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Forscher kehren Schmerz-Lust-Wahrnehmung bei Mäusen um

Lust und Frust werden von der selben Hormon-Andockstelle im Gehirn verarbeitet, wie Psychologen bei Mäusen herausfanden. Ohne diese Andockstellen nehmen die Tiere Fieber, Schmerz und Übelkeit als gut wahr.

Agentur
sda
31.07.18 - 10:19 Uhr
Wirtschaft
Bei den manipulierten Mäusen kehrte sich die Erfahrung von Schmerz und Lust um. (Symbolbild)
Bei den manipulierten Mäusen kehrte sich die Erfahrung von Schmerz und Lust um. (Symbolbild)
KEYSTONE/AP/ROBERT F. BUKATY

Mit Wirkstoffen, die jene Andockstelle blockieren, könnte man chronisch Kranke vom Unwohlsein befreien. Die Studie erschien im Fachblatt «The Journal of Clinical Investigation».

Der österreichische Psychologe Michael Fritz, der an der Universität Linköping in Schweden arbeitet und derzeit als Gastlektor an der Stanford University in den USA weilt, hat mit Kollegen bei Mäusen durch einen Eingriff ins Erbgut unterbunden, dass der «Melanocortin-4-Rezeptor» (MC4R) gebildet wird.

Präferenz für Kammer des Schreckens

Derart behandelte Tiere mieden im Gegensatz zu ihren «normalen» Artgenossen nicht eine Kammer, in denen ihnen die Forscher diverse Dinge injizierten: Bakterielle Stoffe, die Fieber verursachten, eine Übelkeit auslösende Salzlösung und Substanzen, die ihren Stimmungshaushalt negativ beeinflussten. Im Gegenteil: Die Mäuse ohne diese Hormon-Andockstelle waren sogar öfter dort zu finden als in einer anderen Kammer, wo ihnen nichts geschah.

Dasselbe passierte nach nasaler Verabreichung eines Wirkstoffes, der MC4R blockiert. Solcherart behandelten Tieren war sogar der Schmerz ziemlich egal, wenn sie auf heissen Boden traten. Die Forscher fanden heraus, dass Schmerzen, Übelkeit und Fieber bei diesen Tieren nicht wie bei normalen Mäusen zu einem ein Abfallen der Menge des «Glückshormons» Dopamin führten, sondern dieses in einer bestimmten Gehirnregion (Nucleus arcuatus) sogar mehr wurde. «Dadurch nehmen die Tiere Dinge wie Übelkeit, Infektionen oder inneren Stress als positiv wahr», erklärte Fritz der Nachrichtenagentur APA.

Mit Nasenspray gegen Unwohlsein

«Das Gehirn hat also eine Nervenverbindung entwickelt, in der sowohl positive wie negative Wahrnehmung unter der Kontrolle eines einzelnen Rezeptortyps verarbeitet werden», so der Psychologe. Möglicherweise sei dies in der Evolution wichtig gewesen, um bei Bedarf schnell die Wahrnehmung bestimmter Umweltreize zu ändern.

Die Entdeckung habe aber auch klinische Relevanz. Bei Patienten mit chronischen entzündlichen Erkrankungen sei der Leidensdruck durch Unwohlsein sehr gross. Dies führe zu Motivationsverlust und erhöhe das Risiko, dass sich Depressionen als Begleiterscheinung dazugesellen. Möglicherweise könnte man dies in Zukunft einmal mit einem einfachen Nasenspray, der Melanocortin-4-Rezeptor-Blocker enthält, lindern.

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