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«Mit Dampf steigern wir die Effizienz»

Power-to-Gas-Anlagen effizienter machen: Dieses Ziel hat sich das Institut für Energietechnik der Hochschule für Technik Rapperswil gesetzt. Institutsleiter Markus Friedl erklärt, wie die verbesserten Anlagen einen substanziellen Beitrag zur Energiestrategie 2050 leisten könnten.

Linth-Zeitung
04.10.18 - 04:30 Uhr
Wirtschaft

mit Markus Friedl sprach Eva Pfirter


Die Hochschule für Technik Rapperswil (HSR) weiht heute eine Forschungsanlage ein, die den Wirkungsgrad der sogenannten Power-to-Gas-Technologie erhöhen soll. Statt der bisher üblichen 50 Prozent wollen die Wissenschafter um Markus Friedl einen Wirkungsgrad von 70 Prozent erreichen. Mit diesen effizienteren Anlagen soll die Energiewende in greifbare Nähe rücken.


Herr Friedl, wie funktioniert eine Power-to-Gas-Anlage?
Markus Friedl: Eine Power-to-Gas-Anlage nutzt überschüssigen erneuerbaren Strom, um Gas zu produzieren. Dieses Gas kann Wasserstoff oder Methan sein.


Wie etabliert ist diese Technologie bisher?
In der Schweiz wird derzeit in Solothurn die erste grosse Anlage gebaut, die Methan produziert. Im nächsten Jahr kommt in Dietikon eine noch grössere hinzu. Die Energiewirtschaft hat erkannt, dass diese Technologie wichtig ist, um den überschüssigen Strom im Sommer speichern zu können. Diese Energie können wir dann im Winter nutzen.

«Wir sollten zu jedem Zeitpunkt gleich viel erneuerbare elektrische Leistung produzieren, wie wir verbrauchen.»


Was möchten Sie an der HSR an die-ser Anlage erforschen?
Ziel ist es, einen höheren Wirkungsgrad zu erzielen. Aktuell liegt dieser bei 50 Prozent, das heisst: Der Brennwert des produzierten Methans enthält 50 Prozent der insgesamt verwendeten Elektrizität. Wir möchten erreichen, dass man immerhin 70 Prozent in Methan überführen kann.


Weshalb geht diese Energie denn verloren?
Diese verlorenen 50 Prozent Energie sind Abwärme. In unserer Anlage an der HSR wollen wir mit dieser Abwärme Dampf erzeugen. Dieser wird mit einem neuartigen Elektrolyseur in Sauerstoff und Wasser aufgespalten. Dadurch soll sich der Wirkungsgrad der Anlage insgesamt erhöhen.


Ist dies ein neuer Ansatz?
In Europa gibt es andere Hochschulen und Firmen, die in ihren Power-to-Gas-Anlagen Versuche mit Hochtemperatur-Elektrolyseuren gemacht haben.  


Wie sieht dieser genau aus?  
Wir verwenden ein Thermoöl, um die Abwärme zu nutzen und Dampf zu erzeugen. Dadurch soll der Prozess das erste Mal im Langzeitbetrieb möglich sein.

«Wir verwenden ein Thermoöl, um die Abwärme zu nutzen und Dampf zu erzeugen.»


Es wird kritisiert, dass die Wirtschaftlichkeit der Power-to-Gas-Anlagen heute noch nicht hoch genug sei.
Das Problem sind die Produktionskosten für das Methan: Diese werden bestimmt durch die Kosten des verwendeten Stroms. Wenn man Strom aus dem Netz verwendet, kann die Anlage mit den derzeitigen Preisen nicht rentieren. Besser sieht die Bilanz aus, wenn man die Power-to-Gas-Anlage direkt an ein Kraftwerk hängt, wie dies beispielsweise in Dietikon der Fall ist. Dann sind die Herstellungskosten des Methans mit Biogas vergleichbar.


Deshalb ist es sinnvoll, nur dann solche Anlagen laufen zu lassen, wenn es überschüssigen Strom gibt?
Genau. Im letzten Jahr war das in der Schweiz während der Monate April, Mai, Juni und Juli der Fall.

Wie lange soll Ihr Forschungsprojekt dauern?
Das Projekt ist bis Ende 2019 limitiert. Innerhalb dieser Zeit möchten wir die geplante Effizienzsteigerung der Anlage erreichen. Wir möchten das Verfahren aber danach noch weiterentwickeln.


Inwiefern?
Wir möchten auch Flüssigkeiten herstellen, also eine Power-to-Liquid-Anlage entwickeln.


Gibt es das bereits, Power-to-Liquid?
Das Verfahren existiert schon, ist aber noch nicht gut erforscht. Wir planen, in unserer Anlage Dimethylether herzustellen. Diese Flüssigkeit ist interessant, auch, weil sie Diesel ersetzen kann. In der Schweiz gibt es diesbezüglich nur wenig Aktivitäten.


Wie gross ist die Anlage, die Sie heute in Betrieb nehmen?  
Es ist eine relativ kleine Anlage, sie hätte auf einem Badmintonfeld Platz. Ihre Leistung beträgt zehn Kilowatt.


Wie nützlich sind solche Anlagen für die Schweiz hinsichtlich der Energiestrategie 2050?  
Sehr nützlich. Unsere Pumpspeicherwerke eignen sich gut, um überschüssigen Strom für einen Tag zu speichern.  Power-to-Gas-Anlagen erlauben die Speicherung von Energie über mehrere Monate. Generell gilt: Je progressiver das Szenario für die Umsetzung der Energiestrategie 2050, desto mehr kommen Power-to-Gas-Anlagen zum Zug. Oder anders gesagt: Um die Energiestrategie 2050 vollständig umzusetzen, brauchen wir solche Anlagen.


Trotzdem kann auch diese Technologie nicht alle Probleme lösen.
Das stimmt. Einfach gesagt geht es bei der Energiewende unter anderem darum, dass wir zu jedem Zeitpunkt gleich viel erneuerbare elektrische Leistung produzieren, wie wir verbrauchen. Wir müssen so einen nebligen kalten Januar durchstehen können. Dafür brauchen wir grosse Kapazitäten an Fotovoltaik- und Windanlagen. Diese produzieren im Sommer zu viel Strom, der von Power-to-Gas-Anlagen für die Produktion von Gas verwendet wird.


Wie zuversichtlich sind Sie, dass Sie die Effizienzsteigerung der Anlage auf 70 Prozent erreichen?
Wir haben uns mit anderen Forscherteams in Deutschland und Dänemark ausgetauscht. Unser Ansatz mit dem Thermoöl ist in meinen Augen vielversprechend.  

Zur Person
Markus Friedl unterrichtet an der Hochschule für Technik Rapperswil Thermo- und Fluiddynamik im Studiengang Erneuerbare Energien und Umwelttechnik. Zudem führt Friedl eine Gruppe von Experten, mit denen er anwendungsorientierte Forschung und Entwicklung in den Bereichen Thermodynamik, numerische Strömungssimulationen und Po-wer-to-Gas durchführt. Friedl hat an der ETH Zürich Maschinenbau und Verfahrenstechnik studiert und zu Fluiddynamik doktoriert.

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