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Schweizerischer Nationalpark bereitet Beschwerde gegen Kanton vor

Der Schweizerische Nationalpark findet, dass die Verfügung vom Kanton zur Sanierung des Spöls ungenügend ist. Er bereitet eine Beschwerde vor. Was ist passiert?

Südostschweiz
19.03.21 - 10:17 Uhr
Leben & Freizeit
Der Spöl müsste saniert werden. Gegen die Sanierungsverfügung des Bundes wird aber von zwei Seiten rechtlich vorgegangen.
Der Spöl müsste saniert werden. Gegen die Sanierungsverfügung des Bundes wird aber von zwei Seiten rechtlich vorgegangen.
OLIVIA AEBLI-ITEM

Der Fluss Spöl oberhalb von Zernez ist verunreinigt. Im Herbst 2016 sind bei Revisionsarbeiten in der Staumauer Punt da Fall der Engadiner Kraftwerke AG (EKW) PCB-Partikel in den Fluss gelangt. Mehr als vier Jahre später hat das Amt für Natur und Umwelt (ANU) im vergangenen Februar eine Verfügung betreffend der Sanierung des Spöls erlassen. Der Schweizerische Nationalpark (SNP) erachtet diese als ungenügend und bereitet nun eine Beschwerde vor, wie es in einer Mitteilung heisst. Und auch die EKW wollen rechtlich gegen die Verfügung vorgehen, wie sie am Donnerstag mitgeteilt hatten.

Das ist passiert

Beginnen wir ganz am Anfang: Ab 2015 fanden an der Staumauer Punt da Fall Revisionsarbeiten statt. Im Rahmen dieser Arbeiten wurden alte, PCB-haltige Korrosionsschutz-Anstriche mithilfe von Sandstrahlgeräten abgetragen. PCB sind künstlich hergestellte Moleküle, die schwer abbaubar sind. Für Menschen und Tiere sind sie chronisch hochgiftig. Bei den Revisionsarbeiten entstand Strahlschutt, welcher in der Nacht vom 21. auf den 22. September 2016 aufgrund von starken Winden im Inneren der Staumauer in den Spöl transportiert wurde.

Nachdem die EKW dem Kanton Graubünden das Schadenereignis im Oktober 2016 mitgeteilt und Anzeige erstattet hatten, führte das Bündner Amt für Natur und Umwelt Untersuchungen durch, um den PCB-Gehalt im Wasser des Spöl, im Sediment sowie in Fischen und Wasserpflanzen zu bestimmen.

Zu Beginn des Jahres 2017 wurde ausserdem eine Taskforce mit verschiedenen Institutionen ins Leben gerufen, die von der Gewässervergiftung betroffen sind. Das sind unter anderem der SNP, die EKW und das ANU. Im gleichen Jahr wurde dann der am stärksten verschmutzte Teil gereinigt.

Ein toter Uhu und erfolglose Gespräche

Im September 2020 sorgte dann der Fund eines toten Uhu-Weibchens im Spötal rund einen Kilometer unterhalb der Staumauer Punt dal Gall für Aufruhr. Das Tier war stark abgemagert und wies einen gebrochenen linken Flügel aus. Die Organe und Fettproben des Uhu-Weibchens wurden von der Eidgenössischen Material-Prüfungsanstalt untersucht. Bei den Analysen kam heraus, dass das Tier eine enorme PCB-Belastung aufwies. Solch hohe Konzentrationen seien für Menschen und Tier krebserregend, schädigten die Fortpflanzung, den Hormonhaushalt, die Knochenbildung sowie das Blut und führten zu chronischen und tödlichen Vergiftungen, hiess es.

In den vergangenen Jahren fanden zudem immer wieder Gespräche zwischen den involvierten Institutionen statt. Erfolglos. Das ANU erliess schliesslich im Februar 2021 eine Verfügung, in der vor allem die EKW in die Pflicht genommen werden. Diese Verfügung sieht eine Sanierung der ersten 2,75 Kilometer des Flusses vor. Die EKW und der SNP sind mit dieser Verfügung nicht zufrieden, womit wir bei der aktuellen Situation angelangt sind.

SNP verlangt Sanierung der gesamten Fläche

Auf der Seite des SNP heisst es jetzt, dass die PCB-Belastung des gefundenen Uhus zeige, dass bereits die ganze Nahrungskette im Spöltal stark betroffen sei und daher nur eine Sanierung der gesamten Fliesstrecke Abhilfe schaffen könne.

In seiner Beschwerde beantragt der SNP folgende Punkte:

  • eine vollständige Entfernung des hochtoxischen PCB in allen fünf Abschnitten des Oberen Spöl von der Staumauer Punt dal Gall bis zum Praspöl (5,75 km Gewässerstrecke)
  • die sofortige PCB-Sanierung des Druckstollens vom Lago di Livigno bis zum Ausgleichsbecken Ova Spin
  • angemessenen Ersatz, falls der Nationalpark wider Erwarten aus technischen Gründen nicht wiederhergestellt werden kann

Zur Situation äussert sich auch Heidi Hanselmann, Präsidentin der Eidgenöisschen Nationalparkkommission. Diese Kommission soll den Nationalpark vor schädlichen menschlichen Einflüssen schützen. «Es hilft nur ein rascher Quellenstopp, das heisst, die radikale Entfernung und umweltverträgliche Entsorgung der PCB-haltigen Sedimente», wird Hanselmann in der Mitteilung zitiert. Ausserdem müsse das Problem mit dem Druckstollen gelöst werden. Mit jedem Tag, an dem das PCB weiter im Spöl und im Staubecken Ova Spin verbleibe, kontaminiere es das Wasser und vergifte die im und am Wasser lebenden Tiere im SNP, insbesondere die Prädatoren. «Zudem gelangt das PCB in tiefergelegene Gebiete und damit in die Nähe der Menschen», so Hanselmann.

Der Kanton müsse nun nötige Abklärungen treffen. Auch fordert die Nationalparkkommission den Kanton auf, die Sanierung durch die EKW unverzüglich anzuordnen, auch wenn sich die EKW juristisch dagegen wehre.

Zuletzt äusserte sich auch der Bundesrat erstmals zum Fall:, 

EKW wollen, dass die Kosten verteilt werden

Und von Seiten der EKW heisst es aktuell, die Verfügung sei in Teilen gesetzeswidrig. Die Sanierungs- und Kostentragungspflicht werde allein der EKW auferlegt. Dies, obwohl gegen die am Schaden beteiligte Korrosionsschutzfirma ein Strafverfahren hängig sei. «Ferner gibt es nachweislich weitere Verursacher für die PCB-Belastungen im Spöl», schreiben die EKW. In seiner Beschwerde verlangt das Unternehmen, dass die Kosten auf die verschiedenen Verursacher verteilt werden. Auch zum Sanierungsumfang gebe es noch Klärungsbedarf.

Mehr zur Einsprache der EKW:

(fh) / (paa)

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