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Wenn das Zwillingsdasein einen Weltcupsieg kostet

Sie kommen heute vor 63 Jahren, am 10. Mai 1957, zur Welt und werden das erfolgreichste Zwillingspaar im Skirennsport: die unvergesslichen Phil und Steve Mahre aus dem US-Bundesstaat Washington.

Agentur
sda
10.05.20 - 10:56 Uhr
Ski alpin

Phil und Steve Mahre waren unverwechselbar im Erfolg und verwechselbar in der Erscheinung. Obwohl sie keine eineiigen Zwillinge sind, gleichen sie sich wie ein Ei dem andern. Auf den Fotos aus den frühen Achtzigern sind sie auch dann schwer auseinanderzuhalten, wenn man sie nebeneinander sieht. Steve Mahre hat die Haare eine Spur schütterer und das eine Spur kantigere Gesicht.

Die Ähnlichkeit kostete die Mahres einen Weltcupsieg. Der US-Slalom-Coach Tom Kelly war seiner Sache auch nicht immer sicher und händigte die Überwürfe mit den Startnummern oft nur einem der beiden aus. So war es auch vor dem Slalom in Parpan am 16. Januar 1984. Steve Mahre verwechselte seinerseits die Nummern und behielt die falsche für sich. Die Jury bemerkte den Irrtum nach dem ersten Lauf. Die Zwillinge durften den zweiten Lauf bestreiten, bevor die Jury sie schweren Herzens disqualifizierte. Steve Mahre hätte eigentlich gewonnen. Den Sieg erbte Marc Girardelli, dem es nicht recht war. Er sagte nachher, er wäre lieber Zweiter geworden.

Auch ohne den entgangenen Sieg ist das Palmarès der Zwillinge fabelhaft. Steve gewann neun Weltcuprennen, sechs davon im Slalom. 1982 wurde er Weltmeister in der Kombination. Hinzu kam Olympiasilber im Slalom 1984. Phil war eine der dominierenden Figuren jener Zeit. 27 Rennsiege führten ihn ab 1981 zu drei aufeinanderfolgenden Triumphen im Gesamtweltcup. Er liess sich nach den olympischen Slaloms Silber 1980 (nur Ingemar Stenmark war schneller) und Gold 1984 umhängen, war Weltmeister 1980 in der Kombination und liess sich sieben kleine Kristallkugeln aushändigen.

Nach dem Missgeschick der grosse Triumph

Einen Monat und drei Tage nach dem Missgeschick von der Lenzerheide erlebten Phil und Steve Mahre ihren grössten Triumph: Gold und Silber im Olympia-Slalom von Sarajevo. Dass sich die ersten zwei in einer olympischen Wintersport-Disziplin derart stark glichen, erlebte man später nur 2006 in Turin. Aber Philipp und Simon Schoch waren Snowboarder und keine Zwillinge.

Im Wettkampf in Sarajevo, in dem Pirmin Zurbriggen, Joël Gaspoz und Riesenslalom-Olympiasieger Max Julen früh ausschieden, lag Steve Mahre nach dem ersten Lauf voraus. Phil war mit sieben Zehnteln Rückstand vorerst nur Dritter. Ihm gelang der zweite Lauf jedoch vorzüglich, während der Schwede Jonas Nilsson schnitzerte und vom 2. in den 4. Rang fiel. Steve beging im unteren Teil Fehler und büsste zuletzt 21 Hundertstel auf seinen Bruder ein. Eine Stunde vor Rennbeginn war Phil zum zweiten Mal Vater geworden. Die frohe Botschaft aus der Heimat überbrachte man ihm erst, als er als Olympiasieger feststand.

Ein Leben im Gleichtakt

Nach der Saison 1983/84 beendeten Phil und Steve Mahre ihre Karrieren mit noch nicht einmal 27 Jahren. In einem Alter also, in dem Didier Cuche erst einen seiner 21 Weltcupsiege im Trockenen hatte.

Die Zwillinge haben bis heute ihr ganzes Leben miteinander verbracht. Nach der Sportkarriere wurden sie erfolgreiche Geschäftspartner. In Keystone, Colorado, bauten sie das «Mahre Training Center» auf, das sie heute in Deer Valley, Utah, weiterführen. Die Triumphe im Sport hatten immer beiden gehört. «Wenn Steve gewann, gewann ich selber», sagte Phil einmal.

Die Tlalka-Twins im Schatten der Mahres

Als derart erfolgreiche Zwillinge auf zwei Latten waren und sind Phil und Steve Mahre unübertroffen. Die polnischen Slalomfahrerinnen Malgorzata und Dorota Tlalka brachten es in den Achtzigerjahren in der Addition auf einen Sieg und zwölf weitere Podestplätze im Weltcup. David Zwilling, ein starker österreichischer Allrounder in den Siebzigerjahren, hiess nur so.

Die Schere geht rasch auf, wenn man nicht nach Zwillingen, sondern nach einfachen Geschwistern Ausschau hält. Allein Swiss-Ski stellte in den verschiedensten Epochen des Weltcups erfolgreiche Geschwister. Jean-Daniel und Michel Dätwyler, René und Martin Berthod, Heidi und Pirmin Zurbriggen, Martin und Marco Hangl, Dominique, Michelle und Marc Gisin, Mauro und Gino Caviezel und andere mehr.

Geschwister-Flut in den USA und in Spanien

Einen Rekord stellten die Geschwister Cochran aus dem US-Bundesstaat Vermont auf. An den Olympischen Spielen in Sapporo 1972 waren Marilyn, Barbara, Lindy und Bob am Start. Barbara gewann Gold im Slalom.

Spaniens Skirennsport definiert sich bis heute über die Geschwister Francisco, Juan Manuel, Luis, Dolores und Blanca Fernandez-Ochoa. Am bekanntesten waren Francisco («Paquito») und Blanca. Er wurde 1972 sensationeller Olympiasieger im Slalom, sie gewann 20 Jahre später in Albertville ebenfalls im Slalom Olympia-Bronze. Francisco war 14 Jahre älter als Blanca. Beide starben im Alter von nur 56 Jahren.

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