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Der Neue

Seit 1. Juli ist Thomas Kundert CEO von Somedia. In diesen hundert Tagen kann er mit der Neulancierung der «Linth-Zeitung» einen Erfolg verbuchen. Bei einem Zmorgä zieht er Zwischenbilanz und verrät, warum er die Firma nie verliess.

Linth-Zeitung
05.10.18 - 04:30 Uhr
Wirtschaft
Flüssige Energie: «Das erste Red Bull trinke ich um 8.30 Uhr», sagt Thomas Kundert, CEO von Somedia.
Flüssige Energie: «Das erste Red Bull trinke ich um 8.30 Uhr», sagt Thomas Kundert, CEO von Somedia.
THEO GSTÖHL

von Denise Erni

Bevor Thomas Kundert auf die Terrasse im Medienhaus in Chur geht, macht er noch einen kleinen Umweg zum Getränkeautomaten. Denn der 37-Jährige trinkt keinen Kaffee zum Zmorgä, sondern Energydrink. «Und er muss kalt sein», sagt er, bevor er die Dose eines bekannten österreichischen Herstellers auf den Tisch stellt. Dann nimmt Kundert auf dem Lounge-Sessel auf der Terrasse Platz.

Am 1. Juli hat Kundert offiziell die Nachfolge von Andrea Masüger als CEO von Somedia angetreten. Nun ist er also gut hundert Tage im Amt. Zeit, mit dem Glarner Zwischenbilanz zu ziehen. Angekommen in seiner Rolle als CEO sei er «noch nicht zu hundert Prozent», sagt er. «Auch, weil ich noch die Gesamtverantwortung für den Werbe- und Nutzermarkt trage und so noch etwas mehr mit der alten Aufgabe verbunden bin.» Kundert hat das, was er bis Ende Juni machte, noch nicht komplett aufgegeben, wird es aber Schritt für Schritt abgeben. Sein Büro aber, das hat er vom Erdgeschoss ins Attikageschoss gezügelt.

Herr Kundert, sind Sie hier oben angekommen?
Ja, hier oben bin ich angekommen (schmunzelt). Aber ich kann Ihnen nicht sagen, wo es mir besser gefallen hat. Einerseits ist man hier oben sehr schnell auf der Terrasse und trifft Mitarbeitende, andererseits muss man aber auch aufpassen, dass man sich nicht zu sehr abschirmt und vor lauter Sitzungen gar nicht mehr aus dem Büro kommt. Auf allen anderen Etagen sind die Arbeitsplätze offen, nur hier oben hat es kleinere Büros. Und so kommt es öfters vor, dass man die Türe schliesst, arbeitet und dabei die Zeit vergisst. Es gibt Tage, da komme ich kaum dazu, durchs Haus zu gehen. Darum nutze ich die Möglichkeit, wenn auf einer anderen Etage eine Sitzung ansteht, zu den Mitarbeitenden zu gehen.

Oder zum Getränkeautomaten … Während andere Menschen Kaffee oder Tee zum Frühstück nehmen, trinken Sie Red Bull. Woher kommts?
(Schmunzelt). Ich fing in der Lehre damit an, und seither ist das so. Das erste Red Bull trinke ich meistens um 8.30 Uhr hier im Medienhaus. Es gibt mir einen Kick und ist inzwischen auch zu einer Sucht geworden, das gebe ich zu. Aber ich habe keine anderen Laster, rauche nicht und trinke nicht viel Alkohol.

Hat sich Ihr Red-Bull-Konsum gesteigert, seit Sie CEO sind?
Nein, er ist gleich geblieben. Ich trinke im Schnitt zwischen zwei und drei Dosen am Tag. Mittags gibts die zweite und allenfalls am späteren Nachmittag die dritte.

