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«Ich werde dauernd in eine Schublade gesteckt»

Kabarettist, Unternehmer, Publikumsliebling: Jonny Fischer reitet seit Jahren auf der Erfolgswelle. Aktuell tritt er mit Divertimento in Landquart auf.

01.02.20 - 04:30 Uhr
Stars & Sternli
«Ich wünsche mir eine Schweiz, die offen ist für alles.»
«Ich wünsche mir eine Schweiz, die offen ist für alles.»
PHILIPP BAER

Jonny Fischer ist die eine Hälfte des erfolgreichsten Schweizer Comedyduos der Gegenwart. Aktuell tritt Fischer zusammen mit seinem Partner Manuel Burkart als Kabarettduo Divertimento in Landquart auf. Im Interview erzählt er, was er an Graubünden liebt, wieso er eine Wohnung besitzt, die er nicht bewohnen darf, und wie er mit Homophobie umgeht.

Momentan spielen Sie mit Divertimento in Landquart. Ging alles gut?

Ja. Wir haben die Bündner sehr gerne.

Unterscheiden sich denn die Auftritte in Graubünden von den Auftritten im Rest der Schweiz?

Absolut. Wir merken immer wieder, dass wir hier auf dem Land sind (lacht).

Woran?

Es sind andere Themen, die zum Lachen anregen, als in der Stadt. Man merkt einen grossen Unterschied zwischen den Auftritten in Chur und jenen in Landquart. An den Autogrammtischen fällt mir jeweils auf, dass die Leute in ländlichen Gebieten sich extra schön angezogen haben für unsere Show. In Chur ist das nicht so! Dafür braucht das Publikum in Landquart etwas länger, bis es in unserer Show «angekommen» ist.

Was verbindet Sie privat mit Graubünden?

Sehr vieles! Einerseits liebe ich den Dialekt. Menschen mit dem Bündnerdialekt haben von Anfang an einen grossen Vorteil. Egal wo sie hingehen, sie werden als niedliche Person wahrgenommen. Dann gibt es natürlich viele Ski-Erlebnisse, die mich mit dem Kanton verbinden. Ich habe aber auch zwei oder drei Sommer lang in einem Bauernbetrieb in der Region gearbeitet. Dort habe ich viel Zeit verbracht und tolle Freunde gefunden.

Sie spielen auf der Bühne die Figur «Gian-Franco», einen kiffenden, etwas gemächlicheren Bündner. Ein wandelndes Klischee. Wie kam es dazu?

Inspiriert hat mich vor etwa zwanzig Jahren jemand auf einer Skipiste. Heute ist der Bündner nicht mehr klassisch so, wie ich Gian-Franco darstelle. Zumindest nicht jeder Bündner.

Was halten Sie generell von Klischees?

Ich finde Klischees etwas Grossartiges. Sie sind ein wichtiger Teil meines Jobs. Ich werde selber natürlich auch dauernd in eine Schublade gesteckt. Auch in solche, in die ich gar nicht reinpasse. Ich habe absolut gar nichts Schwules an mir. Da denkt man gleich, dass ich grosser Ballet-Fan sein muss. Das ist Quatsch. Ich liebe Fussball, Bier und Würste! Dennoch bin ich ein grosser Freund von Klischees. Sie kommen beim Publikum am besten an. Und meistens haben sie halt trotzdem etwas Wahres.

In Eurem Programm Sabbatical wird Ihre Homosexualität auch zum Thema. Vor Ihrer Hochzeit mit Ihrem Mann erhielten Sie Morddrohungen. Umso wichtiger, das Thema Homosexualität auch auf der Bühne zu thematisieren?

Es ist so: Ich bin politisch zwar sehr interessiert, aber nicht aktiv. Ich würde mich nie, auch nicht hinsichtlich der kommenden Abstimmungen, öffentlich daran beteiligen. Obwohl ich dazu eine klare Meinung habe. Ich wünsche mir aber eine Schweiz, die offen ist für alles. Auch für Randgruppen und Leute, die anders denken.

