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Ein Verkäufer mit Herzblut

Alex Fabbri wird morgen 90 Jahre alt. Seit 46 Jahren verkauft er an der Neudorfstrasse in Thusis Pasta und Parmaschinken. Ans Aufhören denkt er noch lange nicht.

14.04.18 - 07:25 Uhr
Wirtschaft
Seit fast 50 Jahren an der Theke: Elsi und Alex Fabbri.
Seit fast 50 Jahren an der Theke: Elsi und Alex Fabbri.
OLIVIA ITEM

Alex Fabbri, der eigentlich Alessandro heisst, ist Verkäufer mit Leib und Seele. «Das Schönste an meiner Arbeit ist der Kontakt mit meinen Kunden», sagt der nach eigenen Aussagen topfitte Mann. So gut tun ihm die Kunden, dass er mit seinen 90 Jahren mehrere Tage die Woche hinter der Theke an der Thusner Neudorfstrasse steht. Auch wenn ein kalter Frühlingswind in den offenen Laden bläst, wie an diesem Morgen, an dem die Kunden Schlange stehen. Fabbri schneidet Käse ab, wägt Parmaschinken ab und hält hie und da ein Schwätzchen. Gesprächsthema an diesem Tag: Sein morgiger Geburtstag, den er heute Samstag feiert, wie immer gemeinsam mit allen Kunden. «Es gibt Sekt, Pralinen und eine Degustation von neuen Produkten.»

«Das liegt mir im Blut»

Das Handeln mit Esswaren gefalle ihm, seit er denken könne, meint Fabbri. «Das liegt mir im Blut.» Er wuchs als Ältester von sieben Kindern bei den Grosseltern in Olten (Solothurn) auf, die ebenfalls ein Lebensmittelgeschäft führten und einst aus dem italienischen Tredozio bei Bologna in die Schweiz gekommen waren. Die Mutter starb, als Fabbri gerademal acht Jahre alt war. Sein Vater arbeitete als Transporteur und nahm den kleinen Alessandro mit auf seine Fahrten.

Auch Fabbri selbst, der bis heute überzeugter Italiener ist, begann seine Karriere mit dem Transport von Früchten und Gemüse aus dem Tessin. Damit belieferte er Hotels im Engadin, in Davos und in der Surselva. Auf den Bündner Dorfplätzen verkaufte er seine Ladung direkt aus dem Lastwagen heraus. «Ich wurde mit Flugblättern angekündigt. Die Menschen kannten damals nur Rüebli und Kabis. Sie staunten, als ich mit Melonen kam», erzählt Fabbri.

Keine Angst vor Grossverteiler

Als er 1972 mit seiner Frau Elsi das Geschäft in Thusis übernommen habe, hätten ihm manche Einheimische keine zwei Jahre gegeben. «Und ich bin heute noch da»,sagt er stolz. Was eigentlich als Beschäftigung für Elsi gedacht war, mauserte sich bald zum Haupterwerb. Fabbri gab die Lastwagentransporte auf, um sich mit seiner Frau zu 100 Prozent dem kleinen Geschäft zu widmen.

In Thusis, wo es damals sieben Gemüseläden gab, sorgte ihr Engagement nicht nur für Wohlwollen. Nicht zuletzt, weil Fabbris Preise ausser Konkurrenz waren und der Laden wie geschmiert lief. «Wir verkauften die Tomaten für 1,80 Franken, die anderen ‘heuschten’ 4,50 Franken», erinnert sich Fabbri. Möglich sei dies dank guter Lieferanten gewesen. Diese hätten Aktionen angeboten und er habe die Ermässigungen an die Käufer weitergegeben.

Nicht einmal die Ankunft der Grossverteiler konnte Fabbris Freude an seinem Laden schmälern. «Das war keine Konkurrenz für mich», meint er. Hatte er denn nie Angst, Kunden zu verlieren? «Nein. Warum auch?» Schinken aus Parma für 30 Franken pro Kilo finde man nirgends sonst. Von den anderen sieben Geschäften habe aber eins nach dem anderen zugemacht. Sein Durchhaltewille zahlte sich aus: Bis heute gibt es Kunden, die wegen des sagenhaften Salamis extra aus Zürich anreisen. «Ich bin in der halben Schweiz bekannt», sagt Fabbri.

Aufhören? Das wäre das Ende

Auf einem Bänklein zu sitzen und in die Sonne zu schauen, wie dies Altersgenossen tun, das käme für Fabbri nicht infrage. «Das wäre das Ende», kommt es wie aus der Pistole geschossen. So ging es seinem Vater, der das Lastwagenfahren mit 82 aufgegeben hatte, wie Fabbri erzählt. «Solange ich so ‘zwäg’ bin wie jetzt, mache ich weiter.» Würden die Fabbris aufhören, wäre dies auch das Ende des kleinen Ladens. Dessen ist sich Fabbri sicher. Eigentlich wollte er sein Geschäft vor 13 Jahren einem Nachfolger übergeben, das scheiterte aber, weil die erwachsenen Kinder des Ehepaars nicht einsteigen wollen. Kürzlich hätten sich zwar Interessenten gemeldet, deren Einstellung habe aber nicht gepasst, sagte Fabbri. Es habe an Freundlichkeit gefehlt. «Und das ist am wichtigsten.»

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