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«Wir müssen konsequent bleiben»

Priska Müller ist Co-Präsidentin der Grünen. Sie erklärt, warum sich die Grünen auch in Zukunft konsequent für die Umwelt einsetzen.

Sebastian
Dürst
16.05.18 - 04:30 Uhr
Politik
Rundum grün: Priska Müller und ihre Partei setzen sich im Landrat konsequent für den Erhalt der Glarner Natur ein.
Rundum grün: Priska Müller und ihre Partei setzen sich im Landrat konsequent für den Erhalt der Glarner Natur ein.
SASI SUBRAMANIAM

Frau Müller, stört es Sie eigentlich nicht, dass mittlerweile jede Partei den Umweltschutz in ihr Parteiprogramm aufgenommen hat?

Nein. Aber ich wünsche mir, dass sie auch entsprechend handeln.

Machen sie das denn nicht?

Nein. Sonst würden wir ja jedes Anliegen durchbringen. Zum Beispiel der Langsamverkehr: An der Landsgemeinde will doch keiner mehr Nägel mit Köpfen machen.

Also braucht es auch im Glarner Landrat die Grünen?

Genau. Wir kämpfen dafür, dass die Umwelt-Anliegen umgesetzt werden und nicht Lippenbekenntnisse bleiben.

Wechseln wir in die Wählerperspektive: Was bringt es einem sozial- und umweltbewussten Wähler, wenn er statt der SP die Grünen wählt?

Wir pochen konsequent darauf, Umweltanliegen umzusetzen. Wir suchen Lösungen, die langfristig funktionieren, aber bei der Umwelt weichen wir nicht von unserer Linie ab. Das hat einen Grund: Die Umwelt ist nicht ersetzbar. Wenn eine Art einmal verschwunden ist, bleibt sie es. Wir wollen aber auch vorausschauend handeln: Die Raumplanung ist uns wichtig, weil wir Besonderheiten erhalten wollen, die wir noch haben.

«Bei der Umwelt weichen wir nicht von unserer Linie ab, weil sie nicht ersetzbar ist.»

Bei den Grünen ist das Links-Sein verhandelbar, die Umwelt nicht?

Die Umwelt ist nicht verhandelbar, das stimmt. Es gibt einfach Unterschiede zur SP in der Art, wie wir die Anliegen vertreten. Die Grünen sind sich schon lange gewohnt, in der Opposition zu sein. Darum wollen wir aus dieser Rolle hinaus auch wirklich Lösungen suchen, und nicht nur Oppositionspolitik um der Oppositionspolitik willen betreiben.

Ein Grüner sein ist mehr, als in einer Partei sein. Es ist eine Lebenseinstellung. Wie kann man da überhaupt Kompromisse akzeptieren?

Natürlich stehen wir für unsere Überzeugungen ein und leben sie auch. Aber wir fordern nicht, dass wir leben wie vor 50 Jahren. Wie nicht jeder FDP-ler eine Firma gründet oder jeder SP-ler ein Fabrikarbeiter ist. Wichtiger ist, dass ich meine Entscheidungen bewusst treffe: Wenn ich das Auto nehme, dann gezielt. Und politisch setze ich mich dafür ein, dass die Leute weniger weite Arbeitswege haben, damit sie das Auto weniger brauchen.

Was haben die Grünen in der letzten Legislatur erreicht?

Wir haben viel dazu beigetragen, dass Probleme diskutiert werden. Nicht immer sind sie mehrheitsfähig. Beispielsweise beim Langsamverkehr. Oder auch bei den Buslinien. Wir haben auch Fragen gestellt zum Biodiversitätsverlust im Wald, zu den Programmen gegen die Neophyten. Es ist wichtig, dass wir hier Lösungen finden, bevor der Bund reagiert, wenn alles schon zugewachsen ist.

Sie erwähnen Vorstösse, mit denen sie nicht erfolgreich waren. Was enttäuschte Sie besonders?

Sehr enttäuscht hat mich, dass die Motion zur Inventarisierung der Kulturdenkmäler durchgekommen ist. Und die Regierung das auch so umsetzen will.

Bei den Grünen sind drei von sieben Landräten Landrätinnen. Wie kommt das?

Bis vor kurzem waren es ja sogar vier von sieben. Es spielt schon eine Rolle, dass wir immer weibliche Vorbilder haben. Schon vor dem Co-Präsidium mit Regula Keller und mir war mit Myrta Giovanoli eine Frau Präsidentin. Und wir haben seit 22 Jahren eine eigene Sektion der Grünen Frauen. Das macht den Einstieg einfacher. Wir haben dort auch Anlässe mit gemütlichem Beisammensein. Für Frauen ist es nicht ganz einfach, Politik, Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen. Darum versuchen wir die Partei so zu organisieren, dass Politik nicht nur Arbeit ist, sondern auch Spass macht. Dafür setzt man lieber Zeit ein.

Kommen wir zur Zukunft: Was sind die drei wichtigsten Themen, für die sich die Grünen in der kommenden Legislatur einsetzen wollen?

