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US-Repräsentantenhaus eröffnet Impeachment gegen Trump

Als dritter Präsident in der Geschichte der Vereinigten Staaten muss sich Donald Trump einem Amtsenthebungsverfahren im US-Senat stellen. Das Repräsentantenhaus stimmte am Mittwochabend (Ortszeit) für die offizielle Eröffnung eines Impeachment-Verfahrens.

Agentur
sda
19.12.19 - 08:17 Uhr
Politik
US-Präsident Donald Trump bei einem Wahlkampfauftritt in Battle Creek im Bundesstaat Michigan.
US-Präsident Donald Trump bei einem Wahlkampfauftritt in Battle Creek im Bundesstaat Michigan.
KEYSTONE/AP/EV

Mit der Mehrheit der Demokraten votierte die Kammer dafür, dass sich Trump sowohl wegen Machtmissbrauchs als auch wegen Behinderung der Kongress-Ermittlungen im Senat verantworten muss. Trump trat parallel zu dem Votum vor Anhängern im US-Staat Michigan auf und zeigte sich kämpferisch.

Die Abgeordneten stimmten getrennt über die beiden Anklagepunkte ab. Die beiden Abstimmungen verliefen klar entlang Parteilinien. Die Abgeordneten stimmten dabei mit 230 zu 197 Stimmen für eine Anklage wegen Amtsmissbrauchs und 229 zu 198 Stimmen für den Vorwurf der Behinderung.

Dem historischen Votum war eine fast zwölfstündige Sitzung vorausgegangen, in der sich demokratische und republikanische Abgeordnete einen heftigen Schlagabtausch lieferten. Die Demokraten begründeten die Eröffnung des Verfahrens gegen Trump mit der Pflicht, die Verfassung zu schützen. Trump sei eine Gefahr für die Demokratie, die nächste Wahl und die nationale Sicherheit des Landes. Die Republikaner dagegen warfen den Demokraten vor, sie handelten allein aus parteipolitischem Kalkül und seien seit Beginn der Präsidentschaft Trumps besessen davon, ein Impeachment-Verfahren einzuleiten.

Die Aktienmärkte in Asien regierten am Donnerstagmorgen zunächst nicht merklich auf das Votum. Auch der Dollar zeigte sich in Fernost kaum verändert. Der Ausgang der Abstimmung war angesichts der Mehrheitsverhältnisse allgemein erwartet worden.

Ukraine-Affäre als Auslöser

Die Demokraten beschuldigen Trump, den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zu Ermittlungen gegen seinen politischen Rivalen Joe Biden gedrängt zu haben, um die US-Präsidentschaftswahl 2020 zu seinen Gunsten zu beeinflussen. Sie sehen es als erwiesen an, dass Trump von der Ankündigung solcher Ermittlungen ein Treffen mit Selenskyj im Weissen Haus und die Freigabe von Militärhilfe für die Ukraine abhängig gemacht habe. Das werten sie als Amtsmissbrauch. Sie werfen ihm ausserdem vor, die Ermittlungen des Repräsentantenhauses zu der Ukraine-Affäre behindert zu haben. Trump weist die Vorwürfe gegen sich vehement zurück.

Die Vorsitzende des Repräsentantenhauses, die Demokratin Nancy Pelosi, warf Trump Verfassungsbruch vor und bezeichnete ihn als eine fortdauernde Bedrohung für die Demokratie. «Er hat uns keine Wahl gelassen.» Der demokratische Vorsitzende des Geheimdienstausschusses in der Kammer, Adam Schiff, sagte, das Repräsentantenhaus habe seine Pflicht erfüllt. Nun sei der Senat an der Reihe.

Der Senat nimmt in einem Amtsenthebungsverfahren die Rolle eines Gerichts ein. Es ist unklar, wann genau dort ein Amtsenthebungsverfahren gegen Trump beginnen wird. Pelosi deutete an, das Repräsentantenhaus werde die beschlossenen Anklagepunkte nicht unmittelbar an den Senat übermitteln, sondern zunächst abwarten, wie das genaue Prozedere dort aussehen solle. Zum weiteren Zeitplan und zu der Frage, wie sie sich ein Verfahren im Senat vorstellt, äusserte sich Pelosi nicht näher.

Streit über Prozessablauf

Über den Ablauf des Prozesses im Senat - ob er kurz und knapp gehalten wird oder etwa neue Zeugen gehört werden - gibt es Streit zwischen Demokraten und Republikanern. Bislang wurde damit gerechnet, dass das Verfahren Anfang Januar im Senat stattfinden würde.

Trumps Republikaner haben im Senat die Mehrheit. Mindestens 20 republikanische Senatoren müssten sich auf die Seite der Demokraten schlagen, um die für eine Amtsenthebung nötige Zweidrittelmehrheit zu erreichen. Das ist nach jetzigem Stand nicht in Sicht.

Dennoch ist schon die Eröffnung des Verfahrens ein Makel für Trump. Vor ihm mussten das nur zwei andere Präsidenten über sich ergehen lassen: Bill Clinton Ende der 1990er Jahre und Andrew Johnson im 19. Jahrhundert. Gegen einen weiteren Präsidenten, Richard Nixon, waren zwar ebenfalls Impeachment-Ermittlungen geführt worden - Nixon trat aber zurück, bevor das Repräsentantenhaus über die Anklagepunkte abstimmte. Bislang wurde noch kein US-Präsident des Amtes enthoben.

Trump mobilisiert Anhänger

Trump könnte das Impeachment-Verfahren indes politisch nutzen, um seine Anhänger zu mobilisieren und sich weiter als Opfer einer parteipolitischen Kampagne zu inszenieren. Während die Abstimmung im Kongress noch lief, liess sich Trump am Mittwochabend (Ortszeit) bei einem Wahlkampfauftritt in Michigan von Unterstützern bejubeln. Unter Applaus seiner Anhänger sagte er, es fühle sich nicht so an, als werde ein Amtsenthebungsverfahren gegen ihn eröffnet. «Wir haben nichts falsch gemacht, und wir haben enorme Unterstützung in der Republikanischen Partei.» Er sei der erste Präsident, der einem Amtsenthebungsverfahren ausgesetzt sei, obwohl er kein Verbrechen begangen habe.

Auch das Weisse Haus verurteilte die Eröffnung des Verfahrens scharf und bezeichnete das Vorgehen der Demokraten als «verfassungswidrige Farce».

Unklar blieb zunächst, welche Auswirkungen das Verfahren auf die anstehenden Präsidentschafts- und Kongresswahl haben wird. Zwar findet die Abstimmung erst im November statt, die ersten Vorwahlen werden jedoch Anfang Februar abgehalten. Eine Übersicht der jüngsten Umfragen durch die Statistik-Website FiveThirtyEight zeigte kurz vor dem Votum im Repräsentantenhaus eine tief gespaltene Bevölkerung. Demnach befürworten 47,3 Prozent eine Amtsenthebung, 46,5 Prozent sind dagegen. Demokratische Wähler unterstützen das Verfahren dabei mit 82,7 Prozent, republikanische mit 10,2 Prozent.

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