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Zum Gipfelkreuz – aber wo das wohl ist?

Vom höchsten Punkt bis ins Tal: Die «Glarner Nachrichten» zeigen in einer Serie spezielle Glarner Orte. Den Anfang macht der Tödi.

20.07.19 - 04:30 Uhr
Tourismus

Maya Rhyner im Zwiegespräch
mit Rolf Hösli

Ein Aufstieg, der es in sich hat. Hinauf, über Gletscherwelten im Sommer, immer weiter, in einer eindrücklichen Landschaft, bis das stattliche Gipfelkreuz in Sichtweite kommt. Noch einmal, über die letzte Schneeflanke weiter, dann ist man oben – auf dem Tödi. Ein Gespräch zweier, die oben waren.

Maya Rhyner: Dein erster Gedanke zu diesem Bild?

Rolf Hösli: Wo könnte das sein? Wie bei jedem Gipfelbild versuche ich, es zu verorten.

Rhyner: Und? Erkennst Du es?

Hösli: Nicht sofort. Sicher ganz weit oben. Da ich meistens nicht ganz so hoch oben unterwegs bin, erkenne ich die Bergketten weniger gut.

Rhyner: Ist es eine Landschaft, die Du dem Glarnerland zuordnen würdest?

Ich suche jeweils auf Gipfelbildern als Erstes das Vreneli mit seinem Viereck und der ganzen Glärnischkette. Dann den majestätischen Tödi, doch hier stechen sie mir beide nicht ins Auge. Ist das unter dem linken Kreuzbalken der Hausstock? Dann wäre links davon der Kärpf …

Rhyner: … Genau. Und «ds Vreneli» mit dem Glärnischmassiv ist links vorne zu sehen. Du warst also noch nie oben, auf dem Tödi?

Doch, aber nur einmal, und das ist schon ein Weilchen her.

Rhyner: Und, wie wars?

Ein sehr prägendes Erlebnis.

Rhyner: Das tönt nicht gerade nach einer Bergtour, die in schöner Erinnerung bleibt.

Ich kam an meine Grenzen. Aber dank der Hilfe meiner Militärkollegen schaffte ich es doch ganz nach oben. Eine lange Geschichte …

Rhyner: … bei einer Militär-Tour kann ich mir vorstellen, dass es in einem Hau und unerwartet kam.

Ganz genau. Ohne Vorbereitung als Bürolist. Wir waren im Lugnez stationiert und liefen am Freitagabend von der Bündner Seite her ins Glarnerland in den Urlaub. Ich war am Nachmittag noch Tennis spielen und hatte keine eigenen Bergschuhe … Statt zu schlafen, wanderten wir die ganze Nacht.

Rhyner: Eine Tortur.

Zunächst gar nicht. Es war ein traumhafter Mondscheinabend. Solange die Beine Saft hatten, genoss ich es sehr.

Rhyner: Und dann kam der Kollaps?

Ich fühlte mich wie ein Velofahrer in der Tour de France, der an der Alpe d’Huez den Hammermann bekommt. Der Kopf wollte, die Beine nicht.

Rhyner: Und am Tödi kann der Begleit-Tross nicht kommen und einen mitnehmen …

Aber mein Kamerad Fridli Luchsinger hat mich begleitet und quasi an den Ohren hinaufgezogen, wofür ich ihm heute noch dankbar bin. Was bedeutet denn Dir der höchste Glarner? Wieso hast Du gerade dieses Bild ausgewählt?

Rhyner: Als Teenager war ich das erste Mal mit Nachbarn und meinem Vater auf dem Tödi. Ich ahnte bis dahin irgendwie nicht, dass das Glarnerland so eine Gletscherwelt zu bieten hat. Eine völlig andere Landschaft. Beeindruckend. Es gibt noch ein weiteres Bild mit dem Gipfelkreuz und einer Seilschaft auf dem Gipfelgrat – eine Luftaufnahme, welche die Mächtigkeit zeigt. Dieses Bild hier ist von einer von drei Besteigungen samt Fotoausrüstung. Und immer wieder – die Faszination, da oben zu stehen, bleibt. Doch zurück zu Deinem Abenteuer: War bei Dir Hilfe aus der Luft kein Thema?

Gar nicht. Ich war ja nicht bedroht. Nur sehr langsam, und jeder Schritt war eine Monsteraufgabe und brauchte Überwindung. Ich lernte damals schmerzlich, dass der Wille Berge versetzen kann und die eigene Grenze weiter gesteckt ist, als man es sich selber zutraut. Daher sage ich prägend – fürs Leben und auch für die späteren Erfolge als Curling-Coach. Zudem werde ich den Teamzusammenhalt bei dieser Monster-Tour ebenso nie vergessen wie das Gefühl, es trotz allem ganz nach oben geschafft zu haben.

Rhyner: Und – möchtest Du noch einmal hinauf?Hösli: Wenn ich die Aussicht auf dem Bild sehe schon. Ja. Aber dann lieber in zwei Etappen.

Rhyner: Und zum Geniessen.

Genau.

 

Via Glaralpina
führt die Via Glaralpina rund ums Glarnerland – von Ziegelbrücke in 19 Etappen über weiss-rot-weiss und weiss-blau-weiss markierte, teils neue Wanderwege über insgesamt 18›000 Höhenmeter Auf- und Abstieg wieder nach Ziegelbrücke. Nahe hin zum Tödi führt die Etappe 9 / Claridenhütte SAC – Fridolinshütte SAC / Audienz beim höchsten Glarner. www.via-glaralpina.ch.

Glarner Wunderland – Bildband zum Glarnerland», von den Gipfeln bis ins Tal, mit ausführlichen Legenden. Wandertipps am Schluss des Buches. 221 Seiten. Verlag Baeschlin.

Zur Serie
Ein kleiner Kanton, ganz viele Naturperlen: Die «Glarner Nachrichten» zeigen in einer Sommerserie das «Glarner Wunderland» anhand von Bildern aus dem gleichnamigen Buch von Claudia Kock Marti (Text) und Maya Rhyner (Bild). Die Fotografin und ehemalige «Südostschweiz»-Redaktorin bespricht ausgewählte Orte mit Personen, die eine besondere Beziehung dazu haben. Halt heute: Auf dem höchsten Glarner, dem Tödi auf 3614 m ü. M., den ihr ehemaliger Chef Rolf Hösli als Militärberichterstatter 2001 bestieg – in einer denkwürdigen Nachtübung mit dem damals 125-jährigen Glarner Gebirgsfüsilierbataillon 85. (red)

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