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Zuerst soll es die Natur selber regeln

Der Kanton erklärt, warum er beim Problem der Wasserpest im Näfelser Obersee nicht aktiver eingreift.

Südostschweiz
15.08.18 - 04:30 Uhr
Politik
Die Wasserpest im Obersee ist in den letzten beiden Jahren zurückgegangen.
Die Wasserpest im Obersee ist in den letzten beiden Jahren zurückgegangen.
SASI SUBRAMANIAM

Im Obersee wurde 2010 zum ersten Mal die aus Nordamerika stammende Nuttalls-Wasserpest festgestellt. Sie hat sich von 2014 bis 2016 massiv ausgebreitet, bis sie praktisch den ganzen Seegrund bedeckt hat. 2017 hat ihr Bestand deutlich und 2018 nochmals stark abgenommen. Er ist heute markant geringer. Dies geht aus dem gestrigen Bulletin des Regierungsrates hervor. Ende April hatten Martin Landolt und Mitunterzeichner die Interpellation «Obersee» eingereicht, die nun von der Regierung wie folgt beantwortet wird:

Warum wird eine Spezialfirma damit beauftragt, Pflanzenmaterial zu mähen (Mai 2017), nachdem im Juli 2015 ein beauftragtes Planungs- und Beratungsbüro und im März 2016 die zuständige Hauptabteilung selber explizit darauf hingewiesen haben, dass Mähen die Pflanzenbestände nicht reduziert, sondern sogar deren Wachstum fördert?

Die Medienmitteilung der Abteilung Umweltschutz und Energie im März 2016 gab den aktuellen Stand der wissenschaftlichen Diskussion wieder. Die lokalen Fischer hatten bereits zweimal (2014 und 2016) mit den Technischen Betrieben Glarus Nord (TBGN) lokale Abmäh- oder Abreissaktionen durchgeführt. Im Frühling 2017 erteilte die Gemeinde einer Spezialfirma den Auftrag für das Abmähen des Pflanzenbestandes im Nordosten des Obersees.

Ziel dieser Aktion war es, den Pflanzenbestand in einer Bucht des Obersees zu reduzieren, damit das Fischen dort erleichtert wird. Die Spezialfirma erachtete das Abmähen nicht als langfristige Lösung des Problems, sondern lediglich als kurzfristige Entlastung des Sees und als kurzfristige Erleichterung der Fischerei. Die kantonale Verwaltungsstelle befürwortete deshalb diesen Schritt zwar nicht, erkannte darin aber eine Möglichkeit zur wissenschaftlichen Untersuchung. Dadurch konnte der Effekt des Abmähens auf das Pflanzenwachstum im Sinne eines Versuchs untersucht werden.

Wo und wie wurde das Material entsorgt? Bestehen dafür spezifische Anforderungen? Wie hoch sind die Entsorgungskosten?

Das abgemähte Material (2017 waren das 6,7 Tonnen) wurde vorschriftsgemäss in der Kehrichtverbrennungsanlage Linth entsorgt. Der Zweckverband hat 2017 auf eine Gebühr verzichtet. 2014 und 2016 haben die TBGN den Abtransport und die Entsorgung organisiert und bezahlt.

Warum wurde stattdessen nicht die von Experten als erfolgversprechend empfohlene Massnahme «Trockenfallen und Ausfrieren» umgesetzt?

Die Experten der beauftragten Firma haben von dieser Methode ausdrücklich abgeraten. Im Bericht vom Juli 2015 wird diese Methode als nicht nachhaltig bewertet. Die Erfolgsaussichten seien klein. Hauptsächlich deshalb, weil der Obersee gar nicht vollständig abgesenkt werden kann und in diesem Restsee sowie im Sediment genügend austriebfähiges Pflanzenmaterial verbleibt, sodass der See in kürzester Zeit wieder besiedelt werden kann. Im Nachfolgebericht von 2016 wird unter den möglichen Massnahmen das Trockenfallen nicht einmal mehr erwähnt. Wenn so geringe Erfolgsaussichten bestehen, so kommt eine derart drastische Massnahme, die wirtschaftliche und ökologische Konsequenzen hat, nicht infrage. Erfahrungen in anderen Seen bestätigen zudem diese Feststellungen.

«Welche Konsequenzen hätte ein Notablass für die Gewässer und das Kulturland im Glarner Unterland?»

 

Ist der Regierungsrat auch der Meinung, dass sich genau diese Massnahme nun regelrecht aufdrängt, nachdem die Hauptabteilung gemäss Mitteilung vom 14. Februar davon ausgeht, dass der erstmalige Rückgang mit der lange aufliegenden Eisschicht zusammenhängt?

Der Regierungsrat ist der Meinung, dass eine Massnahme mit geringen Erfolgsaussichten nicht gerechtfertigt ist. Die Erfahrung des Jahres 2018 mit einem nochmals geringeren Wachstum von Nuttals-Wasserpest zeigt, dass es besser ist, die natürlichen Vorgänge wirken zu lassen und erst dann einzugreifen, wenn übermässige Beeinträchtigungen zu erwarten sind und die natürlichen Prozesse dies nicht verhindern können.

Warum wird das Problem nur zaghaft angegangen, obschon das Risiko latent besteht, dass bei einem Notablass die Wasserpest im Unterland verbreitet werden könnte?

Wie erwähnt ist ein Handeln mit geringen Erfolgsaussichten nicht angebracht. Im Sommer 2018 war kaum Pflanzenmaterial im Rechen des Obersees festzustellen. Damit dürfte auch nur wenig Pflanzenmaterial in die unterliegenden Gewässer gelangen. Die Nuttalls-Wasserpest kommt im Zürichsee und in einigen Gewässern der Linthebene (so im Fabrikweiher Niederurnen) bereits seit Jahren vor. In fliessenden Gewässern wird sie selten festgestellt.

Welche Konsequenzen hätte ein Notablass für die Gewässer und das Kulturland im Glarner Unterland?

Ein Notablass des Obersees hätte wohl eine Überschwemmung von Kulturland zwischen Näfels und Oberurnen zur Folge, aber kaum eine Weiterverbreitung der Wasserpest. Sie kommt allerdings bereits in den dazu geeigneten, stehenden Gewässern des Unterlandes vor.

Wie hoch sind die bisherigen Kosten für den Kanton? Und kennt der Regierungsrat auch die entsprechenden Kosten bei der Gemeinde Glarus Nord und deren Technischen Betrieben?

Die externen Kosten des Kantons für die bisherigen Untersuchungen belaufen sich auf 65 000 Franken. Zusätzlich hat der Kanton Zürich einen Teil der Kosten für die Überwachung im Rahmen der Ostschweizer Zusammenarbeit Biosicherheit getragen. Die Kosten der Gemeinde für die Mähaktion 2017 lagen bei gut 30 000 Franken. Die externen Kosten der TBGN waren 2016 wegen des Aufwands für die Rechenreinigung, die Entsorgung des Rechengutes und die Ausreissaktion der Fischer beträchtlich und in den Jahren 2017 und 2018 deutlich tiefer. Insgesamt liegen sie bei gegen 40 000 Franken.

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