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Der Zwicker über fluchende Moleküle und Homoerotik

«Linth-Zeitung»-Kolumnist Frédéric Zwicker über Homosexualität im Fussball und Temperaturschwankungen.

Linth-Zeitung
16.10.18 - 04:30 Uhr
Menschen & Schicksale

von Frédéric Zwicker

Wetterprognosen sind eine totale Lotterie», schimpfen viele gern bei jeder sich bietenden Gelegenheit. Es sind bei Lichte betrachtet arme Kerle, denn die Gelegenheit bietet sich immer seltener. Eine Vorhersage für sieben Tage ist mittlerweile so genau, wie sie es vor 30 Jahren für den nächsten Tag war. Auf 24 Stunden hinaus beträgt die Trefferquote heute 90 Prozent. Wetterprognosen sind also nur noch jedes zehnte Mal «eine totale Lotterie».

Täglich schauen sich rund eine Million Schweizerinnen und Schweizer SRF-Meteo an. Das war am Sonntagabend ihr grosses Glück. Denn da konnten sie etwas lernen, als Moderator Thomas Kleiber jenes Phänomen erklärte, das bewirkt, dass die Temperaturen in den Niederungen im Verlauf eines Tages viel stärkeren Schwankungen unterworfen sind als in den Bergen.

Gasmoleküle in der Luft geben Wärme ab. Sie tun das in derselben Frequenz, in der andere Gasmoleküle Wärme aufnehmen. Die abgegebene Energie wird sofort wieder aufgenommen. Deshalb kühlt die Luft in der Höhe nur langsam ab. In den Niederungen geben die Gasmoleküle Wärme auch an den Boden ab. Der strahlt sie zwar ebenfalls zurück, aber in Frequenzen, welche die Moleküle teilweise nicht aufnehmen können. Deshalb kühlt die Luft über dem Boden stärker ab als weiter oben.

«Homosexualität ist im Fussball bekanntlich immer noch ein Tabu-Thema.»

Der Moderator wollte die Materie vereinfachen. Aus den drei runden Molekülsymbolen wurden Emojis, und er sagte: «Wenn wir statt Frequenzen Sprache nehmen, könnten wir sagen, das eine Molekül ist hässig und erleichtert sich mit einem Fluch. Das Dumme ist nur, dass es das auf Deutsch macht, und das hört dann das Nachbarmolekül.» (Das Wort Idiot wanderte vom hässigen Molekül-Emoji zum lächelnden, das jetzt seinerseits ein hässiges Gesicht machte.) «Und so ärgert sich dieses und flucht, und dann gibt es einfach so ein Fluch-Hin-und-Her-Pingpong.» (Idiot, Trottel und Löli schossen hin und her.)

«Der Boden ist im Gegensatz zum Gas mehrsprachig. Das heisst, er gibt die Wärme in verschiedenen Sprachen ab.» (Crétin, Nitwit, Grullo, Trottel). «Und so kriegen die meisten Moleküle gar nicht mit, dass sie gerade beschimpft wurden, und bleiben entspannt.»

Alles klar, Alter, habe ich mir gedacht, als ich das komplizierte Luftphänomen endlich verstanden hatte. Ich meine – Frequenzen? Wieso hast du nicht gleich Fluch-Hin-und-Her-Pingpong gesagt?

An diesem Wochenende hat mir noch ein zweiter SRF-Moderator viel Freude bereitet. Nämlich Sacha Ruefer während dem Spiel Belgien–Schweiz. Homosexualität ist im Fussball bekanntlich immer noch ein Tabu-Thema. Es gibt kaum Spieler, die sich outen. Auch Ruefer wollte sich mit seinem Spruch sicher nicht outen. Trotzdem sah ich eine Lanze gebrochen, als er bei der bewundernden Betrachtung einer Aktion des belgischen offensiven Mittelfeldspielers Eden Hazard sagte: «In solchen Momenten wünscht man sich, Ball zu sein. Wenn Hazard ihn so streichelt und liebkost.»

Kontaktieren Sie unseren Autor zum Thema: redaktion@linthzeitung.ch

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