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Fast 900 Steuersünder zeigen sich beim Kanton selber an

Die Zahl der straflosen Selbstanzeigen im Kanton St. Gallen blieb 2018 mit fast 900 Fällen hoch. Grund ist der Automatische Informationsaustausch mit der EU. Dieser bereitet dem Steueramt auch Kopfzerbrechen.

Pascal
Büsser
17.01.19 - 04:30 Uhr
News
Zweithöchster Wert: Nach dem Rekordjahr 2017 registriert der St. Galler Steuerchef Felix Sager für 2018 erneut eine Vielzahl an straflosen Selbstanzeigen von Steuersündern.
Zweithöchster Wert: Nach dem Rekordjahr 2017 registriert der St. Galler Steuerchef Felix Sager für 2018 erneut eine Vielzahl an straflosen Selbstanzeigen von Steuersündern.
Bild Pascal Büsser

Die Zahl der Steuersünder, die sich straflos selber anzeigen, bleibt hoch. 899 Personen haben das 2018 gemacht. Dies gabt das kantonale Steueramt am Mittwoch bekannt. Das ist zwar nicht ganz so viel wie im Rekordjahr 2017, als sich fast 1300 Steuersünder selber anzeigten. Aber immer noch die zweithöchste Zahl seit Einführung der straflosen Selbstanzeigen 2010.

2,4 Milliarden an Schwarzgeldern

Was die Summe der 2018 offengelegten Schwarzgelder betrifft, handelt es sich mit 264 Millionen Franken allerdings nur um den fünfthöchsten Jahreswert. Das zeigt, dass zunehmend auch kleinere undeklarierte Vermögen offengelegt werden. Rund ein Viertel der neu deklarierten Schwarzgelder betrafen 2018 Vermögen von unter 150 000 Franken. Gut ein Viertel lag derweil über einer Million Franken. Für Kanton und Gemeinden ergaben sich 2018 zusätzliche Einnahmen von knapp sieben Millionen Franken.

65 000 Meldungen eingetroffen

Der Grund für die Explosion in den letzten zwei Jahren ist für Felix Sager, Leiter des kantonalen Steueramts, klar: Haupttreiber sei der Automatische Informationsaustausch (AIA), den die Schweiz mit den 28 EU-Ländern und weiteren Staaten eingeführt hat.

Ende 2018 erhielt der Kanton dank AIA erstmals Meldungen zu ausländischen Konten – rund 65 000. Diese zu prüfen sei «eine Herkulesaufgabe», offenbarte Sager. Es gelte nun, vorab eine sinnvolle Systematik für die Sichtung zu entwickeln. Mit mehr Personal kann Sager dafür aktuell nicht rechnen. Ob durch den jährlich stattfindenden AIA zusätzliches Schwarzgeld aufgedeckt werde, sei aktuell offen.

Mit Abstand am meisten aus Deutschland

Mit Abstand am meisten Meldungen, rund 44 000, trafen aus Deutschland ein. Die Deutschen seien die grösste und eine wirtschaftlich starke Ausländergruppe im Kanton, erklärt sich Sager dies. Österreich schickte 7200 Meldungen, Italien dagegen nur 2500, obwohl Italiener die zweitgrösste Ausländergruppe im Kanton sind. Er könne nicht beurteilen, ob allenfalls nicht alles aus Italien gemeldet wurde, so Sager. Null Meldungen gab es bisher aus Frankreich, Rumänien, Zypern, Estland, Kroatien, Polen und Australien.

Daten aus Liechtenstein erhält die Schweiz erstmals im Herbst. Bis dann können unversteuerte Gelder aus dem «Ländle» noch straffrei deklariert werden. Mit weiteren Ländern tritt der AIA frühestens ab 2020 in Kraft.

Weniger «Ländle», mehr Inland

2018 stammten deutlich weniger hinterzogene Vermögen aus dem Fürstentum Liechtenstein als im Vorjahr. Scheinbar hätten viele Personen schon das Jahr 2017 genutzt, um Schwarzgeld aus dem «Ländle» offenzulegen, so Sager. Liechtenstein war lange eines der grössten Schwarzgeld-Verstecke für hiesige Steuersünder.

Überraschend scheint, dass letztes Jahr deutlich mehr Schwarzgeld auf Schweizer Konten deklariert wurde als zuvor. 43 Prozent der offengelegten Vermögen stammen aus der Schweiz – total 114 Millionen. «Dies ist umso bemerkenswerter, als innerhalb der Schweiz nach wie vor das Bankgeheimnis gilt», staunt Sager. Er erklärt sich dies damit, dass sich in der Wahrnehmung auch «im Inland die Reihen schliessen». Sprich: Das Bankgeheimnis scheint nicht mehr sakrosankt, und viele Banken hätten kein Interesse mehr an Schwarzgeld.

Im Zuge der Bereinigung undeklarierter Auslandkonten würden zudem allenfalls auch inländische Vermögen freiwillig aufgedeckt, da sich jeder nur einmal im Leben straflos selber anzeigen kann. Und nur solange die Steuerbehörden nicht selber auf undeklarierte Vermögen stossen.

«Mehrzahl ist ehrlich» 

Seit 2010 sind im Kanton St. Gallen insgesamt 2,4 Milliarden Franken an Schwarzgeldern offengelegt worden. Kanton und Gemeinden haben so zusätzliche Steuern von 134 Millionen eingenommen. Rund 30 Millionen fielen für den Bund ab. Zur Einordnung: 2018 wurden im Kanton St. Gallen insgesamt Vermögen von 2,4 Milliarden Franken deklariert. Das offengelegte Schwarzgeld seit 2010 macht also 2,6 Prozent aller erfassten Vermögenswerte aus.

«Ich gehe davon aus, dass die grosse Mehrzahl der Steuerzahler ehrlich sind», meint der Chef des kantonalen Steueramts angesichts dieser Zahlen. Ob das Verhältnis zwischen versteuertem und unversteuertem Vermögen in etwa gleich bliebe, wenn auch das Bankgeheimnis im Inland aufgehoben würde, oder ob dann noch einiges mehr zum Vorschein kommen könnte, dazu wagt Sager keine Einschätzung. «Das wäre Kaffeesatzlesen.»

Kaltbrunn mit Sprung nach vorn
Was den Kanton freut: Knapp 57 Prozent der Steuererklärungen wurden 2018 elektronisch eingereicht – 2,7 Prozent mehr als noch 2017. Das Linthgebiet hinkt hinterher. Ein Grund ist laut Kanton, dass Treuhänder, die in verschiedenen Kantonen tätig sind, oft nicht die St. Galler Software verwenden. Nur Schänis und Kaltbrunn liegen über dem kantonalen Schnitt. Kaltbrunn hat einen massiven Sprung von fast 10 Prozent nach vorne gemacht. Laut Steuersekretär Marco Fäh hat das einen einfachen Grund: «Ein Treuhänder mit 200 bis 300 Dossiers hat neu elektronisch eingereicht.» Möglich macht dies eine neue Schnittstelle für die bei Treuhändern beliebte Software «Dr. Tax». Der Kanton hofft, dass dadurch künftig noch deutlich mehr Steuererklärungen elektronisch eingereicht werden.

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