Kundert blickt auf ein erfolgreiches erstes Quartal zurück. Denn just in diese Zeit fällt die Neulancierung der «Linth-Zeitung», welche letzten Montag zum ersten Mal erschienen ist. Sie ist aus der «Zürichsee Zeitung», Ausgabe Obersee, und der «Südostschweiz», Ausgabe Gaster & See, hervorgegangen. Die Zeitung ist ein Joint Venture zwischen den beiden Verlagshäusern Somedia und Tamedia, wobei Somedia einen Anteil von 51 Prozent hält – Tamedia gehören 49 Prozent.

Mit der Lancierung der «Linth-Zeitung» können Sie eine erfreuliche Zwischenbilanz ziehen.
Das stimmt, wir haben mit der «Linth-Zeitung» einen grossen Durchbruch geschafft. Aber die Verhandlungen mit Tamedia zogen sich drei Jahre hin, und vor allem die letzten zwölf Monate waren etwas langwierig. Deshalb wollten wir jetzt unbedingt starten. Dass dies in meinen ersten hundert Tagen geglückt ist, ist natürlich sehr erfreulich. Andere Themen, mit denen ich mich gerne in den ersten drei Monaten intensiver beschäftigt hätte, mussten dafür warten. Das heisst, ich bin noch nicht dort, wo ich am ersten Tag hätte sein wollen. Das war aber auch dadurch bedingt, weil dieser Durchbruch mit der «Linth-Zeitung» ganz plötzlich gelang und wir ihn dann umsetzen mussten.

Mussten Sie als CEO durch die Fusion der Redaktionen auch Kündigungen aussprechen?
Nein, dank vorausschauender Planung konnten wir in sämtlichen betroffenen Abteilungen Entlassungen vermeiden.

Was stand denn auf Ihrer Agenda?
Anfang Juli begannen wir mit der Umsetzung eines Strategieprozesses, und da wäre ich nach hundert Tagen gerne weiter. Zudem hatte ich mir vorgenommen, in allen Bereichen – ausser dem Werbe- und Abomarkt, wo ich 21 Jahre tätig war – vorbeizuschauen und etwas Zeit zu verbringen. Ich möchte erfahren, was die Sorgen der Mitarbeitenden sind, aber auch, welche Ideen sie haben. Denn ich glaube, in diesem Unternehmen sind ganz viele Ideen vorhanden, und diese brauchen wir.

Kundert ist ein Somedia-«Kind». Seine kaufmännische Ausbildung machte er bei der damaligen Grischannoncen AG in Glarus. Nach Ende seiner Lehre war er als Projektmitarbeiter, Technischer Koordinator und Anzeigenleiter bei der damaligen Jugendzeitung «haifaif» tätig. Bis 2006 blieb Kundert bei Somedia in Glarus in verschiedenen Funktionen tätig. Dann wechselte er nach Chur, wo er die Leitung des Werbemarktes übernahm. Kurz darauf wurde er stellvertretender Geschäftsführer der damaligen Südostschweiz Publicitas und kurze Zeit später zum Geschäftsführer ernannt. Weiter kam dann noch die Leitung des Nutzermarktes hinzu. 2013 nahm er Einsitz in der Unternehmensleitung von Somedia und wurde 2017 zum Stellvertreter des damaligen CEO Andrea Masüger.

Sie sind seit über 20 Jahren bei Somedia. Hatten Sie nie Lust, den Betrieb einmal zu wechseln?
Doch, um 2004 und 2005, als ich noch in Glarus arbeitete, habe ich mich konkret nach etwas anderem umgesehen, und ich hatte auch das eine oder andere Angebot. Aber entweder hatte ich den Mut nicht, weil es aus meiner Sicht ein zu grosser Schritt gewesen wäre, oder das Angebot reizte mich zu wenig. Es passte einfach nie zu hundert Prozent. 2006, als das Angebot von Chur kam, sagte ich mir: Entweder jetzt oder nie – sonst bist du zu feige und machst diesen Schritt nie weg aus Glarus. In Chur wurde mir dann relativ schnell viel Verantwortung übertragen.