Deshalb thematisieren Sie es auf der Bühne.

Dort vermitteln wir, dass es normal ist. Das Witzige ist aber, dass auf der Bühne Manu derjenige mit den homosexuellen Attributen ist. Ach was, auch im Privatleben! Er hat mehr schwule Züge als ich! Damit kokettieren wir.

Kommt das gut an?

Wir kriegen zu 98 Prozent positive Rückmeldungen. Für ein paar Leute ist es dann aber wirklich einfach zu viel.

Können Sie Aversion gegen Homosexualität immer von Kritik an Ihrer Arbeit unterscheiden?

Nein. Es ist eine Kritik an meinem Privatleben. Es kommt aber darauf an, wie sich diese Aversion äussert. Wenn jemand zu mir kommt und mir sagt: «Ich finde es komisch, wenn zwei Männer Händchen halten», dann versteh ich das und muss diesen Menschen nicht noch provozieren, indem ich meinen Mann küsse.

Dann gibt es aber noch die unschöne Art, sich über Homosexualität zu äussern.

Den grundlosen Hass und das Verurteilen im Internet. Das ist etwas ganz Anderes. Dort liest man dann Sätze wie: «Alle Schwulen sollte man erschiessen». Dafür habe ich sehr wenig Verständnis.

Zurück zu den 98 Prozent. Sie sind äusserst beliebt, das zeigte sich unlängst am Golden-Glory-Publikumspreis, den Sie gewonnen haben. Freuen Sie sich noch über solche Preise? Oder haben Sie sich daran gewöhnt?

Natürlich freue ich mich! 2019 war ein anstrengendes Jahr. Und bis jetzt sieht es so aus, dass ich 2020 den Erfolg ernten darf. Es ist der erste Preis in zwanzig Jahren, den nur ich gewonnen habe, nicht das Comedyduo Divertimento. Dass dieser Preis meiner Person verliehen wurde und nicht meiner Arbeit, bedeutet mir unglaublich viel. Das habe ich natürlich gebührend gefeiert.

Wie?

(Schmunzelt) Wir sind gross feiern gegangen, und als ich morgens um vier nach Hause kam, habe ich mir gleich auch noch ein Bad mit Kerzen und Wein gegönnt.

Kommt das öfters vor?

Ja! Vielleicht nicht wöchentlich, aber wir neigen dazu, zu viel zu arbeiten und das Leben zu wenig zu geniessen. Deshalb bemühe ich mich, dass das ausgewogener wird.

Sie sind neben der Bühne auch CEO des Gesundheits-Unternehmens Zenmove. Wie kam es dazu?

Das ist noch relativ neu. Manu und ich haben gemerkt, dass es für uns beide wichtig wäre, je noch ein anderes Projekt neben Divertimento zu haben.

Weshalb ist das wichtig?

Wenn eine Show nicht gut lief, beschäftigt mich das mehrere Tage lang. Ich kann dann fast nicht loslassen. Seit Manu Kinder und Familie hat, passiert ihm das nicht mehr. Weil er eine grosse Aufgabe nebendran hat, die einfach wichtiger ist. Ich habe drei Jahre nach einem solchen Projekt gesucht.

Wie sind Sie schlussendlich bei Zenmove gelandet?

Ich bin schon länger in diesem Training. Es verbindet mentales Training mit körperlichem Training. Mein jetziger Geschäftspartner sagte dann, dass er nicht wisse, wie lange es Zenmove noch gäbe. Es fehlte an Strukturen, an Öffentlichkeit und an Geld.

Da kamen Sie ins Spiel.

Ich habe ihm dann gesagt, dass ich von diesen drei Dingen ein bisschen was übrig hätte und ich gerne bei ihm einsteigen möchte, wenn er denn will.

Und wie läuft es?

