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490 Millionen Kapital werden nicht besteuert

Glarner Firmen haben fast 500 Millionen Franken reserviert, um sie steuerfrei auszuzahlen. Ganz legal nach der Unternehmenssteuer-Reform von 2008.

Fridolin
Rast
22.06.18 - 04:30 Uhr
Politik
Kein Grund zu Missmut: Finanzdirektor Rolf Widmer erklärt, warum bestimmtes Firmenkapital  nicht besteuert werden soll.  Bild Sasi Subramaniam
Kein Grund zu Missmut: Finanzdirektor Rolf Widmer erklärt, warum bestimmtes Firmenkapital nicht besteuert werden soll. Bild Sasi Subramaniam

Die Zahl für die ganze Schweiz ist beeindruckend: 2034 Milliarden oder gut 2 Billionen Franken sind vom Bund zur steuerfreien Ausschüttung genehmigt, das schreibt der Regierungsrat im jüngsten Bulletin als Antwort auf eine Interpellation der SP.

Das Geld haben Firmen als Kapitaleinlagereserve (KER) ausgeschieden und für ihre Aktionäre bereitgelegt, wie es die Unternehmenssteuerreform II seit 2011 ermöglicht. Es stellt die Differenz dar zwischen dem Nennwert der Aktien und ihrem Ausgabepreis, das sogenannte Agio. Dass die Zahl so hoch ist, habe mit der beschlossenen Rückwirkung bis 1997 zu tun.

Im Kanton Glarus haben 30 Firmen zwischen 2011 und September 2017 solche KER angemeldet. Das schreibt der Regierungsrat mit Bezug auf die Eidgenössische Steuerverwaltung. Welche der total 2400 steuerpflichtigen juristischen Personen das sind, sagt die Regierung nicht, nicht einmal aus welchen Branchen sie sind. Es gelte das Steuergeheimnis.

Geldwäscherei ist möglich – Klarheit nicht

Diese 30 Firmen haben KER von 490 Millionen Franken gebildet und innert weniger als sieben Jahren 375 Millionen davon wieder an die Aktionäre zurückbezahlt. Mit Blick auf die ganze Schweiz sei das ein verschwindend kleiner Anteil von 0,02 Prozent. Geldwäscherei kann dabei laut dem Regierungsrat «nicht a priori ausgeschlossen» werden, soweit das Kapital aus dem Ausland kommt oder dorthin zurückfliesst.

Wesentlich mehr Informationen enthält der zweiseitige Bulletintext nicht. Wobei sich die Regierung an die bundesrätliche Antwort auf die Interpellation von SP-Nationalrätin Margret Kiener Nellen anlehnt und festhält, von ihr seien ja auch die Fragen der Glarner SP-Landräte entlehnt. Unbeantwortet bleiben die Fragen der SP nach

● dem Anteil des Geldes und der Anzahl zugewanderter Firmen, die aus dem Ausland kommen;

● den durch die Firmen geschaffenen Arbeitsplätzen;

● den betreffenden Branchen;

● der Aktionärsstruktur und ob die KER innerhalb des Konzerns ausbezahlt wurden;

● den Steuern, die dem Kanton und den Gemeinden durch die «völlig steuerfreien» Kapitalausschüttungen entgingen.

Bund soll 40 Milliarden verlieren

Laut einer Zusammenstellung von «Cash online» haben etwa die Grossbank UBS oder die Zürich Versicherungen ihre Dividenden «seit Jahren» steuerbefreit ausgeschüttet. Dem Schweizer Fiskus entgehen damit laut Schätzung von «Cash» 40 Milliarden Franken. Von den aufgelisteten Firmen hat demnach die Leonteq genug Reserven, um dies noch während 42 Jahren zu tun, Lafarge Holcim immerhin für 16 Jahre. Etlichen Firmen gehen diese rückwirkend auf das Jahr 1997 mobilisierten Reserven aber nun aus.

Sie nicht zu besteuern, sei allerdings in Ordnung oder «steuersystematisch konsequent», erklären der Regierungsrat und der Bundesrat: «Bringt ein Aktionär etwa bei einer Kapitalerhöhung Kapital in eine Gesellschaft ein, so ist die Rückzahlung nach dem Kapitaleinlageprinzip steuerfrei.» Und sie ziehen folgenden Vergleich: Ein Darlehen, das man jemandem gibt, werde bei der Rückzahlung auch nicht nochmals als Einkommen besteuert. Steuerbar seien nur die Zinsen auf dem Darlehen.

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