbedingt wieder Sägereien haben in Graubünden.» Auf diese Weise könnte man mit den ausländischen Preisen sicher konkurrieren. «Der Lohn ist dann nicht mehr der grosse Kostentreiber.»

Ausserdem müsse auch ein Waldbesitzer von seinem Geschäft profitieren können, so Florinett. Nur wenn ein Waldbesitzer mit dem Wissen Holz schlagen könne, dass ihm schliesslich etwas bleibe, könne die Nachfrage gedeckt werden. «Es ist wichtig, dass das Holz dort verarbeitet wird, wo es wächst.»

Die gestiegene Nachfrage nach Holz hat auch Folgen für die Verbraucher, wie Florinett weiss. «Man muss sich auf hohe Preise von Schnittwaren und Halbfabrikate sowie lange Wartezeiten einstellen.» Wurden bislang Halbfabrikate binnen Wochenfrist geliefert, sei nun bereits von zwei bis drei Monaten die Rede. Deshalb würden auch die Kunden letztendlich davon profitieren, wenn das Holz dort verarbeitet würde, wo es wachse. «Dadurch wird man weniger abhängig von grosswirtschaftlichen Trends.» Gerade die Coronakrise habe gezeigt, dass sich diesbezüglich etwas ändern müsse, meint Florinett. «Wir handeln lieber, anstatt etwas selbst herzustellen.»

Corona beeinflusst Entwicklung

Für Dirk Niepelt, Professor für Makroökonomie an der Universität Bern, hängt der Immobilienboom und der damit verbundene Anstieg des Holzpreises auch mit der Coronapandemie zusammen, wie er gegenüber Radio Südostschweiz erklärte. «Die Nachfrage von vielen Konsumenten hat sich Richtung Wohnen verschoben.» Dies vor allem aufgrund der Tatsache, dass der Wohnraum während der Pandemie auch als Arbeitsplatz genutzt werde. «Weil das Angebot mit der steigenden Nachfrage nicht mithalten kann, sind die Preise gestiegen.»

Überraschend ist die Entwicklung deshalb nicht, wie Niepelt ergänzt. Für andere Dinge wie beispielsweise Ferien habe das Geld nicht mehr ausgegeben werden können. «Die steigende Nachfrage ist also durch die Pandemie bedingt und steht nicht im Gegensatz dazu.» Auch die Konjunkturprogramme in den USA hätten zu einer höheren Nachfrage geführt.

Ein weiterer Effekt, welcher dieses Phänomen verstärkt, ist die Inflation. Diese werde insbesondere in den USA in den nächsten Monaten, wenn nicht sogar Jahren, höher sein, meint Niepelt. «Gleichzeitig wird die Geldpolitik versuchen, die Nominalzinsen tief zu halten.» Auf kurze Sicht erwartet Niepelt jedenfalls kein Ende des Booms: «Es wird einige Zeit dauern, bis das Angebot mit der Nachfrage mithalten kann.» (sot)

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