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Der Ex-Heimleiter findet, es sei keine sexuelle Belästigung

Ein Vorgesetzter wird wegen mehrfachen Vorwürfen über sexuelle Belästigung entlassen. Worauf er versucht, den Spiess gegen die Betroffenen umzudrehen. Damit blitzt er aber vor dem Kantonsgericht ab.

Fridolin
Rast
23.05.18 - 04:30 Uhr
Politik
Ex-Heimleiter blitzt beim Kantonsgericht ab.
Ex-Heimleiter blitzt beim Kantonsgericht ab.
SYMBOLBILD

Einem ehemaligen Leiter in einem Heim im Kanton Glarus hat der Arbeitgeber gekündigt. Vier Frauen – drei Angestellte und eine Bewohnerin – fühlten sich von ihm wiederholt sexuell belästigt, was dem Personalchef gemeldet wurde.

Der Arbeitgeber griff durch: Er hat dem Chef, der zwei Wochen nach der (internen) Anzeige krankgeschrieben wurde, nach Ablauf der sechsmonatigen Sperrfrist gekündigt. Was klar mit den Vorwürfen zusammenhängt. So das Urteil des Kantonsgerichts, das der «Südostschweiz» vorliegt.

Durch die Anzeigen an die Personalchefs sah sich der Kläger in seiner Persönlichkeit verletzt. Weshalb er beim Kantonsgericht klagte: Das Gericht solle feststellen, dass die Vorwürfe nicht zuträfen. Der Kläger verlangte ausserdem von den vier Frauen je 20 000 Franken Genugtuung und wollte sich das Recht vorbehalten, weitere Schadenersatzforderungen einzuklagen.

Vorwürfe sind glaubwürdig

Das Kantonsgericht weist seine Klage auf Genugtuung ab, und er muss je-der der Frauen 3000 Franken Parteientschädigung zahlen. Auf die Feststellungsklage tritt das Gericht nicht ein: Es stellt also nicht fest, die Vorwürfe seien unrichtig, im Gegenteil. Es hält im Urteil fest, dass ihre Schilderungen durchwegs glaubhaft seien.

Diesen Schluss zieht schon ein interner Bericht an den Personalchef. Es gehe um sexuelle Belästigung der Angestellten: anzügliche Bemerkungen, Anfassen an Schultern, Haaren, Händen und einmal am Po. Und es gehe um ungebührliches Verhalten gegenüber Bewohnerinnen: Der Kläger habe ihnen Vorteile versprochen, wenn sie ihm sexuell entgegenkämen.

Auch das Gericht befragt die vier Frauen, von denen der Kläger Schadenersatz forderte. Sie schildern Berührungen bis hin zum Hand um Po, Hüfte oder Taille legen, Hüfte und Wange streicheln. Zwei der Frauen sagen darüber hinaus, viele Bewohnerinnen hätten Ähnliches berichtet.

Alles geschah offenbar immer nur, wenn der Chef mit einer der Frauen allein war. Deren Reaktion: Sie vermieden es wenn möglich, mit dem Chef allein in einem Raum zu sein.

«Unangemessenes Verhalten»

Die Anschuldigungen seien erfunden, wirft der Ex-Chef den Frauen vor, der sich als Opfer von Mobbing sieht. Die Vorwürfe seien ausserdem gravierend, und sie hinderten ihn am beruflichen Fortkommen. Ein Argument, welches das Gericht nicht verneint. Steht doch im Zwischenzeugnis, das zwar «grundsätzlich wohlwollend» formuliert sei, als Kündigungsgrund «unangemessenes Führungsverhalten».

Dennoch tritt das Gericht auf die Klage nicht ein. Mehr noch, so oder so würde es sie abweisen. Zwar wiegen die Anschuldigungen schwer, doch beschreiben sie ein «höchst unangemessenes Verhalten, das zumindest umgangssprachlich ohne Weiteres als sexuelle Belästigung qualifiziert würde».

Die Wahrheit ist erlaubt

Mit der Klage darüber zum Personalchef zu gehen, sei zwar «geeignet, den Ruf des Klägers zu schädigen». Doch es sei eine zulässige Persönlichkeitsverletzung, wenn die Vorwürfe wahr seien.

14 Tage nach der Meldung wird der Chef krankgeschrieben, noch eine Woche später wird ihm der Chefposten entzogen, sechs Monate nachher bekommt er die (ordentliche) Kündigung mit einer halbjährigen Frist.

Ohne sexuelle Absicht sei es keine sexuelle Belästigung, verteidigt sich der Kläger. Und wird vom Gericht eines anderen belehrt: Seine Komplimente hätten die Grenze zum Anzüglichen und deutlich Sexuellen teilweise überschritten, er habe die Frauen gegen ihren Willen berührt und sei vereinzelt noch weitergegangen: «Indem er auch den Hintern, die Taille oder die Brüste der Betroffenen berührte, tritt der sexuelle Bezug nun überdeutlich zutage.» Selbst Bewohnerinnen seien nicht verschont geblieben, im Gegenteil: Ihnen gegenüber habe er «zum Teil noch andere Grenzen überschritten».

Nachteile trotz richtigem Handeln

Der Ex-Heimleiter sieht sich als Opfer einer Mobbing-Verschwörung und bestreitet, diese Handlungen überhaupt vorgenommen zu haben. Was das Gericht angesichts der nicht näher ausgeführten Vorgeschichte und der «detaillierten und widerspruchsfreien Aussagen» der Beklagten als Ausreden qualifiziert.

Einen hohen Preis zahlen allerdings auch die Frauen, die sich gewehrt haben. Sie haben sich zwar «angesichts der konkreten Umstände durchaus korrekt verhalten», doch zumindest einer von ihnen hat «die Angelegenheit nur Nachteile eingebracht». Eine von ihnen musste sogar schliesslich die Stelle aufgeben und wegziehen, wie das Gericht schreibt.

Nachteile, obwohl sie das Recht auf ein funktionierendes Arbeitsumfeld haben und darauf, dass belästigendes Verhalten gemeldet und abgestellt wird. Und obwohl das Gesetz dem Arbeitgeber die Fürsorgepflicht auferlegt: Er muss gegen sexuelle Belästigungen am Arbeitsplatz einschreiten. Was er nur kann, wenn sie auch gemeldet werden.

Laut Informationen des Gerichts hat der Ex-Chef das Urteil ans Obergericht weitergezogen.

Er hat bereits 2016 vor Kantonsgericht auch die Kündigung als widerrechtlich angefochten und den Arbeitgeber auf eine Entschädigung von 200 000 Franken eingeklagt. Auch diese Klage ist abgewiesen worden, dieses Urteil ist rechtskräftig.

Der Ex-Heimleiter habe die Frauen gegen ihren Willen berührt und sei vereinzelt noch weiter gegangen.

Die Vorwürfe seien erfunden, wirft der Ex-Chef den Frauen vor, er sieht sich als Mobbing-Opfer.

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