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So wird gezählt, was gemeint ist

Die eidgenössischen Wahlen rücken immer näher, damit auch die Entscheidung, welche Liste man in das Abstimmungscouvert legt. Weil das Ganze etwas tricky ist, haben wir eine Wahlhilfe zusammengestellt.

Südostschweiz
22.09.23 - 17:05 Uhr
Politik
Am 20. Oktober wählt das Schweizer Stimmvolk den National-und Ständerat. Hier eine kleine Wahlhilfe.
Am 20. Oktober wählt das Schweizer Stimmvolk den National-und Ständerat. Hier eine kleine Wahlhilfe.
Bild Rico Kehl / suedostschweiz.ch

von Bettina Cadotsch

Insgesamt werden für das Schweizer Parlament 200 Nationalrats- und 46 Ständeratssitze vergeben. Im Kanton Graubünden dürfen fünf Nationalräte und zwei Ständeräte gewählt werden. 

Einfach: Ständeratswahl

Wir beginnen mit den Ständeratswahlen, bei denen das Majorzverfahren zum Zuge kommt. Gewählt ist, wer am meisten Stimmen erhalten hat und das absolute Mehr erreicht. Konkret bedeutet das, dass man mehr als einen Drittel aller Stimmen haben muss. Anders als in vielen Schweizer Kantonen ist in Graubünden keine Anmeldung der Kandidatur nötig. Das heisst, jede und jeder, der wahl-und stimmberechtigt ist, kann gewählt werden. In der Praxis wird die Kandidatur jedoch vorher bekanntgegeben, damit sie via Medien verbreitet wird.

Für die Wahl der Ständeräte gibt es eine leere Liste, welche mit zwei Namen beschriftet und abgeschickt werden kann. Bei den Ständeräten ist das Kumulieren (Namen einer Person zweimal aufschreiben) nicht möglich.

Weniger einfach: Nationalratswahl

Während bei den Ständeratswahlen selten Fragezeichen auftauchen, gibt es bei den Nationalratswahlen umso mehr Faktoren, die für Verwirrung sorgen können. Im Gegensatz zu den Ständeratswahlen kann nicht jede und jeder gewählt werden, der wahl- und stimmberechtigt ist, sondern nur wer auf einer der eingereichten Listen steht und damit offiziell bei der Standeskanzlei Graubünden als Kandidat angemeldet ist. Insgesamt sind für die Wahlen 2023 25 Listen mit je fünf Kandidaten eingereicht worden. Dem Bündner Stimmvolk stehen also insgesamt 125 Kandidaten für die fünf Sitze zur Auswahl. Der Nationalrat wird gemäss Proporzverfahren gewählt. Gewählt wird – und das ist das Wichtigste bei den Nationalratswahlen – nicht in erster Linie die Person, sondern die Liste. Jede stimmberechtigte Person darf maximal einen Wahlzettel abgeben.

Möglichkeit 1: Unveränderte Liste

Bei einer unveränderten Liste erhält die Partei fünf Listenstimmen und jeder Kandidat der Partei eine Kandidatenstimme.

GRAFIK SÜDOSTSCHWEIZ
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Möglichkeit 2: Kandidaten ersatzlos streichen

Bei einer Liste, auf der einer oder mehrere Kandidaten durchgestrichen werden, erhalten diese sinngemäss keine Stimme, die verbliebenen erhalten eine Stimme. Für die nicht ersetzten Listenplätze erhält die Partei jedoch trotzdem eine Listenstimme.

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Möglichkeit 3: Kandidaten ersetzen (Panaschieren)

Wenn man einen Kandidaten einer Liste streicht und ihn durch einen Kandidaten einer anderen Partei ersetzt, nennt man dies panaschieren. Dadurch verliert die Partei der vorgedruckten Liste eine Listenstimme, die Partei des eingefügten Kandidaten gewinnt eine zusätzliche Stimme.

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Möglichkeit 4: Kandidaten verdoppeln (Kumulieren)

Wenn man für einen Kandidaten besonders viel Sympathie hat und ihn besonders unterstützen möchte, kann man seinen Namen doppelt aufführen. Weil aber nur fünf Namen auf einer Liste stehen dürfen, muss dafür ein anderer Kandidat gestrichen werden. An der Anzahl Listenstimme der Partei ändert sich nichts.

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Möglichkeit 5: Leere Liste mit Parteibezeichnung

In jedem Wahlcouvert befindet sich auch eine leere Liste, auf der man oben die Bezeichnung einer bestehenden Liste einfügen und unten beliebige Kandidaten aufführen kann.

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Möglichkeit 6: Leere Liste ohne Parteibezeichnung

Es ist auch möglich, eine leere Liste ohne Parteibezeichnung auszufüllen und nur Kandidaten zu nennen. So erhält jede Partei so viele Listennamen, wie Kandidaten von ihr aufgeführt sind.

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Die Liste ist wichtiger als die Person

Etwas vom Entscheidenden bei den Nationalratswahlen sind die Listenverbindungen, hinter denen strategische Überlegungen der Parteien stecken. Dabei gruppieren sich zwei oder mehrere Listen für die Wahlen und treten damit für die Berechnung der Sitzzahl, die sie möglicherweise erringen, als neu faktisch eine einzige Liste auf. Für die Wahlen 2023 gibt es folgende Listenverbindungen: Listenverbindung 1 (Liste 4 Die Mitte - Aufbruch, Liste 8 Die Mitte - Zukunft, Liste 11 Die Mitte - Fortschritt, Liste 12 FDP - die Erste, Liste 13 Die Mitte - Vertrauen, Liste 16 FDP - die Jungen, Liste 17 FDP - die Zweite), Listenverbindung 2 (Liste 1 SVP Power - SVP, Liste 2 Eidgenössisch-Demokratische Union, Liste 5 SVP Puura - SVP, Liste 6 JSVP - Junge SVP, Liste 10 SVP Gipfelstürmer - SVP, Liste 25 SVP Senioren - SVP) und Listenverbindung 3 (Liste 3 Grüne Verantwortung, Liste 7 Grüne Zukunft, Liste 14 SP Juso 1, Liste 15 SP, Liste 18 SP Juso 2, Liste 19 Freie Unabhängige Bündner, Liste 20 GLP - Hauptliste, Liste 21 GLP - Plus 1, Liste 22 GLP - Plus 2, Liste 23 GLP - Plus 3, Liste 24 GLP - Junge). Dies hat zur Folge, dass nicht die Kandidaten gewinnen, die am meisten Stimmen erreichen, sondern jene, welche die besten Listenverbindungen haben.

Und dann noch die letzte Bürokratie

Damit Eure Stimme nicht auf die Liste der Ungültigen kommt, müsst Ihr bei den Wahlzetteln Folgendes beachten:

  • Wahlzettel muss amtlich sein
  • Abänderungen an den Listen müssen handschriftlich gemacht werden
  • Wahlzettel dürfen keine ehrverletzenden Aussagen und Beleidigungen enthalten
  • Mindestens der Name muss auf der Liste sein, also z.B. Muster. In diesem Fall dürfen aber keine begründeten Zweifel offen sein, welchen Kandidat man meint. Am besten schreibt man den Vornamen und den Namen sowie die Parteizugehörigkeit auf, also Hans Muster (SMP).

Dieser Artikel erschien in einer ähnlichen Form bereits vor den letzten eidgenössichen Wahlen 2019.

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