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Bundesrat will Zugang zu Chemikalien für den Bombenbau erschweren

Wer über das nötige Know-how verfügt, kann mit frei verkäuflichen Produkten wie Dünger oder Bleichmitteln hoch wirksame Bomben bauen. Die EU hat den Handel mit solchen Chemikalien bereits eingeschränkt. Der Bundesrat will nachziehen.

Agentur
sda
20.11.19 - 14:33 Uhr
Politik
Landwirtschaftlicher Dünger kann zum Bombenbau verwendet werden. Der Bundesrat will den Zugang zu solchen Stoffen einschränken. (Archivbild)
Landwirtschaftlicher Dünger kann zum Bombenbau verwendet werden. Der Bundesrat will den Zugang zu solchen Stoffen einschränken. (Archivbild)
KEYSTONE/GAETAN BALLY

Er hat dem Parlament am Mittwoch eine Gesetzesänderung mit diesem Ziel vorgelegt. Im Visier hat er vor allem Chemikalien, die sich in Produkten des täglichen Gebrauchs finden. Dazu zählen unter anderem Haarbleich- und Desinfektionsmittel (Wasserstoffperoxid), Dünger (Nitrate) und Lösungsmittel (Aceton).

Diese können zur Herstellung von sogenannten «home-made explosives» (HME) missbraucht werden. Die Rezepte dazu finden sich im Internet. Bei verschiedenen Anschlägen in den vergangenen Jahren kamen HME zum Einsatz. Ein Beispiel dafür ist die von Anders Breivik 2011 in Oslo gezündete Autobombe, die acht Menschen tötete. Dafür verwendete Breivik vorwiegend Kunstdünger.

Die EU hat reagiert und schränkte den Verkauf und die Verwendung von sogenannten Vorläuferstoffen 2014 ein. Seither ist die Schweiz das einzige europäische Land, in dem solche Produkte frei erhältlich sind. Das berge das Risiko, dass Kriminelle in die Schweiz auswichen, um sich Vorläuferstoffe zu beschaffen, schreibt der Bundesrat in der Botschaft.

Konzentration entscheidend

Er schlägt daher vor, für Privatpersonen den Zugang zu 100 bis 200 Produkten einzuschränken, die hauptsächlich in Apotheken, Drogerien und im Fachhandel verkauft werden. Diese Liste liegt noch nicht vor. Der Bundesrat will aber grundsätzlich die gleichen Produkte regeln wie die EU.

Das Bewilligungsverfahren setzt bei der Konzentration an. Bei Produkten mit einer schwachen Konzentration an Vorläuferstoffen sind keine Einschränkungen vorgesehen. Für den Kauf von Produkten mit erhöhter Konzentration braucht es hingegen eine Bewilligung des Bundesamts für Polizei (fedpol).

Wer ein solches Produkt kaufen will, muss den Verwendungszweck angeben. Das fedpol prüft, ob die gesuchstellende Person in den polizeilichen Informationssystemen verzeichnet ist, und nimmt nötigenfalls weitere Abklärungen vor. Wenn keine Hinderungsgründe vorliegen und der angegebene Zweck nicht mit einem frei verkäuflichen Produkt zu erreichen ist, wird die Bewilligung erteilt.

Möglicherweise wird der Verkauf von Produkten ab einer gewissen Konzentration ganz verboten. Das würde bedeuten, dass diese nur noch mit einer Ausnahmebewilligung erworben werden könnten. Darüber hat der Bundesrat noch nicht entschieden. Er will die Ergebnisse der Vernehmlassung zur Verordnungsänderung abwarten.

Unbegründete Meldungen

Verboten werden soll Privatpersonen die Herstellung und der Besitz von selbstgemachten Sprengstoffen. Die Möglichkeit, dem fedpol verdächtige Vorkommnisse in Zusammenhang mit Vorläuferstoffen zu melden, wird im Gesetz verankert. Möglich sind solche Meldungen bereits seit drei Jahren. Bisher wurden 57 Verdachtsfälle gemeldet. Nach Angaben des fedpol stellten sich diese alle als unbegründet heraus.

Für Bewilligungen und Verdachtsfälle wird voraussichtlich die Zentralstelle Explosivstoffe im fedpol zuständig sein. Diese soll dafür ein eigenes Informationssystem betreiben und auf die verschiedenen inländischen und EU-Datenbanken zugreifen dürfen.

Geprüft wird, ob Anhaltspunkte dafür bestehen, dass Vorläuferstoffe für strafbare Handlungen gegen Leib und Leben von Personen oder gegen Sachen verwendet werden könnten. Im Zweifelsfall kann das fedpol auch den Nachrichtendienst einschalten. Widerhandlungen gegen das neue Gesetz können mit bis zu drei Jahren Gefängnis bestraft werden.

Ausnahme für Bauern

Dieses gilt lediglich für Privatpersonen. Professionelle Anwenderinnen und Anwender - zum Beispiel in der Landwirtschaft und in der Industrie - sind davon nicht betroffen. Deren Kontrolle würde einen grossen administrativen Aufwand bedeuten und wäre schwierig umzusetzen, schreibt der Bundesrat in der Botschaft. Er setze auf Selbstkontrolle und Sensibilisierung. Das betrifft insbesondere die sichere Lagerung von Vorläuferstoffen.

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