Nach wie vor sind Lösungen in der Klima- und Energiepolitik dringend. Auch unser Lebensraum ist nach wie vor ein zentrales Thema: Es braucht weitsichtige raumplanerische Lösungen. Wir müssen mehr gestalten und weniger reparieren. Der Norden entwickelt sich in Richtung Agglo von Zürich. Für die Lebensqualität in den Dörfern muss etwas passieren. Der Süden ist eine klassische Gebirgsregion, die sich entleert. Hier braucht es neue Impulse. Aber nicht auf Kosten der Kultur- und Naturschätze, die es dort noch gibt.

Es steht kaum zu erwarten, dass die Grünen nach den Landratswahlen zur bestimmenden Partei werden. Ist es nicht frustrierend, nur in der Opposition zu sein, ohne dass die eigenen Ideen umgesetzt werden?

Wir haben eine vollbürgerliche Regierung, die als bewährtes Team auftritt und eine grosse Glaubwürdigkeit hat. Wir wollen aber Themen früh anstossen und denken weitsichtiger. Es ist auch unser Gewinn, wenn sie erst nach fünf oder zehn Jahren in der breiten Bevölkerung ankommen und umgesetzt werden. Umso wichtiger ist es, dass wir hartnäckig bleiben und sie immer wieder aufs Tapet bringen, auch wenn andere finden: «Warum schon wieder?»

Sie sind seit 14 Jahren Landrätin. Wird man nach einer so langen Zeit noch ernst genommen, wenn man immer auf den Tisch klopfen muss?

Wir werden auf jeden Fall ernstgenommen. Wir sind ja auch grösser als die CVP und gleich gross wie die SP. Aber ja, es braucht eine gewisse Härte, mit denselben Themen immer wieder zu kommen. Darum brauchen wir auch immer wieder neue, junge Leute, die auf keinen Fall abwägen wollen. Es ist wichtig, dass wir nicht zu pragmatisch werden. Aber wir wollen auch konstruktiv sein und so wahrgenommen werden.

Wenn Sie mehr mit anderen Parteien zusammenarbeiten würden, könnten sie mehr bewegen.

Wir arbeiten mit allen Parteien zusammen. Wir wollen nicht weniger umweltfreundlich werden, indem wir schon zu Beginn einer Diskussion den Kompromiss des Kompromisses akzeptieren.

«Strassen, die man nicht baut, sind extrem günstig.»

Grüne Anliegen kosten. Soll der Kanton die Steuern dafür erhöhen?

Nein. Wenn man richtig rechnet, kosten unsere Anliegen nicht, sondern sparen sehr viel Geld in der Zukunft. Unsere Vorstösse verhindern Mehrkosten. Strassen, die man nicht baut, sind extrem günstig. Mit dem Geld, das man damit spart, kann man noch lange Zeit Velowege sanieren oder den öV ausbauen. Und man spart sogar noch Gesundheitskosten. Es ist eine andere Rechnung die wir machen. Die lohnt sich je länger je mehr.

Zum Schluss: Wie würde der Kanton Glarus aussehen, wenn die Grünen in den letzten zehn Jahren mehr zu sagen gehabt hätten?

Wir hätten sicher weniger Land überbaut und mehr Siedlungsgrün eingeplant. Die Alpen wären besser geschützt. Die vorgesehenen Schutzgebiete wären schon verwirklicht. Wir hätten das Thema Altersvorsorge angepackt und nicht nur Altersheimplätze verwaltet. Und wir würden die Wirtschaftsförderung für die Innovations- und Tourismusförderung einsetzen, nicht nur für die Sicherung von bestehenden Arbeitsplätzen.

Die Grünen sind gleich gross wie die SP
Die Glarner Grünen halten seit der Verkleinerung des Landrats vor acht Jahren sieben Sitze im Parlament. Das ist schweizweit einer der höchsten Anteile für die Grünen in einem kantonalen Parlament. An den Wahlen im Jahr 2014 erreichten sie einen Wähleranteil von 10,8 Prozent. Vor ihnen liegen die SVP (17 Sitze, 28,9 Prozent), die FDP (12/18,5) und die BDP (9/15,1). Gleich viele Sitze, aber einen etwas höheren Wähleranteil hat die SP (7/11,5). Hinter den Grünen liegen die CVP (6/10,5) und die GLP (2/4,6). Für die diesjährigen Wahlen stellen die Grünen in jeder Gemeinde eine Liste mit insgesamt 52 Kandidierende (davon 20 Frauen). «Acht Sitze wären schön, mindestens die sieben Sitze halten» ist laut Co-Präsidentin Priska Müller das Wahlziel. Die 46-jährige Priska Müller Wahl führt seit sechs Jahren die Kantonalpartei zusammen mit Regula N. Keller. (sdü)

Sebastian Dürst ist Redaktionsleiter der «Glarner Nachrichten». Er ist in Glarus geboren und aufgewachsen. Nach Lehr- und Wanderjahren mit Stationen in Fribourg, Adelboden und Basel arbeitet er seit 2015 wieder in der Heimat. Er hat Religionswissenschaft und Geschichte studiert. Mehr Infos

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