Jetzt ist es noch mehr geworden. Der Schritt, CEO von Somedia zu werden, ist auch sehr gross …
Ich habe nie darauf aspiriert, einmal CEO von Somedia zu werden. Zum ersten Mal musste ich mich mit diesem Thema auseinandersetzen, als ich die Stellvertretung von Andrea Masüger übernahm. Dort merkte ich, dass dies irgendwann einmal zum Thema werden könnte. Auch weil Andrea Masüger sagte, er würde diesen Job nicht bis 65 ausüben. Als dann vor gut elf Monaten die Anfrage kam, bat ich um Bedenkzeit.

Warum? So eine Karrierechance kommt ja nicht alle Tage.
Ich bin ein Mensch, der in Fünf-Jahres-Schritten denkt. Ich fragte mich, ob ich mich fünf Jahre auf diesen Posten einlassen könne. Will ich das? Ich überlegte einige Nächte und führte auch Gespräche mit meinem Umfeld. Ich kam zum Schluss, dass ich diese Chance packen möchte. Mit diesem Team, dieser Unternehmungsleitung und den Produkten haben wir eine Zukunft. Hier lässt sich etwas bewegen, wenn wir Gas geben.

Tempo in die Firma zu bringen, gehört zu einem Ihrer Ziele.
Wir sind uns von der Geschichte her kein hohes Tempo gewohnt, das ist auch etwas eine Verlagskrankheit. Wir brauchen für viele Entscheidungen sehr lange. Ich möchte in einem höher getakteten Tempo Dinge ausprobieren, Entscheide fällen und vorwärtsmachen. Denn die Welt um uns dreht sich viel schneller. Wir sollten uns auch einmal erlauben zu scheitern, obwohl das der Schweizer überhaupt nicht gerne tut. Das unterscheidet uns ja vom Silicon Valley: Wenn wir zehn Ideen haben, müssen alle funktionieren, sonst sind wir Loser. In den USA hingegen muss eine von zehn Ideen funktionieren, und dann sind sie die grossen Helden. Wir sollten es hinbekommen, dass uns dies nicht jahrelang vorgeworfen wird, wenn etwas nicht funktioniert. Das ist noch etwas zu fest in der DNA des Unternehmens verankert.

Wie oft steht Verleger Hanspeter Lebrument, dessen Büro sich gegenüber dem Ihrigen befindet, in Ihrem Büro und erkundigt sich nach diesem Tempo?
Es ist ein sehr intensiver Kontakt, und der Verleger ist sehr interessiert, was in seinem Unternehmen läuft. Hanspeter Lebrument möchte wissen, was wir entscheiden, und wir achten darauf, dass er gut informiert ist. Das ist auch wichtig und richtig, denn als Inhaber und Verwaltungsratspräsident darf er das auch wissen.

Mit 37 Jahren gehört Kundert zu den jüngsten CEOs der Schweiz. Aufgewachsen ist er mit einem zwei Jahre jüngeren Bruder im glarnerischen Näfels. Heute lebt er mit seiner Partnerin am Walensee. Neben seinem Amt als CEO doziert Kundert noch an der MKS in Sargans, wo er sein Wissen in der Erwachsenenbildung weitergibt.

Sie sind sehr jung sehr weit oben angekommen. Das birgt auch eine gewisse Gefahr …
Dessen bin ich mir absolut bewusst, ja. Und egal, ob es in diesem oder auch in einem anderen Unternehmen wäre, ich könnte auch sehr gut einen anderen Job mit weniger Verantwortung ausüben. Es geht mir nicht um die hierarchische Position oder Macht, sondern mehr um die Aufgabe. Ich könnte mir durchaus vorstellen, irgendwann auch einmal etwas ganz anderes zu machen. Der nächste Job muss kein CEO-Posten sein. Aber im Moment gefällt mir die Aufgabe und die Herausforderung, die sie mit sich bringt, sehr.

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