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Die Karriere von Michel Platini endet in Lausanne

40 Jahre lang spielt Michel Platini im Fussball eine bedeutende Rolle. Am 9. Mai 2016 geht seine glorreiche Karriere unrühmlich zu Ende.

Agentur
sda
09.05.20 - 05:00 Uhr
Fussball

Lange Zeit ging es fast nur aufwärts für Michel Platini. Er war einer der genialsten Mittelfeldspieler Europas, Nationaltrainer, Organisator der WM 1998 und dann erfolgreicher Sportfunktionär. Als UEFA-Präsident entwickelte er die Champions League zu einer Geldquelle und entwickelte ein Gespür dafür, die politischen Probleme zu umdribbeln. Er habe sich mit der Zeit unverwundbar gefühlt, sagte ein früherer Berater über Platini.

Als die FIFA 2015 nach verschiedenen Korruptionsfällen ins Wanken geriet, galt Platini einige Wochen lang als erster Kandidat für die Nachfolge von Präsident Sepp Blatter. Doch schliesslich fiel er gleichzeitig mit seinem früheren Mentor Blatter. Beide wurden wegen einer ominösen Millionen-Zahlung von der Ethikkommission der FIFA zunächst suspendiert und dann gesperrt. Als am 9. Mai 2016 das Sportgericht CAS die Sperre bestätigte, erklärte Platini seinen Rücktritt als UEFA-Präsident.

In Lausanne vor dem Sitz des CAS hatten sich an jenem Montagmorgen bloss drei TV-Kameras und zwei Journalisten eingefunden, um sich über das Verdikt, das Generalsekretär Matthieu Reeb verlas, vor Ort zu informieren. Niemand hatte noch mit einer wundersamen Wende in diesem Fall gerechnet, wohl auch nicht Platini, der in einer schriftlichen Stellungnahme meinte: «Ich nehme den Entscheid des CAS zur Kenntnis, halte ihn aber für eine gravierende Ungerechtigkeit.» Er werde seinen juristischen Kampf vor den Gerichten fortsetzen. «Das Leben ist immer voller Überraschungen: Ich bin bereit noch mehr davon zu erleben.»

Magischer Spielmacher

Das spektakuläre Comeback, an das er beim Verfassen dieser Zeilen wohl insgeheim gedacht hatte, blieb aus. Auf seine Rehabilitation wartete er in den letzten Jahren vergeblich. Im März beurteilte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte als letzte Instanz die FIFA-Sperre gegen ihn als rechtens. Es war bloss noch eine Randnotiz, weil selbst die ihm Wohlgesinnten mit der Affäre abgeschlossen haben und sich lieber an den anderen Platini erinnern, den Fussballer, der mit seinem aus den Hosen hängenden Trikot mit der Nummer 10 Kunst und Effizienz so genial verband.

Er war der Kopf des magischen Mittelfeld-Vierecks, das die französische Nationalmannschaft in den Achtzigerjahren prägte. Er schien selten zu rennen und stand doch immer richtig, um den präzisen Pass zu spielen oder das entscheidende Tor zu erzielen. Dreimal war er während seiner Zeit bei Juventus Turin Torschützenkönig der Serie A. Genauso oft wurde er als Europas Spieler des Jahres ausgezeichnet. Die Nationalmannschaft führte er bei der EM 1984 mit neun Toren in fünf Partien zum ersten grossen Titel. Wohl kein französischer Sportler war in seiner Heimat zuvor oder danach so prägend wie «Platoche».

Gescheiterter Präsident

Mit der selben Leichtigkeit, mit der er das Spiel prägte, glitt er nach seinem Rücktritt von Funktion zu Funktion. Nach seinem Rücktritt als Nationaltrainer 1992 organisierte er die WM 1998 mit, auch weil der damalige Präsident François Mitterand sich für ihn eingesetzt hatte. Später wurde Platini Berater von Sepp Blatter. Ab 2007 führte er die UEFA. Er initiierte das Financial Fairplay, machte die Champions League für die kleineren Klubs zugänglicher. Er wusste zu überzeugen. Irgendwann während seiner zweiten Amtszeit ab 2011 verlor Platini aber seinen Enthusiasmus und konzentrierte sich auf den Machterhalt, heisst es in der im Mai 2016 erschienen Biografie «Platoche».

Die Vierjahressperre hat Platini mittlerweile abgesessen. Seit Anfang Jahr besetzt er einen Berater-Posten bei der Spielergewerkschaft FIFpro. Milde gestimmt ist er dadurch nicht. Aus seinem Haus im südfranzösischen Cassis erneuerte er vor einigen Tagen gegenüber «L'Equipe» den Vorwurf, es habe eine Verschwörung von «Leuten in Zürich, Lausanne und Bern» gegeben, um ihn als FIFA-Präsidenten zu verhindern. Es sind die Eckpunkte seines Falls: die FIFA in Zürich, das CAS in Lausanne und die Bundesanwaltschaft in Bern, die mit ihren Ermittlungen 2015 den Sturz Platinis ausgelöst hat.

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