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Musiktherapie fördert die Gehirnentwicklung von Frühgeborenen

Dass Musiktherapie die Gehirnentwicklung von Frühgeborenen fördert, war aus der Praxis bekannt. Das Universitätsspital Zürich hat nun zusammen mit dem Universitäts-Kinderspital dank einem schonenden Magnetresonanz-Verfahren erforscht, wie das genau vor sich geht.

Agentur
sda
13.08.20 - 14:05 Uhr
Wirtschaft
Dr. rer. medic. Friederike Haslbeck, Klinik für Neonatologie Zürich, bei der Musiktherapie mit dem Monochord. Die Auswirkungen der Kreativen Musiktherapie auf die Hirnentwicklung von Frühchen konnten definitiv nachgewiesen und aufgezeichnet werden. …
Dr. rer. medic. Friederike Haslbeck, Klinik für Neonatologie Zürich, bei der Musiktherapie mit dem Monochord. Die Auswirkungen der Kreativen Musiktherapie auf die Hirnentwicklung von Frühchen konnten definitiv nachgewiesen und aufgezeichnet werden. …
UZH

Die unausgereiften Gehirne von zu früh geborenen Kindern sind anfällig für bleibende neurologische Schäden. Kognitive und psychische Beeinträchtigungen, Verhaltens- und Bewegungsstörungen können sich bis ins Erwachsenenalter fortsetzen. Auch der durch Geräusche und Licht im Klinikalltag ausgelöste Stress wirkt sich schädigend auf Frühchen aus. Ebenso die Abwesenheit des mütterlichen Herzschlags und der Geborgenheit im Uterus.

Studien an Mensch und Tier haben gezeigt, wie wohltuend und heilend Kreative Musiktherapie (creative music therapy, CMT) auf Frühgeborene wirkt. Dabei nehmen speziell ausgebildete Therapeutinnen das Atemmuster und physische Anzeichen etwa von Schmerz oder Unruhe der Kinder auf und unterstützen die Kinder durch Singen und Summen im Wiegenliederstil dabei, sich selber zu regulieren.

Die Methode wird auch Eltern beigebracht und beruhigt auch sie, was sich wiederum positiv aufs Kind auswirkt. Die Entspannung von Erwachsenen und Säuglingen unter dem Eindruck der Musik lässt sich an der Atemfrequenz, den Gesten oder am Gesichtsausdruck ablesen. Ob sich die CMT auch nachweislich kurz- und mittelfristig positiv auf die neuronale Entwicklung und bestimmte Hirnregionen auswirkt, war bisher jedoch nicht untersucht worden.

Das Unispital holte das nun nach und entdeckte Erstaunliches: Die Reizübermittlung im Hirn beschleunigt sich, die funktionalen Netzwerke werden verstärkt und die verschiedenen Hirnregionen kommunizieren besser.

Nachgewiesen wurde das mittels Diffusionsgewichteter Magnetresonanztomografie (DTI). Das Verfahren wird nichtinvasiv und ohne Strahlenbelastung zur Untersuchung des Gehirns eingesetzt. Es liefert scheibchenweise Aufnahmen und erlaubt Rückschlüsse auf den Verlauf der grossen Nervenfaserbündel.

Gegen den Krach, den das Gerät verursacht, wurde den Kleinen Ohrschütze angelegt. Ausserdem wurden sie während ihres natürlichen Schlafs gescannt unter ständiger Überprüfung von Herzfrequenz und Sauerstoffsättigung des Bluts. «Kein Kind zeigte negative Auswirkungen der Untersuchung».

Frühchen mit Musik nachweislich im Vorteil

82 Frühchen nahmen an der Studie teil. Die Hälfte der Kinder erhielt zusätzlich zur üblichen Therapie zwei- bis dreimal wöchentlich Musiktherapie während etwa 20 Minuten, jedes Kind nach einem individuell erstellten Therapieplan. Die Aufenthaltsdauer der Kinder im Spital betrug drei bis zehn Wochen, die Zahl der Therapieeinheiten acht bis dreissig.

«Bei den Kindern mit Musiktherapie stellten wir jedoch eine signifikant geringere Verzögerung in den Funktionsprozessen zwischen Thalamus und Hirnrinde, stärkere funktionale Netzwerke und ein verbessertes Zusammenspiel verschiedener Hirnregionen, unter anderem in den für die Motorik und Sprache relevanten Bereichen fest», fasst Friederike Haslbeck die Ergebnisse zusammen.

«Damit konnten wir zum ersten Mal auch mit Bildgebung einen positiven und damit schützenden Effekt der Musiktherapie auf die Hirnentwicklung nachweisen.» In einer gross angelegten Folgestudie in mehreren Neonatologien der Schweiz will Friederike Haslbeck nun untersuchen, ob sich die Musiktherapie auch längerfristig positiv auf die Entwicklung der frühgeborenen Kinder auswirkt.

*Fachartikellink DOI: 10.1016/j.nicl.2020.102171

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