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Regierung schwächt Rentenreform ab - Streiks gehen weiter

Die französische Regierung hat im Konflikt um die Rentenreform Zugeständnisse gemacht und ein Ende der Massenstreiks gefordert. Die Mitte-Regierung hält an den Grundprinzipien der Reform fest, allerdings gibt es Übergangsfristen. Den Gewerkschafte reicht das nicht.

Agentur
sda
11.12.19 - 17:41 Uhr
Politik
Premierminister Edouard Philippe will Gas geben.
Premierminister Edouard Philippe will Gas geben.
KEYSTONE/AP POOL AFP/THOMAS SAMSON

«Ich stehe voll und ganz hinter dieser Reform, weil ich sie für gerecht halte», betonte Premier Édouard Philippe am Mittwoch bei der Vorstellung der Pläne. Der mächtige Chef der Hardliner-Gewerkschaft, Philippe Martinez, kritisierte, dass die Regierung die Menschen mit ihren Ankündigungen zum Narren halte.

Philippe kündigte eine «sehr schrittweise» Einführung der Reform an. So soll grundsätzlich der erste Jahrgang, der von dem neuen System betroffen sein wird, der Geburtsjahrgang 1975 sein. Das sind Beschäftigte, die heute in grosser Mehrheit 44 Jahre alt sind. Bisher war bekannt geworden, dass die Reform für Beschäftigte vom Jahrgang 1963 an gelten solle. Es handelt sich damit um eine bedeutende Verschiebung.

Gegen die Rentenreform wird in Frankreich seit rund einer Woche gestreikt und protestiert. Der öffentliche Verkehr mit Zügen und Metrolinien ist in Paris stark gestört, viele Menschen kommen nicht oder nur verspätet zur Arbeit. Erst am Dienstag waren wieder Hunderttausende im ganzen Land auf die Strasse gegangen.

Vereinheitlichung des Systems

Mit der Reform wollen Präsident Emmanuel Macron und die Mitte-Regierung die Zersplitterung in 42 Renten-Einzelsysteme, von denen einige zahlreiche Sonderrechte und Privilegien mit sich bringen, beenden und Menschen auch dazu bringen, länger zu arbeiten. Die Reform war ein Versprechen Macrons im Wahlkampf 2017.

Philippe bestätigte, dass ein einheitliches System eingeführt werden solle. «Die Zeit für ein universelles System ist gekommen, die Zeit der Sondersysteme endet», sagte er. Grundsätzlich soll das System 2025 eingeführt werden - allerdings gibt es Ausnahmen für Jüngere.

«Wir alle wissen, dass unsere Kinder im Durchschnitt weniger durchgehende Karrieren haben werden als wir, dass die berufliche Mobilität heute stärker ist als in der Vergangenheit. Unser Rentensystem muss das zulassen»sagte Philippe. Wer heute in Frankreich in seinem Berufsleben mehrmals den Job wechselt, zahlt oft in verschiedene Kassen ein, was zu einem grossen Durcheinander führen kann.

Gewerkschaft: Inakzeptabel

Die Gewerkschaften machen weiter mobil gegen die Reform und forderten eine Verschärfung der Streiks. Gewerkschaftsboss Martinez nannte die Pläne «inakzeptabel». Bereits am Vortag hatten sie zu einem neuen Massenprotest am kommenden Dienstag aufgerufen, am Donnerstag soll es ausserdem Aktionen geben.

Der Fernverkehr im ganzen Land war am Mittwoch weiter massiv gestört, das Pariser Nahverkehrsnetz wurde ebenfalls weiterhin bestreikt. Die Stationen, an denen zu Stosszeiten vereinzelt Metros fahren, waren teilweise gefährlich überfüllt.

Künftig soll zwar am Renteneintrittsalter von 62 Jahren festgehalten werden - das war eine Zusage von Präsident Macron. Grundsätzlich müssten die Franzosen aber «etwas länger arbeiten», wie es überall in Europa der Fall sei, kündigte Philippe an. Deshalb empfiehlt die Regierung Beschäftigten grundsätzlich bis 64 zu arbeiten, um sicherzustellen, dass sie die vollen Bezüge erhalten.

Gegen Erhöhung des Rentenalters

Dieses so genannte Gleichgewichtsalter soll ab dem Jahr 2027 gelten und die Franzosen mit finanziellen Anreizen dazu bringen, später in Rente zu gehen. Philippe sprach von einer «Bonus-Malus-Regelung».

Für den Generalsekretär des eher gemässigten Gewerkschaftsbunds CFDT, Laurent Berger, ist damit eine «rote Linie überschritten», da die Franzosen nun länger arbeiten müssten. Der Linksaussenpolitiker Jean-Luc Mélenchon montierte: «Macron hat gerade die Rente im Alter von 64 Jahren eingeführt». Das neue System sei unfair und ungerecht.

Philippe bestätigte ausserdem die Einführung eines Punktesystems und einer Mindestrente von 1000 Euro pro Monat für alle mit einer kompletten Berufslaufbahn. «Die Frauen sind die grossen Gewinnerinnen des universellen Systems», so der Premier. Ihre Renten seien heute halb so hoch wie die von Männern.

Das Punktesystem soll Kinder besser berücksichtigen. "Die Reichsten sollen ausserdem einen höheren Beitrag zahlen. Die Rentenreform soll nun im Eiltempo umgesetzt werden. Ende Januar soll sie im Kabinett verabschiedet werden, eine Parlamentsdebatte soll es Ende Februar geben.

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