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Kabinenseilbahnprojekt Disentis 3000 in Sedrun

Seit vielen Jahren verbringe ich in den Monaten August und/oder September meinen Sommerurlaub in der Gemeinde Tujetsch in der oberen Surselva. Was mich an dieser Talgemeinde im hinteren Vorderrheintal stets besonders beeindruckt hat, ist die Unberührtheit und Ursprünglichkeit der einzigartigen Bergwelt, und dies trotz der langjährigen NEAT-Großbaustelle (AlpTransit) in Sedrun. Vermutlich ist diese Ursprünglichkeit einer der Gründe, warum ich immer wieder in diese beeindruckende Tallandschaft zurückkehre.

Allerdings musste ich bei meinem diesjährigen Besuch in Sedrun zur Kenntnis nehmen, dass auf dem Berghang von Cungieri nordöstlich von Sedrun die silberfarbigen Stützen einer großen Kabinenseilbahn wie Eiffeltürme hoch in den Himmel ragen. Dieser Anblick erfüllte mich nicht nur mit Staunen, sondern, und dies gebe ich freimütig zu, auch mit einem gewissen Groll. Natürlich steht es mir als auswärtigem Gast eigentlich nicht zu, über die Notwendigkeit oder Nichtnotwendigkeit eines solchen Seilbahnprojektes zu urteilen, aber die Gnadenlosigkeit, mit der hier ein Stück ursprünglicher Natur einem Kabinenseilbahnprojekt geopfert wird, stimmt mich traurig und macht mich ein Stück weit auch wütend. Bei dem Kabinenseilbahnprojekt handelt es sich um das Disentis 3000 Seilbahnprojekt Salins-Cungieri-Cuolm da Vi in Sedrun. Die Trassenführung über den Berghang von Cungieri und den Cuolm da Vi greift nach meinem Empfinden tief in Umwelt und Natur einer bisher intakten und landschaftlich wertvollen Bergregion ein. Davon mag sich ein jeder überzeugen, der jenseits des Cuolm da Vi in östliche Richtung auf das Gemeindegebiet von Disentis blickt: Aufstiegshilfen und im Sommer verödete Skipisten soweit das Auge reicht.

Nun habe ich recherchiert, dass das neue Kabinenseilbahnprojekt in erster Linie der Schließung der Lücke zwischen Sedrun und Disentis mit einer Reaktivierung des ehemaligen Skigebiets von Cungieri dienen soll, ohne dass es eine Skipiste zwischen dem Cuolm da Vi (Bergstation) und Cungieri (Zwischenausstieg) geben wird. Die Verbindung zum Skigebiet von Milez und damit zum Skigebiet Sedrun-Andermatt soll über die Gotthard-Matterhorn-Bahn ab Station Sedrun hergestellt werden. Dieses Konzept trägt nach meinem Verständnis zwei Geburtsfehler in sich: 1. Die Talstation der neuen Kabinenseilbahn in Salins ist viel zu weit von der Bahnstation Sedrun entfernt (bauliche Restriktionen wg. der zwischen Salins und Bahnstation Sedrun vorbeiführenden Hochspannungstrasse). Kein Ortsbus- oder Hotelbussystem wird nachhaltig die Menschenmassen heranführen, derer es zu einem wirtschaftlichen Betrieb der 70-Personen-Kabinenseilbahn bedarf. Die Massen derjenigen Skifahrer, die den Weg von der Bahnstation in Sedrun nach Salins auf sich nehmen, entziehen sich meiner Vorstellungskraft. 2. Das Seilbahnprojekt Salins-Cungieri-Cuolm da Vi entzieht dem Skigebiet Milez und damit dem Skigebiet Sedrun-Andermatt Kundschaft. Es ist schwer vorstellbar, dass wegen des neuen Kabinenseilbahnprojektes mehr Menschen den Weg in die obere Surselva finden.

Zwei weitere Aspekte lassen mich vollends an der Sinnhaftigkeit dieses Großprojektes zweifeln: Das Skigebiet von Cungieri wurde bereits einmal aufgegeben. Was ist heute anders, dass sich die Situation dieses Skigebietes bessern sollte? Wer einmal im August oder September die Luftseilbahn Disentis-Caischavedra benutzt hat, weiß, wie schwer es sein muss, eine wirtschafltiche Auslastung solcher (Groß-)Kabinenseilbahnen auch in den Sommermonaten zu gewährleisten. Sollte es in Sedrun anders sein? Hoffen wir das beste. Jedenfalls sollte der Sedruner nicht von ganzjährigen Menschenmassen in Salins träumen.

Fazit: Hier wurde ein intakter Naturraum zugunsten eines Großprojektes geopfert, dessen nachhaltiger wirtschaftlicher Erfolg mindestens fragwürdig erscheint. Schade.

Hermann Josef Giesen
11.09.18 - 21:28 Uhr
Leserbrief
Ort:
Eschweiler (Deutschland)
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Mit den im Sommer verödeten Skipisten im Milez meint man wohl die üppigen Kuhweiden, eine Seilbahn ist immer noch sehr Ökologisch, im Gegensatz einer 10 minütiger Autofahrt nach Disentis,