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Ärgernis Baulärm: Mietzinsreduktion ist möglich, aber letztlich Ermessenssache

Bauarbeiten in der Nachbarschaft können sehr belastend sein. Deshalb haben betroffene Mieterinnen und Mieter je nach Situation Anspruch auf eine Mietzinsherabsetzung. Vor allzu hohen Erwartungen sei allerdings gewarnt, oftmals relativieren die Schlichtungsbehörden verlangte Reduktionen oder lehnen diese ganz ab.

Wohnen
Südostschweiz
15.05.17 - 13:25 Uhr
Wohnen
Übermässige Beeinträchtigungen durch eine nahe gelegene Baustelle können Ansprüche auf eine Mietzinsreduktion wecken.
Bild Archiv SO

Ruedi Spöndlin / Rechtsberater beim Mieterinnen- und  Mieterverband Deutschschweiz

Mietzinsherabsetzungen können bei frühzeitiger Mitteilung an den Vermieter auch rückwirkend verlangt werden.

Dafür sei doch nicht er verantwortlich, erklärt der Vermieter den Mietern der Liegenschaft an der Ringstrasse 15. Diese haben nämlich von ihm eine Mietzinsherabsetzung verlangt. Grund dafür: In ihrer unmittelbaren Nachbarschaft wird ein neues Shoppingcenter gebaut. Den ganzen Tag ist das Brummen schwerer Baumaschinen zu hören, der Boden vibriert. Zudem donnert alle zehn Minuten ein schwerer Lastwagen durch die Ringstrasse.
Richtig ist, dass nicht der Vermieter den Neubau erstellen lässt. Trotzdem ist er der rechtliche Ansprechpartner seiner Mieter. Sofern diese übermässig beeinträchtigt sind, muss er ihnen eine Mietzinsherabsetzung gewähren.

Verursacher ins Verfahren einbeziehen
Gemäss Rechtssprechung des Bundesgerichts kann der besagte Vermieter die gewährte Herabsetzung von derjenigen Firma zurückfordern, die den Bau des neuen Einkaufzentrums errichten lässt. Diese könnte ihm allerdings entgegenhalten, er habe den Mietzins ohne Grund zu stark herabgesetzt. Ein vorsichtiger Vermieter wird deshalb die Mietzinsherabsetzung in einem solchen Fall nicht von sich aus gewähren, sondern abwarten, bis die Mieter ein Schlichtungsverfahren einleiten. Dann kann er beantragen, dass auch der Eigentümer des Baugrundstücks ins Verfahren einbezogen wird. Streitverkündung nennt sich das in der Gesetzessprache.

Herabsetzung ist Ermessenssache
Allzu hohe Erwartungen sind allerdings fehl am Platz, wenn in der Umgebung gebaut wird. Schlichtungsbehörden und Gerichte gewähren nur bei massiven Beeinträchtigungen eine Mietzinsherabsetzung. Wird die Strasse aufgerissen oder in der Umgebung ein Haus renoviert, lehnen diese den Anspruch in der Regel ab. Denn damit muss man überall rechnen. Bei Bauarbeiten in einem angebauten Nachbarhaus ist eine Reduktion hingegen möglich.
Ob eine Herabsetzung des Mietzinses gewährt wird und wie viel diese ausmacht, ist letztlich Ermessenssache. In Einzelfällen wurden wegen Bauarbeiten in der Nachbarschaft schon Herabsetzungen von 20 bis 35 Prozent zugesprochen. Im Normalfall gibt es aber höchstens zehn Prozent. Beim Mieterverband existiert eine Sammlung von Beispielen aus der Rechtssprechung, die zeigt, wie viel Mietzinsermässigung vor Gericht schon gewährt wurde. Daran kann man sich orientieren. In Stein gemeisselt sind diese Ansätze allerdings nicht, jeder Einzelfall wird neu beurteilt.

Den Vermieter informieren
Eine Mietzinsherabsetzung können Mieter auch rückwirkend verlangen, der Anspruch verjährt erst nach fünf Jahren. Reduziert wird allerdings nur der Mietzins ab dem Zeitpunkt, in welchem der Vermieter von der Beeinträchtigung erfahren hat. Deshalb ist es wichtig, ihn so rasch wie möglich mit eingeschriebenem Brief über den Beginn der Bauarbeiten zu informieren. Zudem empfiehlt es sich, den Verlauf der Bauarbeiten in einem Protokoll festzuhalten und hin und wieder ein Foto von der Baustelle zu schiessen.

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