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Verleger Lebrument: «Immer wieder anpassen»

Somedia-Verleger Hanspeter Lebrument über die Gründe, weshalb die neue Zeitung wie die alte «Bündner Zeitung» heisst. Und über die Farbe, die die Zahlen des letzten Geschäftsjahrs haben.

01.05.18 - 04:30 Uhr
Wirtschaft
Hanspeter Lebrument ist {fast) wunschlos glücklich.
Hanspeter Lebrument ist {fast) wunschlos glücklich.
OLIVIA ITEM

Hanspeter Lebrument, dieses Interview findet im Sitzungszimmer «Bündner Zeitung» im Medienhaus in Chur statt. Der alte Titel der Zeitung prangt ab heute, 1. Mai, wieder mit auf der Titelseite. Ist diese Rückbesinnung aus Sehnsucht nach den goldenen Zeiten erfolgt?
Hanspeter Lebrument: Ich habe das Gefühl, dass wir derzeit Abschied nehmen von der Globalisierung und wieder in die Lokalisierung gehen. Wir zeigen unsere alten Titel wieder, die «Bündner Zeitung» und die «Glarner Nachrichten», führen aber die Dachmarke «Südostschweiz» trotzdem weiter. Ich war bei allen Titeln konzeptionell beteiligt. Mich freut es sehr, dass diese alten Titel wieder erscheinen und eine Bedeutung erhalten.

Ist dies aber nicht eine Niederlage? Sie haben den Begriff «Südostschweiz» geprägt und nun taucht wieder die «Bündner Zeitung» auf, ist Ihre Erfindung damit gescheitert?
Von den grossen Zeitungsfamilien, die dieses Geschäft seit 50 oder mehr Jahren führen, gibt es heute noch vier: Coninx-Supino in Zürich, Ringier in Zürich, Wanner im Mittelland sowie Lebrument in der Südostschweiz. In meiner Anfangszeit waren es rund einhundert Verlegerfamilien. Kennen Sie das Erfolgsgeheimnis dieser vier «überlebenden» Verlegerfamilien? Sie haben sich immer wieder angepasst, haben sich am Zeitgeist orientiert und haben Änderungen an den Zeitungen vorgenommen. Deshalb stört es mich überhaupt nicht, dass das Lokale, die Regionalität heute wieder mehr Bedeutung geniesst. Die Leute interessieren sich wieder mehr, was vor ihrer eigenen Haustüre geschieht. In solch einer Zeit müssen wir kein Weltblatt herausgeben, sondern sind angehalten, das Lokale wieder stärker zu betonen – und ich bin stolzer Verleger unserer regionalen Zeitungen.

«Ich habe das Gefühl, dass wir derzeit Abschied nehmen von der Globalisierung.»

Sie sind bereits seit Jahrzehnten in der Branche. Diese Pendelausschläge, vom «Weltblatt» zum «Lokalblatt», erleben Sie also nicht zum ersten Mal?
Mit der Zeitung an sich haben diese Pendelbewegungen ja nichts zu tun, das ist keine Zeitungssache. Dies ist eine gesellschaftspolitische, kulturelle Angelegenheit. Es gab eine Zeit, da wurde gross berichtet, über das, was eine internationale oder nationale Bedeutung besass, plötzlich ging es wieder zurück ins Lokale. Es ist immer ein Wechselspiel. Und wer überleben will, verändert sich mit und passt sich an. Die Zeitung muss wissen, was den Leser besonders interessiert. Wir waren bereits früher die erste Zeitung, die das Regionale stärker betont und auf die ersten Zeitungsseiten gebracht haben, wir sind über die normale regionale Berichterstattung stark in die Analyse und Bewertung gegangen. Meine Angst heute: Sind die Jungen noch so mutig, ihre Meinungen über das regionale Geschehen kundzutun? Es ist viel schwieriger, über diese Geschichten einen Kommentar zu verfassen, als über einen Herrn Trump oder einen Herrn Macron.

Sie sprechen den Mut an: Die «Südostschweiz» hatte bis gestern eine einzigartige Titelseite mit dem sogenannten Kachelsystem, dieses Design galt als mutig und frech. Hat Sie der Mut verlassen? Weshalb diese Rückkehr zu einem traditionellen Erscheinungsbild?
Bei den Zeitungen ist es so: Man sollte sie in der Form möglichst lange lassen, aber man darf auch den Zeitpunkt nicht verpassen, wenn sie eine Auffrischung zugute haben. Ich erinnere mich, als die «alte Tante», also die «Neue Zürcher Zeitung», begonnen hat, farbige Bilder zu drucken, als sie Artikellänge sowie Durchschüsse vorgeschrieben hat, gab es am Anfang einen Aufstand. Heute wiederum erwarten die Abonnenten immer wieder von einer Zeitung, dass sie sich etwas auffrischt – und das ist doch etwas Schönes.

«Ich erinnere mich, als die 'alte Tante' begonnen hat, farbige Bilder zu drucken.»

