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So ein Ding! Der Pilz-Seuchenvogel

Kolumnist Martin Mühlegg ist viel im Linthgebiet unterwegs und hält dabei Augen und Ohren offen. So entdeckt er immer wieder interessante Gegenstände, die er in seiner Kolumne vorstellt.

Linth-Zeitung
10.10.18 - 04:30 Uhr
Menschen & Schicksale
Diese Pfifferlinge fand Martin Mühlegg vor zirka sieben Jahren – es ist bis Dato sein einziger Pilz-Fund geblieben.
Diese Pfifferlinge fand Martin Mühlegg vor zirka sieben Jahren – es ist bis Dato sein einziger Pilz-Fund geblieben.
MARTIN MÜHLEGG

von Martin Mühlegg

In den letzten Wochen erreichten mich erfreuliche Nachrichten. «In einer halben Stunde haben wir zwei Kilogramm Steinpilze gefunden», erzählte zum Beispiel meine Tochter. Ein Nachbar schenkte mir vier sehr grosse Steinpilze und sagte, er sei nicht mehr in der Lage, all seine Funde im eigenen Haushalt zu verkochen. 

Dass derzeit viele Pilze aus dem Boden schiessen, vernahm ich auch von einer Freundin: Sie sei 90 Minuten vor der Pilzkontrolle angestanden, weil die Kontrolleure ungewöhnlich volle Körbe zu begutachten hatten. In meinem Bekanntenkreis kochen sie Steinpilzrisotto, Pfifferlingnudeln, Edelreizker-Omeletten und Herbsttrompeten-Suppen.

Ich gäbe einen sehr guten Pilzsammler und -esser ab. Ich wandere gerne und gehe täglich mehrmals mit meinem Hund raus. Ich koche gerne und mag Pilze. Ich habe mich in Internetforen schlau gemacht und ein Bestimmungsbüchlein gekauft. Ich habe auch hilfsbereite Freunde, die mich in die Kunst des Pilzsammelns eingeweiht haben. Es wäre also alles angerichtet für freudvolle Stunden im Wald und in der Küche.

Das Problem ist aber: Ich kann keine Pilze sammeln. Wenn ich welche sichte, blättere ich ratlos in meinem Büchlein und bin nicht in der Lage, sie zu bestimmen. Mein einziger Fund war eine knappe Hand voll Pfifferlinge (Bild). Dies geschah vor zirka sieben Jahren.

«Bleib dran», raten mir meine erfolgreicheren Freunde. Mehrere von ihnen haben mich sogar in ihre Sammlergeheimnisse eingeweiht. Ruth und Susanne nahmen mich mit auf den Glaspass bei Thusis. Dort gebe es sehr viele Pilze, mehrmals jährlich würden sie dieses Revier durchstreifen und immer mit guter Ernte nach Hause kommen, sagten sie auf dem Hinweg. Auf dem Weg nach Hause herrschte Ratlosigkeit. So schlecht sei es noch nie gewesen, sagten die beiden und suchten nach Gründen für das schlechte Resultat unseres Ausflugs. Ähnliches erlebte Patrick, als ich ihn nach Weglosen und Unteriberg begleitete. Die angekündigten grossen Steinpilze hatten sich in meiner Anwesenheit in Luft aufgelöst.

Besonders leid tat mir Hampi, als ich ihm zufälligerweise im Sagenraintobel bei Wald begegnete. Er hatte bereits eine Handvoll Morcheln gefunden und lud mich spontan ein, ihn zu begleiten. «Hier werden wir noch viel mehr Morcheln finden», sagte er. «Sie mögen sandige Böden wie diese hier.» Eine gute Stunde später gaben wir es auf. Weder ich noch Hampi hatten auch nur eine weitere Morchel gefunden.

Ich bin also nicht nur ein chronisch erfolgloser Sammler, sondern auch ein Pilz-Seuchenvogel. Mittlerweile habe ich mich mit diesem harten Schicksal abgefunden. Es soll niemand auf die Idee kommen, mit mir in den Wald zu gehen und nach Pilzen zu suchen. Falls Sie aber zu viele Pilze gefunden haben und diese nicht selber essen können, nehme ich sie gerne.

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