Es macht mir grossen Spass. Auch Manu merkt, dass ich entspannter bin. Auch, dass ich manchmal Divertimento-Termine absagen muss, weil ich einen Termin mit Zenmove habe, ist gut. Bisher war das nur Manu, der manchmal aufgrund seiner Familie Termine verschieben musste. Jetzt ist es ausgeglichen und das tut uns allen gut. Und ich wurde entspannter, auch mir selber gegenüber.

Wie sieht es aus, wenn Sie wütend werden?

Ich werde unheimlich laut. Das ist halt das italienische Temperament. Ich meine es nicht böse, ich bin dann einfach sehr laut. Ich beruhige mich aber auch entsprechend schnell wieder. Wenn es mal raus ist, ist dann auch wieder gut. Danach bitte ich die anderen Menschen, sich dazu zu äussern. Das geht dann meistens nicht mehr, weil ich sie komplett überfahren habe.

Apropos Aufregen: Sie haben eine Wohnung in Kapstadt, die Sie aber nicht selber bewohnen dürfen. Was ging da schief?

Da habe ich mich total aufgeregt. Mein Mann und ich gehen bald wieder nach Kapstadt und wohnen dann im Hotel neben an und können unsere Wohnung von aussen anschauen. Wir mussten schon vor Gericht wegen dieser Wohnung.

Wieso denn das?

Wir wurden verklagt. In einem Hotel gehört uns die oberste Wohnung. Das Hotel hat uns wegen «geschäftsschädigenden Massnahmen» angeklagt, weil wir unsere Wohnung kurzzeitig vermietet haben. Und das Hotel hat vor Gericht gewonnen. Ich stand in der Schweiz noch nie vor Gericht, und dann in Südafrika mit meinem schlechten Schweizer-Englisch vor Gericht zu stehen, war eine völlig neue Erfahrung. Das einzige, was wir noch machen konnten, war die Wohnung an Leute zu vermieten, die über ein Jahr darin wohnen werden. Denn nur so sind die Mietkosten tiefer, als die Hotelzimmerpreise unter der Wohnung.

Sie wurden im Dezember 40 Jahre alt. Auch wenn es noch eine Weile dauert, wie haben Sie für das Alter vorgesorgt? Die Wohnung zählt ja nicht mehr wirklich.

(Lacht) Naja, mit der Familie, die nun in unserer Wohnung wohnt, können wir wenigstens unsere Ferien quersubventionieren! Nein im Ernst, ich habe mir darüber noch keine Gedanken gemacht und wurde das bisher auch noch nie gefragt. Ich weiss auch nicht, ob ich in zehn, zwanzig Jahren noch auf der Bühne stehen werde.

Das Ende des Kabarettduos Divertimento?

Nein. Wir machen nach «Sabbatical» noch ein Programm, das steht schon fest. Aber schon seit 2006 schreiben die Medien immer, dass wir aufhören. So ist es nicht. Auch jetzt hiess es wieder, da ich ja jetzt noch ein Unternehmen nebenbei führe, dass ich das mache, weil ich mit Divertimento durch sei. Aber das ist Quatsch.

Warum ist Ihre Bühnen-Zukunft dennoch unsicher?

Ich bin so viel unterwegs und so selten zu Hause. Dabei liebe ich Gesellschaft, ich bin unglaublich gerne Gastgeber. Ich weiss nicht, ob ich darauf noch 15 Jahre für das Clown-Spielen verzichten möchte. Ich wünsche mir aber bereits für das Jahr 2020, dass es ein Geniesser-Jahr wird. Wenn ich Stress habe, nehme ich nämlich zu, Manu nimmt ab. Das ist unfair. Deswegen hoffe ich, dass ich dieses Jahr etwas mehr Raum für mich und für Erholung habe.

Mara Schlumpf ist Redaktorin und Chefin vom Dienst bei «suedostschweiz.ch». Ursprünglich kommt sie aus dem Aargau, hat ihr Herz aber vor einigen Jahren an Chur verschenkt. Mehr Infos

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