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Bündner Tierärzte finden keine Nachfolger mehr

Der grosse Frauenanteil, die vermehrte Spezialisierung und der Standort Graubünden seien Gründe dafür, dass Tierarztpraxen keine Nachfolger mehr finden oder zu Gemeinschaftspraxen zusammengeschlossen werden. Dagegen unternommen werden kann nicht viel.

17.08.18 - 04:30 Uhr
Wirtschaft
Ein Hund wird in einer Tierarztpraxis behandelt.
Ein Hund wird in einer Tierarztpraxis behandelt.
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Einer der Hauptgründe dafür, dass private Tierpraxen aufgegeben oder zusammengelegt werden müssen, sei die Feminisierung des Berufs. «Es ist nicht schön das so zu sagen, aber es ist nunmal so», meint Urs Iselin, Präsident der Gesellschaft Bündner Tierärzte. Bis zu 90 Prozent aller neu ausgebildeten Tierärzte seien Frauen. Diese würden sich allerdings lieber Teilzeit anstellen lassen, als die Verantwortung für eine gesamte Praxis übernehmen zu wollen – aus unterschiedlichen wirtschaftlichen oder privaten Gründen.

Spezialisierung und Abgeschiedenheit als weitere Faktoren

Hinzu kommt, dass man sich heute – ähnliche wie in der Humanmedizin – immer mehr spezialisiere. Man sei nicht mehr Allrounder, der sowohl Nutz- als auch Haustiere, von gross bis klein, behandle. Und solche spezialisierten Jobs gebe es in Graubünden kaum, weshalb «das gute Personal» ausbleibe.

Graubünden als Arbeitsort ist in mehreren Berufsfeldern unattraktiv, die Tiermedizin mache hiervon keine Ausnahme.

Nutztierpraxen haben ausgedient

«Wenn Sie eine reine Nutztierpraxis betreiben, können Sie gar nicht mehr existieren», so Iselin weiter. Es seien langfristige Entwicklungen, die sich abgezeichnet hätten. Viele Aufgaben, die früher nur der Tierarzt vollzog, können heute auch von den Bauern selbst übernommen werden. Entsprechende Angebote an Kursen wie beispielsweise Enthornen, Klauenpflege oder Kastrieren würden dies begünstigen.

Kanton kennt das Problem

«Auch wir bekommen es mit, dass Tierärzte zunehmend Mühe haben, Fachpersonal zu finden», sagt der Bündner Kantonstierarzt Rolf Hanimann. Man bedauere dies sehr. Es sei ein grosses Anliegen, die tierärztliche Versorgung flächendeckend und qualitativ hoch zu halten. Die Möglichkeiten, dem Fachkräftemangel entgegen zu wirken, seien allerdings beschränkt.

Arbeit geben statt nehmen

Ursächliche Probleme zu bekämpfen sei kaum möglich, man könne lediglich als beratende und vermittelnde Instanz dienen, so Hanimann. Allerdings werde beim Veterinäramt schon seit mehreren Jahren darauf geachtet, amtliche Aufgaben den unterschiedlichen privaten Praxen zu delegieren, insbesondere auch jenen in den Randregionen.

Verband bietet Hilfe an

Ähnlich wie der Kanton bietet auch die Gesellschaft Bündner Tierärzte Unterstützung in Bezug auf die Nachfolgeregelungen an. Aber auch hier heisst es: man stosse an Grenzen.

Iselin ist überzeugt, dass sich die Situation in den nächsten Jahren massiv verändern wird. Wie es bereits in anderen Ländern der Fall ist (beispielsweise Schweden, Norwegen oder England), rechnet er damit, dass die heutigen Praxen von grossen Investment-Firmen aufgekauft und zentral verwaltet werden. Tierärzte würden also künftig angestellt und nicht mehr selbstständig arbeiten, was zur Folge hätte, dass die peripheren Regionen nicht mehr bedient würden.

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