Was man in dieser Zeitung schon lange nicht mehr lesen konnte, sind Geschäftszahlen der Firma, der diese Zeitung gehört.
Und die werden Sie solange nicht lesen, wie es mich als Verleger gibt – und das könnte noch relativ lange so bleiben. Schauen Sie, wir haben früher die Geschäftszahlen bekannt gegeben. Einen Tag später kam die Reaktion, diese Geschäftszahlen seien eventuell nicht ganz richtig, andere Stimmen sagten, die Somedia erhalte Gebührensplitting fürs Fernsehen und Radio und wenn man diese Gelder abziehe, würde das Ergebnis einen Minuswert aufweisen. Wir sind nicht verpflichtet, Zahlen bekannt zu geben und wenn es Leute gibt, die diesen Zahlen sowieso misstrauen, können wir es ja auch sein lassen. Eines kann ich Ihnen aber sagen: Die Zahlen werden immer konstanter, trotz rückläufigem Werbe- und Nutzermarkt sind sie im Zeitungsbereich immer besser geworden. Heute monieren hauptsächlich Journalisten aus Bern oder Zürich, dass wir keine Zahlen bekannt geben. Zudem: Schweizweit geben die börsenkotierten Verlage ihre Zahlen bekannt, die allermeisten Zeitungen in Familienbesitz veröffentlichen heute keine Geschäftszahlen mehr.

Gut, wenn Sie keine konkreten Zahlen nennen wollen, dann greifen wir zu den Farben: Rot oder Schwarz?
Ein sehr solides Schwarz. Dieses Jahr haben wir im Leserbereich Rekordzahlen verzeichnet und wir haben Rekordzahlen bei den Hörern von Radio Südostschweiz. Die Einbrüche bei den Werbeeinnahmen sind bei uns viel weniger gross als bei denjenigen Zeitungen, die in den grossen Schweizer Städten herausgebracht werden. Deshalb: Wir haben ein ganz solides, gutes Jahr. Aber die Einnahmen sind auch bei uns zurückgegangen und wir mussten Personal abbauen. Wir müssen uns in einem schwierigen Marktumfeld behaupten und werden in einer ähnlichen Art und Weise mit etwas weniger Einnahmen auskommen müssen.

«Boulevardjournalismus verliert an Lesern.»

Blicken wir noch in die Zukunft: Die Medienkonzentration nimmt immer stärker zu. Wie lange bleibt die Somedia in den Händen der Familie Lebrument?
Ich bin etwas mehr als 50 Jahre in der Medienbranche tätig. Diese Medienkonzentration habe ich selber erlebt. Diese Konzentration ist getrieben von einem unglaublichen Egoismus von Verlegern, die glauben, das eigene Unternehmen verliere an Wert. Seit rund 30 Jahren wird vom Aussterben der Zeitungen gesprochen, sie wollen verkaufen, so lange das Unternehmen noch über einen gewissen Wert verfügt. Ich habe das Glück, drei Kinder zu haben, der Jüngste 42 Jahre alt, der Älteste 50 Jahre, die nicht an einem Verkauf interessiert sind. Ich habe mit ihnen über einen Verkauf gesprochen, die Antwort war: Das kommt nicht in Frage. Ich habe sie darauf hingewiesen, dass das Unternehmen vor fünf Jahren wahrscheinlich mehr Wert hatte als heute. Sie meinten, das sei aber eine Aufgabe, die sie reizen würde. Wer nicht unternehmerisch, sondern verwalterisch tätig ist – und früher waren die Verleger eher Verwalter – hat halt verkauft, und übrig geblieben sind die Unternehmer, diese machen weiter und dies ziemlich gut. Wenn ich schaue, wie man mich beurteilt, habe ich das Gefühl, dass die Leute mich als einen richtigen Unternehmer wahrnehmen.

Sie haben zu Beginn des Interviews den Mut zur eigenen Meinung angesprochen. Sie wünschen sich von der «Südostschweiz» also pointiertere Meinungen?
Ja, das wünsche ich mir. Meinen verrücktesten Kommentar habe ich 1977 verfasst, er trug den Titel «Herr Blocher, nehmen Sie den Hut». Im Grunde genommen wünsche ich mir mehr Pfeffer – obwohl ich weiss, dass dies auch immer Ärger gibt. Und ich weiss, ich würde mich über die Zeitung wieder mehr aufregen, aber trotzdem, etwas mehr Pfeffer würde mir gefallen.

«Mir gefallen Kommentare, die zugespitzter geschrieben sind.»

Wir werden bereits heute teilweise als «Alpenblick» bezeichnet – es darf also noch mehr Pfeffer sein?
Auf meine Redaktionen bin ich stolz, mehr Pfeffer ist einfach mein Wunsch und wir sprechen hier über Wünsche. Aber im Grunde genommen machen Sie, und zwar jeder einzelne Titel für sich, eine gute Zeitung. Ich sehe, wie oft wir als Quelle genutzt werden, weil wir zuverlässig sind. Wenn die Nachricht an und für sich wahr ist und wenn man aufrichtig schreibt, kann man die Zeitung nicht besser machen, als sie es heute ist. Mir gefallen Kommentare, die zugespitzter geschrieben sind. Ich beobachte aber, dass es auch ein Zeichen der Zeit ist. Der Boulevardjournalismus verliert an Lesern, weil sie nicht mehr nur Zugespitztes lesen möchten, irgendwann wird diese Art von Journalismus langweilig. Man kann nicht einfach aus allem einen Knaller machen – und dies ist nicht die Aufgabe der Zeitung. Das Wichtigste ist, wenn die Leute wissen, dass das, was in dieser Zeitung geschrieben steht, stimmt.

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