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Kobe Bryant und eine Bilderbuchkarriere mit Brüchen

Kobe. Wie Ali, Pele, Magic. Nur ein Name reicht, um bei Sportfans weltweit Bilder und Erinnerungen für die Ewigkeit hervorzurufen. Dabei weist seine Bilderbuch-Karriere phasenweise auch Brüche auf.

Agentur
sda
27.01.20 - 17:47 Uhr
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«Kobe Doin' Work» überschrieb der afro-amerikanische Regisseur Spike Lee seine Dokumentation über Kobe Bryant. Ein treffender Titel. Wenn Michael Jordan scheinbar mühelos durch die Luft schwebte, wenn Magic Johnson die Menschen mit seinem breiten Lächeln verzauberte, war Basketball für Bryant vor allem harte Arbeit. «Er war ein leidenschaftlicher Wettkämpfer, einer der Grössten dieses Spiels und eine kreative Kraft», würdigte Jordan seinen früheren Widersacher, der mit acht anderen Insassen eines Helikopters am Sonntag bei einem Absturz in der Nähe von Los Angeles im Alter von 41 Jahren ums Leben kam.

Seinen unbändigen Ehrgeiz zog Bryant - von seinen Eltern nach dem Steak benannt - häufig aus dem Vergleich mit anderen. Aus dem Wunsch, seinem Vater und ehemaligen NBA-Profi Joe nachzueifern. Aus dem Konkurrenzkampf mit dem eigenen Teamkollegen Shaquille O'Neal, mit dem er sich einmal im Training beinahe prügelte und aus dessen Schatten er nach drei Titeln heraustreten wollte. Und vor allem aus der Jagd nach den Rekorden von Jordan. Eine ganze Generation von Basketballern wollte im neuen Jahrtausend wie Jordan sein, wie der grösste Spieler der Geschichte also. Die «Black Mamba», wie Bryant genannt wurde, kam diesem Ziel bislang am nächsten.

Die Kindheit in Italien

Weshalb? Vielleicht deshalb: Anfang der Neunzigerjahre galt Bryant in seiner Heimat als «Fremder», weil er sieben Jahre seiner Kindheit und Jugend (1984 bis 1991) in Italien verbracht hatte. Sein Vater hatte dort als Profi gespielt. Es war die Zeit in Bryants Leben, in der ihm Fussball ebenso lieb war wie Basketball. In der er mehr Fan war von Marco van Basten und Milan als von den NBA-Ikonen.

Den Status des Aussenseiters nutzte er als Antrieb für eine 20-jährige Karriere in der NBA. Fünf NBA-Titel - einen weniger als sein grosses Vorbild - gewann Bryant mit seinen Los Angeles Lakers. Er wurde 18 Mal zum Allstar-Showtreffen berufen, erhielt 15 Nominierungen in die All-NBA-Teams der besten Spieler der Liga, holte zweimal Olympiagold. Als Bryant 81 Punkte in einer Partie erzielte, fühlte sich Mitspieler Lamar Odom an Überirdisches erinnert: «Du kannst Gottes Willen nicht stoppen.»

Bryant war hart zu anderen, härter zu sich selbst. Mit dem Hang zur Besessenheit: Selbst eine gerissene Achillessehne konnte ihn nicht aufhalten, noch zwei Freiwürfe zu versenken, um dann erst vom Feld zu humpeln. «Wir lagen zurück, ich musste ausgleichen», begründete er dies Jahre später. Sein Arbeitsethos endete nicht auf dem Parkett. Am Morgen nachdem er im goldenen Konfettiregen mit 60 Punkten das Ende seiner Bilderbuch-Karriere gefeiert hatte, war Bryant zwei Stunden vor seinen Mitarbeitern von Kobe, Inc. bereits wieder im Büro.

Die Leidenschaft für den Sport ging nahtlos über in die Begeisterung für das Geschichtenerzählen. Mit seinen Storys wollte Bryant an den Broadway. 2018 gewann er einen Oscar für «Dear Basketball», einen animierten Kurzfilm, der auf einem Gedicht von ihm zu seinem Karriereende basierte.

Der Machtkampf mit O'Neal

Dass in allen Würdigungen durch Prominente aus Politik und Sport, von Barack Obama bis Cristiano Ronaldo, dereinst das Bild eines vorbildlichen Athleten und Familienvaters gezeichnet würde, erschien dabei während seiner Karriere phasenweise fast ausgeschlossen. So etwa entschied Bryant 2004 einen erbitterten Machtkampf mit O'Neal für sich. Sein Mannschaftskamerad musste gehen, die Lakers waren nun sein Team. Dafür gab es nicht nur Applaus; der Erfolg blieb zunächst nämlich aus.

Bryant überwarf sich mit weiteren Weggefährten. Vergewaltigungsvorwürfe einer Hotelangestellten im Jahr 2003 zerstörten vorerst das makellose Image, auch wenn die Staatsanwaltschaft die Anklage fallen liess, als die Frau nicht mehr am Prozess teilnahm. Sportlich erfand sich Bryant neu, wurde Teamplayer, holte zwei weitere Titel (2009, 2010). Anders als andere alternde NBA-Stars nahm er nie Gehaltseinbussen in Kauf. Selbst im letzten Jahr strich er noch 25 Millionen Dollar ein, limitierte damit den personellen Spielraum der Lakers, mit denen er gegen Ende seiner Karriere jahrelang im Niemandsland der NBA herumdümpelte.

Seinem Ansehen tat dies aber auch nach der Karriere keinen Abbruch. Als Bryant bei der WM 2019 in China einige Worte auf Mandarin sprach, rasteten die Fans komplett aus. Wichtiger als der Ruhm waren ihm seine Familie mit Frau Vanessa und den vier Töchtern, die als Hommage ans Land seiner Kindheit alle italienische Namen haben. Bei dem tragischen Helikopterabsturz befand sich Bryant an der Seite von Tochter Gianna - Medienberichten zufolge auf dem Weg zu einem Basketballspiel seiner Tochter.

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