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«Treppensteigen ist gesund, vor allem mit dem Violoncello»

Anita Jehli ist eine bekannte Cellistin, die in Zürich lebt. Die halbe Glarnerin und halbe Bündnerin weiss auch als Dirigentin das internationale Publikum zu begeistern.

Südostschweiz
12.02.14 - 01:00 Uhr

Von Assunta Chiarella

Glarus/Zürich. – Sie ist die «Momo» der Musik. Mit ihren grossen brau- nen Augen und dem pechschwarzen, wuscheligen Haarschopf wirkt Anita Jehli wie die erwachsen gewordene Hauptfigur in der Geschichte von Michael Ende. Während das Mädchen «Momo» den Menschen die gestohlene Zeit zurückbringt, schenkt ihnen Cellistin Anita Jehli Zeit und Musse für Musik.

Die engagierte Leiterin verschiedener Musikkurse für Kinder, Jugendliche und Erwachsene in der Villa Jolimont in Erlach im Bieler Seeland ist zugleich Schulleiterin an der Bündner Musikschule in Domat/Ems/Felsberg: «Es ist mir ein grosses persönliches Anliegen, meine Erfahrungen und meine Begeisterung für Musik mit Kindern teilen zu können», sagt die 47-Jährige.

Ihr sei die Musik sozusagen in die Wiege gelegt worden, was nicht für jedes Kind selbstverständlich sei: «Ich kannte schon in meiner frühen Kindheit sämtliche wichtigen Chorwerke wie Verdis Requiem oder Schuberts Messen.»

Das Fundament muss stimmen

Ihr Vater, ein Bündner, spielt heute noch Geige, und ihre Mutter – eine Glarnerin – lernte als Kind notgedrungen Handorgel, denn: «Meine Mutter hätte lieber Klavier gespielt. Doch damals gab es in ihrem Wohnort Diesbach keine anderen Möglichkeiten», erinnert sich Jehli. So trat ihre Mutter dem Glarner Kammerchor bei und machte ihre Tochter mit berühmten Chorwerken bekannt, welche in den Siebzigern noch auf Schallplatten gehört wurden.

Seit ihren Studienjahren lebt Jehli in Zürich. Heute wohnt die gelernte Cellistin und Dirigentin im Herzen der Altstadt zuoberst in einem fünfstöckigen Haus: «Treppensteigen ist gesund», sagt Jehli. «Vor allem mit dem Cello auf dem Rücken», fügt sie lachend an. Ein kleines Dachzimmer dient als Arbeitszimmer. Neben ihrem Stuhl steht das Cello. Bevor sie einige Kostproben gibt, erklärt sie die Tonalitäten: «Es gibt Leute, die hohe Töne lieben und andere, die tiefe Töne lieben. Ich mag lieber tiefe Tonlagen. Das hängt auch mit der Funktion als Musikerin zusammen.»

Tiefe Instrumente würden das Fundament legen. Auch bei der Kammermusik und im Musikensemble «Pyramide», das sie vor Jahren mit Freunden gegründet hat: «Dort befinde ich mich mit dem Cello zuunterst, und die andern bauen mit ihren Instrumenten auf mir auf. Wenn das Fundament nicht stimmt, kann nichts Stabiles entstehen», erklärt Jehli.

Perfektionistin mit Herzblut

Anita Jehli absolvierte ihre Ausbildung im Fach Violoncello an der Musikhochschule Zürich bei Markus Stocker und Claude Starck und schloss mit dem Konzertdiplom mit Auszeichnung ab. Jehli erinnert sich gerne an Starck zurück, einen ihrer prägenden Lehrer: «Claude Starck lehrte mich, die Musik zu hinterfragen und selbstständig zu denken. Das war für mich die Initialzündung.» Denn selbst wenn in der Musik alles von der Struktur her gegeben sei, müsse man «herausfinden und suchen», betont die leidenschaftliche Cellistin.

Das erkläre auch ihre jugendliche Begeisterung, die stets nach Perfek- tion strebe: «Ja, wenn ich Solo spiele, bin ich eine Perfektionistin.» Aber sobald sie mit anderen Musikern gemeinsam übe, versuche sie stets einen Mittelweg zu finden, denn gemeinsames Musizieren bedeute auch, sich gegenseitig inspirieren zu lassen.

Erfolgreich und preisgekrönt

Die erfahrene Cellistin ist seit einigen Jahren auch gelernte Dirigentin. Trotzdem: «Meine Heimat ist das Violoncello. Dort versuche ich, die Musik auf meinem Instrument möglichst perfekt umzusetzen», sagt Jehli. Beim Dirigieren ist ihr die musikalische Gestaltung das wichtigste Anliegen: «Da will ich genau vermitteln, wo sich die Noten hinbewegen sollen.» Was jedoch die Umsetzung der Intonation und Reinheit betreffe, insbesondere bei der Arbeit mit Amateurorchestern, gelte es, ab und zu Grosszügigkeit walten zu lassen. «Aber wänn langwilig gspilt wird, chum ich Vögel über» gesteht die Perfektionistin schmunzelnd.

Die bekannte Cellistin ist Gewin-nerin des Kiwanis-Musikpreises, des Kammermusikpreises des Migros-Genossenschaftsbundes sowie des Koeckert-Preises der Musikhochschule Zürich.

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