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Nach SVP-Rauswurf: Perls Brief an Anja

Eine Journalistin wird beim Wahlhock der Bündner SVP rausgeworfen und ein SPler macht sich für sie stark. Grossrat Andri Perl wird persönlich.

Südostschweiz
12.06.18 - 04:30 Uhr
Politik
Grosser Rat Aprilsession Session April 2018
Andri Perl macht sich für Anja Conzett stark.
OLIVIA ITEM

Die Bündner Wahlen 2018 boten einiges an Spannung. Und auch nach dem Auszählen der Stimmen mangelt es nicht an Schlagzeilen.

Der neuste Aufreger: Heinz Brand, Präsident der Bündner SVP, soll am Wahlhock vom Sonntagabend in Chur «Republik»-Journalistin Anja Conzett rausgeworfen haben. Dies berichtete das Online-Portal «grheute» am Montag. «Sie sind hier nicht erwünscht», soll der Parteipräsident jener Journalistin gesagt haben, die für die «Republik» über den Bauskandal in Graubünden und die Verhaftung des Informanten Adam Quadroni geschrieben hatte. Brand soll Conzett wohl eine Mitschuld an der Wahlniederlage des SVP-Kandidaten Walter Schlegel gegeben haben.

Nun schaltet sich auch noch Conzetts ehemaliger Verlobter und SP-Grossrat Andri Perl ein. Er verteidigt die Bündner Journalistin in seiner Kolumne in der heutigen Ausgabe der Zeitung «Südostschweiz».

Es ist Montagnachmittag, und ich bin froh, dass die Kantonspolizei nur zum Personenschutz und nicht für eine Alkoholkontrolle vor dem Grossratsgebäude steht. Gestern ist es feuchtfröhlich geworden. Wir durften auf Peter Peyer anstossen. Wir durften auf unser Rekordergebnis im Grossen Rat anstossen. Wir durften auf kleine und grosse Sensationen anstossen, zum Beispiel auf die Wahl von Julia Müller im Kreis Trins. Und als Präsident der SP Chur habe ich besonders oft auf das Ergebnis in unserer Kantonshauptstadt angestossen. Das Untertor im Stadtwappen leuchtet heute besonders rot. Tausend Dank der Wählerschaft!
Wenn ich in die Runde blicke im Ratssaal, stelle ich fest, dass nicht nur in unseren Reihen die Blicke etwas müde sind, während wir die Staatsrechnung besprechen. Es liegt nicht (nur) an der Staatsrechnung. Auch die Kolleginnen und Kollegen in den anderen Parteien hatten gestern einiges zu feiern und sei es nur das Ende eines mühsamen Wahlkampfs. Zum Glück taten wir das auch gemeinsam, denn die politische Kultur in unserem Kanton ist hoch. Wir gratulierten uns ehrlich, wir bedauerten das Ausscheiden von respektierter Konkurrenz aus dem Rat. Wir schauten uns in die Augen im Wissen darum, dass die Debatten auch künftig hart, aber fair verlaufen. Danach verteilten wir uns auf unsere Wahlfeste.
Die SVP versammelte sich dabei beim benannten Untertor. Bei ihr herrschte verständlicherweise Enttäuschung über den verpassten Einzug in die Regierung. Was sich aber ihr Nationalrat im Laufe des Abends leisten sollte, ist mit keiner Enttäuschung zu rechtfertigen und der politischen Kultur des Kantons unwürdig. Er unterbrach eigens seine Rede, um mit dem Finger auf die seiner Meinung nach am Schlamassel Schuldige zu zeigen und sie unter hämischem Applaus und Gejohle des Saales zu verweisen. Die Schuldige ist Anja Conzett, die mit zwei anderen Journalisten die Geschichte rund um das Baukartell in der «Republik» veröffentlicht hat. Und deshalb muss ich persönlich werden.

Liebe Anja
Nun zeigen Sie mit dem Finger auf Dich. Du bist schuld. Nicht die falsche Wahlkampfstrategie. Nicht das Kartell ist schuld. Nicht Deine Kolleginnen und Kollegen, die mit Dir wochen- und monatelang recherchiert und geschrieben haben. Nein. Du.
Ich bin erschüttert, über all den Unsinn, den Dir SVP- und BDP-ExponentInnen in den Tagen vor der Wahl unterstellt haben. Sie haben Deine (und interessanterweise nur Deine) journalistische Integrität verleumderisch angegriffen. Haben ohne stichhaltigen Anhaltspunkt insinuiert, Du hättest Dich mit der SP und gleich auch noch mit der Weko abgesprochen und verschworen. Wilde Gerüchte haben sie verbreitet. Ein BDP-Kandidat ist so weit gegangen, insgeheim die Medien zu beackern, sie sollten endlich publik machen, dass wir zwei – Du und ich – ein Paar waren.
Liebe Anja, unsere Beziehung ging in die Brüche. Unsere Verlobung haben wir aufgelöst. Das Leben hat es anders gewollt. Dass unsere Liebe nun dafür missbraucht wird, Deine journalistische Integrität zu beschmutzen, lässt mir Tränen der Wut in die Augen steigen. Dabei weiss ich aus (hin und wieder schmerzlicher) Erfahrung, dass Du nur jemandem verpflichtet bist: Deinem Berufsethos. Du bist unbestechlich. Du bist unerbittlich. Lass Dich ja nicht kleinkriegen. Von niemandem.
Herzlich Andri

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Äh, hat es sich bei dem SVP um einen öffentlichen Anlass gehalten? Ich denke nicht, folglich ist der Rauswurf einer nicht erwünschten Person völlig legitim, Punkt. Diese "Meldung" ist Journalismus auf 20Min Niveau.

Die Hateposts hier finde ich wie aus dem falschen Film - mutmasslich etwa das Klima, das an dem "SVP-Wahlhock" zur "Ausschaffung" geführt haben dürfte - leider unsere (negative) Gesellschafts"entwicklung".
Siehe meinen Kommentar:
https://www.suedostschweiz.ch/leserbriefe/2018-06-03/regierungsratwahlen
Anja Conzett und Andri Perl finde ich Highlights – in einem sonst oft eher weniger leuchtenden Kanton, "Leuchttürmen" in Marketingfatamorganas zum Trotz.
Siehe Kommentar:
https://www.suedostschweiz.ch/news/2018-06-12/die-tigermuecke-hat-im-mi…

Mir kommen auch gleich die Tränen - vor Brechreiz. Was bitte schön soll dieser Brief? Gehört besser in die Schmuse-Story-ecke des Jugendmagazins Bravo. Gibts das noch? Dort wäre es die Topstory!

Jössäsgötterlinäiaberau wiä härzig! Tsss ... und mir ausserdem ein weiterer Beweis dafür, dass Schauspieler, Schriftsteller, Liederer und andere Wasserglasbestürmer sehr oft einfach auch nur bei ihren Leisten bleiben sollten.

Wenn einige Bauunternehmer ihre Preise absprechen, was verboten ist, x Millionen u.A. Steuergelder kassieren, so ist nicht der Whistleblower Adam Quadroni anzuklagen, sonder die beteiligten Baufirmen und die, die davon etwas gewusst haben und nichts getan haben.
Bei gewissen Reportern ist das Geld wichtiger als die Ehre.
Ich hoffe, dass die Machenschaften aufgedeckt werden und alle Beteiligten sich verantworten müssen.

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